Schwäbische Zeitung: Leitartikel: Für Europa ist May ein Problem
Ravensburg (ots)
Großbritanniens neue Regierungschefin Theresa May wird nicht ohne Grund mit ihrer Vorgängerin Margaret Thatcher verglichen. Als Innenministerin hat May gezeigt, dass sie wie einst die "Eiserne Lady" ihre Ziele mit großer Hartnäckigkeit und knallharter Effizienz verfolgen kann. Die Konservative hat angekündigt, eine "verdammt schwierige" Gesprächspartnerin bei den zukünftigen Brexit-Gesprächen zu sein. Mays Versprechen an ihre Landsleute vor dem Verhandlungsmarathon lautet: "Der Brexit wird eine Erfolgsgeschichte sein".
Wenn diese Vorhersage eintritt, dann hätte Europa bald ein großes Problem. Zwar ist May selbst keine Anti-Europäerin, sie muss jedoch ohne Wenn und Aber die Gewinnerseite des EU-Referendums vertreten, die im Brexit-Prozess die britischen Interessen ohne Rücksicht auf Europas Verluste durchsetzen will. Darum wird die neue Premierministerin in Brüssel den freien Zugang zum EU-Binnenmarkt fordern und gleichzeitig die Politik der offenen Grenzen in Europa ablehnen. Sollte die Ländergemeinschaft den Briten dann weit entgegenkommen und dafür die Grundprinzipien der europäischen Integration opfern, wäre dies ein Debakel für die Rest-EU. Es wäre die offene Einladung an alle isolationistischen Kräfte auf dem Kontinent, es dem Königreich nachzumachen.
Darum sollte Europa klare Kante zeigen und den harten Forderungen der Briten mit aller Geschlossenheit und angemessener Gegenhärte begegnen - wenn es denn so weit ist. Denn zunächst einmal muss May in ihrem kriselnden Land für geordnete politische Verhältnisse sorgen, wie es schon Kanzlerin Angela Merkel angemahnt hat. Die Hausaufgaben der Neuen in der Downing Street 10 sind schwierig. May muss das britische Abgleiten in eine Rezession verhindern und das Königreich vor einem Zerfall nach einem möglichen schottischen Alleingang bewahren. Sie muss die Gesellschaft einen und die gelähmten Konservativen wieder regierungsfähig machen. Ihr Kabinett will sie nun mit EU-Gegnern besetzen - das ist kein gutes Zeichen für die Briten und für Europa.
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