Schwäbische Zeitung: Kommentar zur Lage der Flüchtlinge: "Debatte versachlichen"
Ravensburg (ots)
Wie schwierig Entscheidungen in der Flüchtlingskrise sind, zeigt die jüngste Aufnahme der Migranten aus Ungarn. Natürlich ist es aus humanitärer Sicht richtig, diesen Menschen Zuflucht zu gewähren. Doch stellt sich schon die Frage, ob sich so nicht ein Automatismus einschleicht, der da heißt: Wenn die Osteuropäer keine Flüchtlinge aufnehmen mögen, springt schon jemand anderes in die Bresche. Emotionen bestimmen derzeit die Debatte, wo sie doch eigentlich dringend einer Versachlichung bedarf.
Es geht darum, zu klären, wie Deutschland die Flüchtlingskrise langfristig bewältigen kann. Wohlfeile Reden, meist aus dem akademischen Milieu, ungeachtet der Rechtslage jedem Menschen Asyl zu gewähren, der Deutschland erreicht, führen aber gerade nicht zum Ziel.
Ganz zentral ist die Debatte um die Qualifikation der Flüchtlinge. Bis zu 20 Prozent der Neuankömmlinge sind laut Innenminister de Maizière Analphabeten. Es ist wahrscheinlich, dass die Neuankömmlinge zumindest kurzfristig - auch aufgrund fehlender Sprachkenntnisse - eher mit schlecht bezahlten Arbeitnehmern wie Küchen- oder Lagerhilfen um Arbeitsplätze konkurrieren, weniger mit dem Ingenieur, dem Arzt oder auch dem Journalisten.
Aus Sicht Bessergestellter redet es sich leicht über eine Integration, deren täglichen Herausforderungen sich eben jene Küchenhilfe stellen muss.Auch die Wirtschaft sollte realistisch bleiben, was das kurzfristig abrufbare Potenzial an gut Ausgebildeten unter Flüchtlingen betrifft, anstatt von zahlreichen Facharbeitern, Ärzten und Ingenieuren zu reden. Zuwanderung auf der Basis von Flucht ist kein Modell für den Arbeitsmarkt. Sie muss geregelt werden.
Wenn die akute Notlage unter Kontrolle ist, braucht es ein Einwanderungsgesetz, das nicht auf Gemütslagen und Emotionen basiert, sondern auf den Bedürfnissen des Landes - so wie es andere Einwanderungsländer bereits haben. Für humanitäre Notlagen gilt weiter das Grundgesetz. Dessen Rechtsauffassung ist weithin akzeptiert: Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.
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