Schwäbische Zeitung: Das ganz normale Sterben - Leitartikel
Ravensburg (ots)
Seit Wochen und Monaten dominiert ein Thema mit seinen vielen Facetten die Nachrichtenlage: Die Proteste auf dem Maidan in Kiew wurden zum Auslöser für die Krim-Krise, die Krim-Krise wuchs sich zur Ukraine-Krise aus, die Ukraine-Krise mündet gerade in nichts weniger als einen Bürgerkrieg im Osten des Landes. Eines Landes, das fast vor unserer Haustür liegt. Die Menschen fliehen aus den heftig umkämpften Städten wie Donezk. Aufseiten der ukrainischen Armee wie in den Reihen der aufständischen Separatisten steigen die Zahlen der Gefallenen. Und den Rest der Welt interessiert das nicht besonders. Oder besser: Es interessiert ihn nicht mehr.
Eine Logik der großen Nachrichtenportale im Internet ist diese: Was gut geklickt wird, was sich also die meisten Besucher der Webseite genauer anschauen, wird auf den prominentesten Plätzen der Seite präsentiert - auf dass die Klickzahlen in die Höhe schnellen. Während dieser Text entsteht, zeigt eine rasche Stichprobe: Nur eines von zehn Nachrichtenportalen beschäftigt sich in seinen Top-Drei-Geschichten mit den Geschehnissen in der Ukraine. Was den Schluss erlaubt, dass man sich über die Wochen und Monate daran gewöhnt hat, dass dieser scheinbar unendliche Konflikt in der Ukraine nun mal täglich Menschenleben kostet. Das ganz normale Sterben. Was gibt´s Neues? - Charlène von Monaco ist schwanger.
Die Ukraine ist nur das im Wortsinne naheliegendste Beispiel für das immer wieder rapide sinkende Interesse der Öffentlichkeit an den hochgewaltsamen Konflikten, von denen das Heidelberger Institut für Konfliktforschung weltweit aktuell mehr als 40 zählt. Irak? Ägypten? Syrien? Mali? Sudan? Wer hat daran noch Interesse? Natürlich können und sollen wir uns nicht täglich mit dem Elend der Welt belasten. Doch wir müssen uns in Deutschland und Europa täglich daran erinnern, dass wir aus unserer komfortablen Position der wirtschaftlichen und politischen Stärke heraus immer wieder Verantwortung übernehmen müssen. Auch im eigenen Interesse.
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