Schwäbische Zeitung: "Pragmatismus statt Belehrung" - Kommentar zur Flüchtlingsdebatte
Ravensburg (ots)
Ja, Ungarn verweigert Flüchtlingen elementare Menschenrechte. Ja, Stacheldraht als Mittel, um eine Grenze zu sichern, ist ein Skandal. Und ja, Ungarn hat mit der ungehinderten Durchreise der Flüchtlinge nach Westeuropa europäisches Recht gebrochen.
Wie die EU-Kommission nun festgestellt hat, nahm es allerdings auch Deutschland mit dem Dublin-Abkommen nicht so genau, als Kanzlerin Angela Merkel entschied, die Menschen aus Ungarn in Deutschland aufzunehmen. Das sind Fakten jenseits aller Gefühligkeit.
Viktor Orban ist ein Hardliner, Horst Seehofer ein Politiker, der keine Provokation auslässt. Und Orban tut seinem Gast den Gefallen und kritisiert Merkel und ihre Flüchtlingspolitik scharf. Ein Affront erster Güte.
Aber deutsche Schlaubergerei, die andere Länder über Moral belehrt, hilft in der Flüchtlingskrise eben genauso wenig weiter wie Stacheldrahtzäune. Die EU-Kommission ist pragmatisch, sie will Dublin reformieren. Und nach der Übereinkunft der EU-Innenminister über die Flüchtlingsverteilung, die mit großer Mehrheit erfolgte, sollte es möglich sein, auch bei den Asylregeln Einigkeit zu erzielen - ohne Brachialmethoden, aber auch ohne Belehrungen.
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