Schwäbische Zeitung: Leitartikel zur Präsidentenwahl in Österreich: Das Amt ist schon beschädigt
Ravensburg (ots)
Für das internationale Ansehen Österreichs wäre der von den Grünen unterstützte Alexander Van der Bellen ganz klar der bessere Präsident. Durch die politische Landschaft Europas würde ein Aufatmen gehen. Der Tenor der Gefühlslage: Gott sei Dank kein Rechtspopulist in der Wiener Hofburg. Leider hat sich aber gerade in den Wochen vor der Stichwahl herausgestellt, dass Van der Bellen kaum besser zum Präsidenten geeignet ist als sein Konkurrent, der FPÖ-Mann Norbert Hofer. Das Land hat letztlich keinen der beiden verdient.
Van der Bellen wie Hofer haben sich am Pfingstwochenende beim inzwischen berüchtigten TV-Duell komplett blamiert. Sie beharkten sich wie zwei kleine Buben beim Sandkastenstreit. Eigentlich unvorstellbar, dass dies eine Bewerbung für das höchste österreichische Staatsamt sein sollte. Dummerweise hatten die Bürger keine Wahl mehr. Sie konnten nur noch ihr Kreuzlein bei einem der beiden Streithanseln machen - oder daheimbleiben. So lässt sich attestieren, dass bereits vor dem Ausgang der Stichwahl das Präsidentenamt schwer beschädigt war.
Letztlich war alles schon früher auf ein Fiasko hinausgelaufen. Beispielsweise wirkten die im ersten Wahlgang mit Karacho durchgefallenen Kandidaten aus den Reihen der SPÖ und der konservativen ÖVP abgewirtschaftet. Sie spiegelten damit das Image dieser einstigen Volksparteien wider. Fast könnte man meinen, sie hätten die Präsidentschaftswahlen nicht ernst genommen.
Nun stellen SPÖ und ÖVP aber die Regierung in Wien. Immerhin hatte ihre Blamage am ersten Wahltag etwas Gutes. Der zuletzt konfus agierende Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) gab auf. Er wurde durch den langjährigen Manager Christian Kern ersetzt. Dieser zeigte bei seinen ersten Auftritten mehr staatspolitische Statur als sein Amtsvorgänger und die beiden Präsidentschaftskandidaten Hofer und Van der Bellen zusammen. Auch die Konservativen haben ein politisches Talent: den jungen Außenminister Sebastian Kurz. Vielleicht ist in Österreich doch noch nicht alles verloren.
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