Aktionsbündnis "Tiere gehören zum Circus"
Tierhaltung: "Behavioral enrichment" im Circus Krone
Kirchheimbolanden, 02.08.2018 - Maßnahmen des "Behavioral enrichment" (Verhaltensanreicherung), also Maßnahmen zur Stimulierung der Sinne und des Verhaltens, finden immer häufiger Anwendung in modernen Zirkusbetrieben, wie z. B. dem Zirkus Krone. Diese Entwicklung ist aus folgenden Gründen sehr zu begrüßen: Wildtiere, die in Menschenobhut leben, sind vom Stress der Futter- bzw. Beutesuche, der Feindvermeidung und der Revierverteidigung befreit, leben also gewissermaßen in einem permanenten Urlaub. Dies ist für die Tiere einerseits sehr angenehm - Tiere in Menschenobhut sind häufig in einem Maße tiefenentspannt, wie man das bei wild lebenden Tieren nur sehr selten beobachten kann -, doch andrerseits machen sich auch Eintönigkeit und Langeweile im Alltag der Tiere breit. Dies kann im Extremfall dazu führen, dass sich das Aktivitätsbedürfnis der Tiere in Bewegungsstereotypien entlädt. Das "Behavioral enrichment" wirkt der Langeweile der Tiere entgegen und steigert deren Wohlbefinden.
Circus Krone versucht seinen Tiere u. a. durch folgende Verhaltensanreicherungen zu einem abwechslungsreichen Tagesablauf zu verhelfen: Den Raubkatzen, die im Familienverband (mit Jungtieren) in großen Freigehegen zusammenleben, stehen erhöhte Liegeflächen, Kratzbäume, Teile von Ästen und Stämmen, verschiedene Spielsachen (z. B. Gummibälle oder Pappkartons), ein Badebecken (für die Tiger) und oft auch frischer Laubschnitt zur Verfügung. Wenn der Zirkus nicht auf Naturboden steht, wird Sand ausgestreut. Auch eine Seifenblasen-Maschine kommt gelegentlich zum Einsatz: Die Seifenblasen stimulieren den Jagdtrieb der Löwen.
Die Elefanten können sich mit frischem Laubschnitt (sehr wichtig für Elefanten), großen Sandhaufen (Sandbädern), Schlammsuhlen (angefeuchtete Stellen im Gehege), Scheuerbäumen und Teilen von Baumstämmen beschäftigen. Auch im Gehege von Breitmaulnashornbulle "Tsavo" gibt es ein großes Sandbad und eine Suhle. Darüber hinaus darf "Tsavo" noch eine besondere Spezialität genießen: Wechselnde Duftstoffe, die in Vertiefungen von Holzblöcken angebracht werden. Zurzeit verwenden die Tierpfleger Basilikum, Pfeffer, Paprika, Chili, Curcuma, Kümmel, Zimt, Erdnussbutter, Ahornsirup und Honig. Da der Geruchssinn im Leben von Nashörnern eine große Rolle spielt, dürfte "Tsavo" dieses olfaktorische "Enrichment" als sehr interessant empfinden. Darüber hinaus dienen die Holzblöcke als Scheuermöglichkeit.
Man darf gespannt sein, was sich die Spezialisten des Lacey-Funds und die mit ihnen zusammenarbeitenden Wissenschaftler in Zukunft noch einfallen lassen werden. Beim Lacey-Fund handelt es sich übrigens um einen vom Tierlehrer Martin Lacey jr. gegründeten Verein zur Verbesserung von Tierhaltung.
