Schwäbische Zeitung: Kommentar: Krise schweißt zusammen
Ravensburg (ots)
Erst passierte lange nichts, und als dann endlich mal regiert wurde, kam der Fall Edathy - und aus war es wieder. Die ersten 100 Tage der Großen Koalition sind nicht erfolgreich verlaufen - oder doch? Fragt man sich, was wirklich wichtig war in den ersten drei Monaten dieses Jahres, wird in zehn Jahren keiner mehr von Sebastian Edathy und Thomas Oppermann reden. Aber viele von der Eurokrise und der Krim. Auf beiden Feldern agiert die Große Koalition, arbeiten Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier geräuschlos gut zusammen. Und selbst Vertreter der Opposition geben zu, dass auch sie in der Krim-Krise nicht besser reagieren und regieren könnten. Angela Merkel ist längst zur Führungskraft in Europa geworden, ihr größter Fehler sei, dass sie sich nicht so aufführt, heißt es im Ausland. Und Frank-Walter Steinmeier führt mit großem Einsatz die schwierigen diplomatischen Verhandlungen. Insofern ist die Große Koalition auf dem besten Weg, sich durch gute Krisenbewältigung ihren Ruf zu sichern, ganz so, wie es die erste Große Koalition 2005 bis 2009 auch schon schaffte. Die außenpolitische Krise hat die Akteure zusammengeschweißt. Die Koalition tritt handlungsstark auf und punktet dadurch. In der Innenpolitik wirkt es bisher so, als ob die SPD-Minister besser durchstarten und die CDU sich vorerst ein Tempolimit verordnet hat. Im Bereich Arbeit und Soziales wurden zentrale Projekte in Angriff genommen, während sich anderswo, zum Beispiel im Gesundheitsbereich oder im Verkehrsbereich, noch keine großen Linien abzeichnen. Die schwierigste Aufgabe wartet ohnehin noch auf Sigmar Gabriel, der das EEG ändern muss. Insgesamt also ist der Start - trotz Edathy - nicht schlecht. Die Außenpolitik wird seriös gestaltet, in der Innenpolitik hat man die ersten großen Vorhaben von der Mütterrente bis zum Mindestlohn auf den Weg gebracht. Das Ganze geht leidenschaftslos über die Bühne. Allerdings: Es wird noch etwas dauern, bis das Vertrauen in diesem Bündnis auf Zeit untereinander wieder wächst.
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