Schwäbische Zeitung: Enttäuschte Erwartungen - Leitartikel zu Streit USA/Russland
Ravensburg (ots)
Russland und die USA treten auf die Bremse und verhindern so, dass der harte diplomatische Schlagabtausch in eine gefährliche Sanktionsspirale abgleitet. Donald Trumps Regierung schließt zur Vergeltung der Massenausweisung ihrer Diplomaten aus Russland lediglich ein Konsulat in den USA und gibt nicht der Versuchung nach, russische Botschaftsmitarbeiter aus dem Land zu werfen. Auf der anderen Seite des Atlantiks räumt Außenminister Sergej Lawrow kleinmütig an, dass sein Land keinen Streit mit der Supermacht wolle. Die Zeichen stehen zwar vorerst auf Deeskalation, doch das große russisch-amerikanische Problem bleibt ungelöst.
Es besteht darin, dass Präsident Wladimir Putin mit wachsender Unmut von Trump erwartet, was dieser ihm gerade nicht geben kann. Erstens Respekt und Verständnis für Moskaus enorme geopolitische Ambitionen. Zweitens eine Garantie der amerikanischen Nichteinmischung in Russlands Innenpolitik vor der Wahl 2018 sowie in dessen politische Einflusssphäre auf dem postsowjetischen Gebiet. Drittens einen Deal auf Augenhöhe in Syrien und Iran, der es dem Kremlchef erlauben würde, sich intern als ein erfolgreicher Krisenmanager zu verkaufen.
Russlands Erwartungen waren in dieser Hinsicht sehr groß. Doch der US-Präsident hat sich durch die Affäre um die dubiosen Kontakte seiner Berater nach Moskau selbst handlungsunfähig gemacht. Trump könnte heute Putin nicht entgegenkommen, ohne sich neuen, unangenehmen Fragen über seine "Russland-Connection" auszusetzen. Zudem hat er bislang außenpolitisch andere Prioritäten gesetzt, weswegen eine geordnete Russlandpolitik im Weißen Haus offenbar gar nicht existiert.
Nun kann es auch den Europäern nicht egal sein, wenn die Atommächte streiten, statt in den Kriegs- und Krisengebieten konstruktiv zusammenarbeiten. Die Warnung von Bundesaußenminister Sigmar Gabriel in Washington vor einer "neuen Eiszeit" sind daher berechtigt. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Deutschlands einst vertrauensvolle Beziehungen mit Moskau so abgekühlt sind, dass Berlin aktuell keine friedensstiftende Rolle spielen kann.
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