Schwäbische Zeitung: Merkel im Wahlkampfmodus - Leitartikel zu Merkel/Wahlkampf
Ravensburg (ots)
Dass fünf Monate vor der Bundestagswahl der Wahlkampf in Deutschlands wichtigstem Parlament Einzug hält, ist normal. Letztlich überraschend ist dennoch, wie einfach die Opposition der Kanzlerin es gemacht hat, sich den Wählern als Regierungschefin von Format zu empfehlen. Im Berliner Reichstag ging es um den EU-Austritt der Briten und auch um die Situation in der Türkei. US-Präsident Donald Trump und die Wahlen in Frankreich mussten gar nicht mehr explizit thematisiert werden.
Der langen Rede kurzer Sinn: Es gab anders als heute schon Jahre oder Situationen, in denen international die Krisen und Probleme überschaubarer waren und die keine direkten Auswirkungen auf die Deutschen hatten. In einer solchen Lage geißelte die Grünen-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt die Abgastricksereien der Automobil-Industrie. Einverstanden, die Dieselpraktiken sind mehr als ein Ärgernis, aber derzeit geht es um die fundamentale Ausrichtung und um die Existenz der Europäischen Union. Im Inneren wie im Äußeren. Dass Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht außer ideologischen Phrasen auch nichts weiteres beizusteuern hatte, zeigt, dass Rot-Rot-Grüne Planspiele vor allem außenpolitisch ins Nirgendwo führen.
Die in letzter Zeit auch in ihrer CDU umstrittene Angela Merkel konnte hingegen mit ihrer nüchternen Analyse punkten. Ohne Briten und Türken die Tür vor der Nase zuzuschlagen, definierte sie für Deutschland und die EU die Leitplanken für die kommenden Monate. An Klarheit ließ sie es dabei nicht mangeln, auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass London wie Ankara NATO-Partner sind. So warnte sie Großbritannien vor Illusionen, wenn es um die Freizügigkeit von EU-Bürgern oder den Zugang zum Binnenmarkt geht und sie forderte rechtsstaatliche Normen in der Türkei ein. Die SPD steht für diese Politik und sie wird in diesen wesentlichen Punkten der Kanzlerin nicht in die Parade fahren können. Merkel kommt langsam in den Wahlkampfmodus.
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