Fraunhofer Institut für Angewandte Festkörperphysik IAF
Entwicklung skalierbarer Quantenmikroprozessoren auf Diamantbasis läuft an
Die Voraussetzungen für skalierbare Diamant-Quantenmikroprozessoren schaffen und so die wirtschaftliche Nutzbarkeit des Quantencomputings in Deutschland beschleunigen – daran arbeitet das Verbundprojekt »Deutsche Brilliance« seit 1. Dezember 2021. Das BMBF fördert die Kooperation zwischen Fraunhofer IAF, dem Start-up Quantum Brilliance und der Universität Ulm drei Jahre lang über die Maßnahme »Enabling Start-up« mit 15,6 Mio. Euro. Für den bestmöglichen Austausch zwischen den Projektpartnern nutzt das Team von Quantum Brilliance Räume am Fraunhofer IAF.
Das Verbundprojekt »Deutsche Brilliance« (DE-Brill) will die besonderen Materialeigenschaften von Diamant nutzen und bis 2025 Technologien zur Herstellung und Steuerung diamantbasierter Quantenmikroprozessoren (»Quantum Processing Units«, QPUs) entwickeln. Das Projektteam besteht aus dem australisch-deutschen Start-up Quantum Brilliance, dem Freiburger Fraunhofer-Institut für Angewandte Festkörperphysik IAF und dem Institut für Quantenoptik der Universität Ulm.
Mit QPUs sollen Quantenvorteile für Anwendungen wie beispielsweise Edge Computing erzielt werden – eine technologische Grundvoraussetzung für die komplexe Infrastruktur des Internets der Dinge (»Internet of Things«, IoT), das perspektivisch autonome Mobilität und digitalisierte Industrieproduktion ermöglichen kann. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützt das Vorhaben drei Jahre lang über die Fördermaßnahme »Enabling Start-up – Unternehmensgründungen in den Quantentechnologien und der Photonik« mit 15,6 Mio. Euro. Insgesamt liegt das Projektvolumen bei 19,9 Mio. Euro.
Vorteile und Grenzen diamantbasierter Quantencomputer
Eine zentrale Herausforderung bei der Entwicklung von Quantencomputern ist die technologische Realisierung von Quantenbits (Qubits). Es existieren verschiedene Ansätze zur Erzeugung von Qubits. Diese können beispielsweise auf Basis von Kernspins in Festkörpern erzeugt werden. Ein noch junger Ansatz ist hierbei die Nutzung von Diamant als Wirtsmaterial. Quantencomputer auf Diamantbasis versprechen entscheidende Vorteile in der praktischen Anwendung: Sie lassen sich energieeffizienter, verlässlicher und kompakter bauen und betreiben als Quantenprozessoren auf der Basis supraleitender Qubits. Statt in komplexen Anlagen auf kryogene Temperaturen gekühlt und evakuiert werden zu müssen, funktionieren Diamant-Qubits aufgrund des äußerst stabilen Diamantkristallgitters bei Raumtemperatur und gewöhnlichen Druckverhältnissen.
Diamant-Qubits entstehen durch die Quantenverschränkung von quasi-freien Elektronen in Stickstoff-Vakanz-Zentren (»nitrogen-vacancy centers«, NV-Zentren) des Diamantkristallgitters. Aktuelle Verfahren zur Herstellung solcher NV-Zentren ermöglichen allerdings keine Hochskalierung diamantbasierter Qubits hin zu ausreichend großen Zusammenschlüssen mehrerer Qubits in Form von Arrays, die für das Quantencomputing benötigt werden. Es fehlt bislang namentlich an Verfahren, die eine definierte Platzierung von Stickstoffatomen im Kristallgitter ermöglichen. Das ist für die Kopplung mehrerer NV-Zentren zur Erstellung von größeren Arrays aber nötig.
Herstellungsprozess für das Basismaterial skalierbarer Diamant-Quantencomputer
Im Zug seines Teilvorhabens innerhalb des Verbundprojekts entwickelt das Fraunhofer IAF zum einen Wachstumsprozesse für Diamantsubstrate höchster Reinheit und Qualität. In enger Zusammenarbeit mit Quantum Brilliance erarbeitet es zum anderen Präzisionsfertigungstechniken zur Herstellung skalierbarer Arrays aus Diamant-Qubits. Die nötige örtliche Genauigkeit bei der Platzierung der Stickstoffatome von unter einem Nanometer wollen die Forschenden mittels Rastersondenmikroskopie erreichen.
»Dieser Ansatz zur gezielten Platzierung von NV-Zentren ist bislang einmalig und ein entscheidender Schritt zur Skalierung von NV-Arrays für die Anwendung im Quantencomputing«, erklärt Dr. Ralf Ostendorf, Projektleiter auf Seiten des Fraunhofer IAF. Das Verbundprojekt »DE-Brill« werde aus diesem Grund auch dazu beitragen, die Technologie im Hinblick auf zukünftige Forschungsprojekte sowie den industriellen Einsatz in Bereichen der Sensorik, Bildgebung oder Kommunikation weiterzuentwickeln.