Auch die häufigen Ortswechsel, die ja mit einer Veränderung des Gehegeuntergrundes und der Gerüche innerhalb und außerhalb des Geheges einhergehen und den Tieren somit immer wieder andere Reize anbieten, tragen zum "Behavioral enrichment" bei. Unterstützt wird das "Behavioral enrichment" zudem durch das Training und die Auftritte in der Manege (Erlernen von Stimulus-Response-Assoziationen). Bereits im Jahre 1961 schrieb der Begründer der Tiergartenbiologie, Dr. H. Hediger: "Spiel und Dressur stellen unter Umständen vorzügliche Mittel dar, um den Alltag der Tiere im Zoo zu bereichern und sinnvoller zu gestalten und um dem Tier das ihm zuträgliche Maß an Bewegung und Beschäftigung zukommen zu lassen" (Hediger, H.: Beobachtungen zur Tierpsychologie im Zoo und im Zirkus, Basel 1961, S. 318). Alle Wissenschaftler, die sich intensiv mit dem Thema "Tiere im Zirkus" beschäftigt haben, bestätigen auf Grund ihrer Beobachtungen diese Erkenntnis (z. B. Marthe Kiley-Worthington, Theodore Friend, Klaus Zeeb). Vor kurzem äußerte sich die Verhaltensbiologin Tessy Albonetti in einem Gastbeitrag in der Circus-Zeitung folgendermaßen: "Als größter Vorteil der Tierhaltung im Circus wird nämlich häufig das Tiertraining angeführt, in dem bestimmte Bewegungsabläufe einstudiert werden und der Tieralltag durch mentale Stimulation bereichert wird" (Albonetti, Tessy: Circus-Zeitung, 3-2018, 62. Jahrgang, Recklinghausen, S. 28). Und weiter: "Dieses Tiertraining ist mittlerweile auch eine der Säulen der modernen Zootierhaltung, beispielsweise in Form des ´medical trainings´ (medizinisches Training), das stressfreie Durchführungen medizinischer Untersuchungen zum Ziel hat" (ebd.).
Die Abläufe in der Manege werden von den Tieren aber nur dann als angenehm empfunden, wenn die Ausbildung auf einem Vertrauensverhältnis zwischen Mensch und Tier beruht und nach dem Prinzip der positiven Verstärkung (erwünschte Verhaltensweisen werden belohnt, unerwünschte ignoriert) erfolgt. Wichtig ist auch, dass die Tierlehrer auf die individuellen Vorlieben und Begabungen ihrer Schützlinge Rücksicht nehmen, natürlich auch auf die arteigenen Fähigkeiten. Ein guter Tierlehrer geht ferner auf die Tagesform seiner Tiere ein und zwingt unmotivierte Tiere nicht in die Manege. Die Tierlehrer des Circus Krone, sowie jedes anderen guten Unternehmens, bekennen sich zu diesen Grundsätzen. Zudem stellen die Tierlehrer des Circus Krone - und aller anderen deutschen Unternehmen - die natürlichen Bewegungen und die natürliche Ausstrahlung der Tiere in den Mittelpunkt ihrer Darbietungen und machen dadurch die Schönheit, den Charakter und die Persönlichkeit der Tiere sichtbar.
Angesichts der enormen Bemühungen der Tierlehrer um eine moderne, zeitgemäße Haltung und Präsentation der Tiere bleibt zu hoffen, dass das Publikum dem traditionellen Zirkus weiterhin die Treue hält und die Politik für die Erhaltung der Tier-Mensch-Kultur im Zirkus klar und deutlich Stellung bezieht.
Text geschrieben von: Dirk Candidus
Fotos:
Maßnahmen des "Behavioral enrichment" im Circus Krone (letztes Foto zweite Reihe und erstes Foto letzte Reihe: Löwen entdecken die Faszination der Seifenblasenmaschine; letztes Foto letzte Reihe: Nashornbulle "Tsavo" im Sandbad, im Hintergrund Holzpfeiler mit Duftstoffen).
Alle Fotos wurden im Circus Krone aufgenommen, und zwar Nr. 1 bis 5 von Astrid Reuber und Nr. 6 von Dirk Candidus.
Pressekontakt:
Dirk Candidus, Aktionsbündnis "Tiere gehören zum Circus"
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