Schwäbische Zeitung: Türkei muss mit Folgen rechnen - Leitartikel zum Abschuss des russischen Kampfjets
Ravensburg (ots)
Der Abschuss des russischen Kampfjets über der Türkei hat heftige Reaktionen in Moskau und Ankara ausgelöst. Wirklich überraschend ist dieser Zwischenfall jedoch nicht. Seit 2014 führt die Atommacht auf Befehl des Präsidenten Wladimir Putin bei Manövern und Patrouillen im Ausland gerne vor, was ihre Militärs drauf haben. Experten haben dem Kreml immer wieder Leichtsinn vorgeworfen und vor möglichen Zusammenstößen zwischen russischen und westlichen Kriegsschiffen und Flugzeugen gewarnt.
Laut einer Studie hat es mindestens 66 solcher Beinahe-Zwischenfälle mit potenziell schweren Folgen gegeben. Mangels Absprachen und Vorwarnungen auf beiden Seiten war es also nur eine Frage der Zeit, bis etwas passieren musste.
Im Fall des abgeschossenen Su-24 kommt allerdings zuerst die Nato in Erklärungsnöte. Denn während mit Frankreich ein Mitglied der Allianz gerade aktiv daran arbeitet, eine Koalition für den Kampf gegen den Islamischen Staat (IS) zu schmieden und fest mit Russlands Beteiligung rechnet, hat ein anderes Mitglied Moskau brüskiert und den russischen Stolz verletzt. Die Türkei muss Putins wütende Worte vom "Schlag in den Rücken" ernst nehmen, nicht nur weil sie von ihrem wichtigsten Handelspartner kommen.
Russland beschuldigt Präsident Erdogan, sich die IS-Gewaltherrschaft zunutze zu machen, um die Kurden zu schwächen. Dieser Vorwurf dürfte nicht so weit von der Realität entfernt liegen. Der erratische Kurs der Türkei bei der Terrorbekämpfung im Nachbarland hat in der Allianz bereits früher für Unmut gesorgt. Erdogan dürfte jetzt noch mehr unter Druck geraten, wobei er im Streit mit Russland auch nicht mit der uneingeschränkten Unterstützung der USA oder Frankreichs rechnen darf. Denn die Nato-Größen sind im Kampf gegen den IS derzeit an einer militärischen Kooperation mit Moskau in Syrien interessiert.
Tatsächlich könnte der Abschuss des SU-24 der Nato und Russland auch endlich einen Impuls geben, ihre militärischen Aktivitäten künftig besser zu koordinieren.
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