Save the Children Deutschland e.V.
Afghanistan nach dem Arbeitsverbot: Viele Familien von Hilfe abgeschnitten
Berlin/Kabul (ots)
Fast zwei Monate, nachdem die Taliban Frauen die Arbeit für Nichtregierungsorganisationen verboten haben, kommt lebensnotwendige Hilfe bei vielen Familien nicht mehr an - und das während der schlimmsten Hungerkrise seit Beginn der Aufzeichnungen.
"Fast 20 Millionen Kinder und Erwachsene sind von extremem Hunger betroffen und kämpfen bei zweistelligen Minusgraden ums Überleben", sagt David Wright, Chief Operating Officer von Save the Children International. "Nicht alle schaffen es. Das Arbeitsverbot verschärft vor allem die Not der Frauen und Kinder. Wir haben von Anfang an darauf hingewiesen, dass Frauen für die humanitäre Hilfe unverzichtbar sind. Unsere schlimmsten Befürchtungen werden gerade wahr."
Laut einer Umfrage von UN Women gaben 93 Prozent der im Land tätigen Organisationen an, dass sich das Verbot negativ auf ihre Unterstützung für Frauen auswirkt. "Die Gemeindeältesten verlangen, dass wir einen Mann schicken, um Hilfe entgegenzunehmen", erzählt Seima*, eine 26-jährige Witwe mit vier Kindern, deren Ehemann an Covid-19 starb. Sie hat keinen Mahram oder männlichen Vormund, der sie außer Haus begleiten könnte - eine Vorschrift, die von den Taliban inzwischen weitgehend durchgesetzt wird. "Wenn Hilfsorganisationen nicht über unsere Situation Bescheid wissen, werden wir auch nicht in die Verteilungslisten aufgenommen. Wir brauchen Frauen, um Frauen zu helfen."
Save the Children und andere Organisationen hatten ihre Programme nach dem Verbot zunächst pausiert. Zwar wurden einige Projekte inzwischen wieder aufgenommen, sofern verlässliche Zusagen für eine vollständige und sichere Rückkehr von Mitarbeiterinnen gemacht wurden. Trotzdem liegen mehr als 50 Prozent der Aktivitäten der Kinderrechtsorganisation nach wie vor auf Eis, darunter wichtige Bargeldprogramme, Sanitär- und Hygienemaßnahmen sowie Kinderschutzdienste. Fast die Hälfte der Mitarbeitenden von Save the Children in Afghanistan sind Frauen.
Das Verbot hätte für das Land zu keinem schlechteren Zeitpunkt kommen können. 28 Millionen Menschen sind durch die Hunger- und Wirtschaftskrise dringend auf humanitäre Hilfe angewiesen. Frauen und Kinder sind unverhältnismäßig stark betroffen: 96 Prozent der von Frauen geführten Haushalte haben nicht genug zu essen.
"Die Taliban müssen das Verbot aufheben und NGOs erlauben, ihre Arbeit mit weiblichen und männlichen Mitarbeitenden in vollem Umfang wieder aufzunehmen", fordert David Wright. "Wir appellieren an alle in Afghanistan tätigen Organisationen, darauf zu bestehen, dass nur mit gemischten Teams gearbeitet wird. Und wir bitten die Geberländer eindringlich, von Kürzungen oder dem Einfrieren von Hilfsgeldern abzusehen. Dies ist nicht der richtige Zeitpunkt, um Afghanistan den Rücken zu kehren."
Hinweis für die Redaktion:
Save the Children arbeitet seit 1976 in Afghanistan. Zu den Aktivitäten, die trotz des Verbots mit weiblichen und männlichen Teams wieder aufgenommen werden konnten, gehören mobile Gesundheitsteams, die in den Gemeinden die medizinische Grundversorgung sicherstellen. Außerdem werden Behandlungen bei Mangelernährung und lebenswichtige Impfungen angeboten. Auch den Unterricht in einigen gemeindegestützten und von Lehrerinnen geführten Schulklassen hat Save the Children wieder aufgenommen.
* Name zum Schutz geändert
Fotos und Erlebnisberichte von betroffenen Familien zum Download:
http://www.contenthubsavethechildren.org/Package/2O4C2SDNB6WZ
http://www.contenthubsavethechildren.org/Package/2O4C2SDCL5O3
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Über Save the Children
Im Nachkriegsjahr 1919 gründete die britische Sozialreformerin und Kinderrechtlerin Eglantyne Jebb Save the Children, um Kinder in Deutschland und Österreich vor dem Hungertod zu retten. Heute ist die inzwischen größte unabhängige Kinderrechtsorganisation der Welt in rund 120 Ländern tätig. Save the Children setzt sich ein für Kinder in Kriegen, Konflikten und Katastrophen. Für eine Welt, die die Rechte der Kinder achtet, in der alle Kinder gesund und sicher leben sowie frei und selbstbestimmt aufwachsen und lernen können - seit über 100 Jahren.
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