Parallel zum Teilprojekt des Fraunhofer IAF arbeitet ein Team unter der Führung von Prof. Dr. Fedor Jelezko am Institut für Quantenoptik der Universität Ulm daran, skalierbare Auslese- und Steuerungstechniken für diamantbasierte Qubits zu definieren, mit denen diese präzise kontrolliert werden können.
Quantum Brilliance am Standort des Fraunhofer IAF
Das Fraunhofer IAF und Quantum Brilliance arbeiten im Rahmen von »DE-Brill« eng zusammen. Um die Anlageninfrastruktur am Standort Freiburg bestmöglich zu nutzen und kurze Austauschzyklen zu gewährleisten, ermöglicht das Fraunhofer IAF einem Team von Quantum Brilliance hierfür exklusiv, institutseigene Räumlichkeiten zu nutzen.
Der gemeinsame Standort erlaubt den Verbundpartnern in besonderer Weise, schnell auf Mess- und Charakterisierungsergebnisse zu reagieren, laufende Versuchsprozesse unmittelbar zu verbessern und einen kontinuierlichen Wissensaustausch zu pflegen. »Dass wir gemeinsam vor Ort am Fraunhofer IAF arbeiten können, ermöglicht uns einen beispiellosen gegenseitigen Know-how-Transfer, von dem das Projekt sehr profitiert«, betont Dr. Mark Mattingley-Scott, der bei Quantum Brilliance als General Manager unter anderem für den europäischen Wirtschaftsraum verantwortlich ist.
Über Quantum Brilliance
Quantum Brilliance wurde 2019 gegründet und ist ein wagniskapitalfinanzierter australisch-deutscher Hersteller von Quantencomputing-Hardware. Das Unternehmen bietet Quantenbeschleuniger aus synthetischen Diamanten sowie ein Set aus Softwaretools und Applikationen. Die Vision ist, einen breiten Einsatz von Quantenbeschleunigern zu ermöglichen – um Unternehmen in die Lage zu versetzen, Edge-Computing-Anwendungen und Supercomputer der nächsten Generation zu nutzen. Quantum Brilliance unterhält Partnerschaften in Nordamerika, Europa sowie im asiatisch-pazifischen Raum und arbeitet mit Regierungen, Supercomputing-Centern, Forschungseinrichtungen und führenden Köpfen aus der IT-Industrie zusammen.
Über das Fraunhofer IAF
Das Fraunhofer-Institut für Angewandte Festkörperphysik IAF ist eine der weltweit führenden Forschungseinrichtungen auf den Gebieten der III/V-Halbleiter und des synthetischen Diamanten. Auf Basis dieser Materialien entwickelt das Fraunhofer IAF Bauelemente für zukunftsweisende Technologien, wie elektronische Schaltungen für innovative Kommunikations- und Mobilitätslösungen, Lasersysteme für die spektroskopische Echtzeit-Sensorik, neuartige Hardware-Komponenten für Quantencomputer sowie Quantensensoren für industrielle Anwendungen. Mit seinen Forschungs- und Entwicklungsarbeiten deckt das Freiburger Forschungsinstitut die gesamte Wertschöpfungskette ab – angefangen bei der Materialforschung über Design und Prozessierung bis hin zur Realisierung von Modulen, Systemen und Demonstratoren.
Über die Universität Ulm
Als junge Forschungsuniversität widmet sich die Universität Ulm globalen Herausforderungen: 12 strategische und interdisziplinäre Forschungsbereiche orientieren sich an den übergeordneten Themen Alterung, Nachhaltigkeit, Technologie der Zukunft sowie Mensch und Gesundheit. Die Forschungsstärke der Universität Ulm belegen hohe Drittmitteleinnahmen und zahlreiche große Verbundprojekte wie Sonderforschungsbereiche und ein Exzellenzcluster.
1967 als medizinisch-naturwissenschaftliche Hochschule gegründet, verteilen sich heute mehr als 10 000 Studierende auf die Fakultäten »Medizin«, »Naturwissenschaften«, »Mathematik und Wirtschaftswissenschaften« sowie »Ingenieurwissenschaften, Informatik und Psychologie«. Über 60 Studiengänge, darunter eine steigende Anzahl englischsprachiger Angebote, bieten hervorragende berufliche Perspektiven. Dabei ist die Universität Ulm international wie regional bestens vernetzt.
Die Universität Ulm ist Motor und Mittelpunkt der Wissenschaftsstadt mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen, Kliniken der Maximalversorgung und Technologie-Unternehmen. Der Standort inmitten einer wirtschaftsstarken Region bietet exzellente Bedingungen für den Technologie- und Wissenstransfer.
Das Verbundprojekt »DE-Brill« wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert.
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