Bela B.: "Heute bleibe ich brav an jeder roten Ampel stehen"
Hamburg (ots)
"Als junger Punk habe ich antiautoritäre Erziehung als Grundstein für eine ideale Gesellschaft empfunden. Heute verhindert meine Autorität, dass ein Vierjähriger auf die Straße rennt und überfahren wird. Ich bleibe brav an jeder roten Ampel stehen, sobald ein Kind in der Nähe ist - und komme mir dabei bisweilen ein bisschen spießig vor", sagt Musiker Bela B. im Interview mit der Philosophie-Zeitschrift HOHE LUFT (Ausgabe 4/2014 jetzt im Handel, www.hoheluft-magazin.de).
Früher fand der Vater eines Sohnes es toll, "Anarchist zu sein". Trotzdem habe er nie einen Anarchie-Aufnäher auf der Jacke gehabt. "Mit diesem Abzeichen wurde die Nietenlederjacke erst recht zu einer Art Uniform", sagt der 51-Jährige, der mit bürgerlichen Namen Dirk Albert Felsenheimer heißt. "Ich glaube, dass diejenigen, die Anarchie fordern, häufig selbst in einer Klischee-Welt gefangen sind."
Anarchie bedeute für den Wahl-Hamburger totale Ungebundenheit ohne Gesetze und Hierarchien. Dies habe seinen Reiz, "doch wer sich nach nichts richten will, der dreht sich um sich selbst. Egoismus und Maßlosigkeit greifen um sich." Das Mitglied der Punkrock-Band "Die Ärzte" erkennt heute, dass er "kein gutes Beispiel für einen rücksichtsvollen Anarchisten" war - und eine "Bürde" für seine Kollegen: "Ich kann mich nicht mehr erinnern, wie viele Flüge, wie viele Tour-Busse ich verpasst habe, weil ich zu spät gekommen bin. Ich fühlte mich frei und ungebunden - war aber eigentlich nur rücksichtslos und ichbezogen."
Vielleicht auch deshalb könne er sich inzwischen nicht mehr vorstellen, so zu leben. "Heute weiß ich, dass ich eingehen würde in einer Anarchie. In Wahrheit bin ich nämlich ein sehr harmoniebedürftiger Mensch. Ich würde mich die ganze Zeit zurücknehmen - und wäre so sogar viel eingeengter, als ich es jetzt durch gesellschaftliche Regeln bin. Außerdem würde ich mich schrecklich langweilen. Gegen welche Regeln sollte ich rebellieren?", fragt der gebürtige West-Berliner.
Um sich zu entwickeln, gehöre es im Leben aber dazu, gegen Mauern zu rennen. "Die besten Dinge sind mir passiert, weil ich Autoritäten hinterfragt habe. Ich bin zum Beispiel den größten Teil meiner Kindheit ohne Vater aufgewachsen. Das einzige männliche Vorbild war mein Onkel, er war ein hohes Tier bei der Polizei. Also habe ich mich auch bei der Polizei beworben. Doch dort merkte ich schnell, dass das nichts für mich ist. Ich war ein Störenfried. Musste Wäsche einsammeln und Waffen reinigen. Also habe ich mich losgesagt. Das war eine meiner besten Entscheidungen", erzählt Bela B. im Gespräch mit HOHE LUFT.
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