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Gaza: Explosivwaffen verletzten im vergangenen Jahr 15 Kinder pro Tag

Berlin/Gaza (ots)

Im Gazastreifen hat der Einsatz von Explosivwaffen im vergangenen Jahr durchschnittlich 475 Kinder pro Monat, oder 15 Kinder am Tag, schwer verletzt, mit möglicherweise lebenslangen Behinderungen als Folge, so die Kinderrechtsorganisation Save the Children.

Die geschätzten Zahlen basieren auf einer Analyse des "Gaza Protection Cluster", einer Koordinierungsgruppe humanitärer Organisationen, der Save the Children angehört. Daraus geht hervor, dass in den ersten elf Monaten des Jahres 2024 mindestens 5.230 Kinder Verletzungen erlitten, die erhebliche medizinische Unterstützung erforderten, die sie im Krieg oftmals nicht erhalten. Die Zahlen sind vermutlich höher und umfassen nicht alle Kinder, die wegen Kriegsverletzungen leiden.

"Im Gazastreifen bekommen Kriegsverletzungen eine ganz neue Dimension", sagt Chirurg Dr. Ghassan Abu-Sittah, der 2023 im Al-Ahli-Krankenhaus im Einsatz war. "Ich habe viele Babys gesehen, die noch vor ihren ersten Schritten Amputationen erlitten, was ihre Entwicklung stark beeinträchtigen wird."

Wegen des Zusammenbruchs des Gesundheitssystems, der Zerstörung von medizinischen Einrichtungen und fehlender Medikamente haben sich die Folgen von Verletzungen, einschließlich des Verlusts von Gliedmaßen sowie des Seh- und Hörvermögens, verschlimmert. Auch die Behandlung und Rehabilitation von Patient*innen wurde dadurch nahezu unmöglich gemacht.

"Eines der Kinder, das wir unterstützt haben, ist Ahmad* - ein Fünfjähriger, der mit seiner Familie in einer zur Notunterkunft umfunktionierten Schule Zuflucht suchte. Als die Schule bei einem Angriff getroffen wurde, verlor Ahmad seinen Vater und einen Arm", sagt dieBeraterin einer Partnerorganisation von Save the Children, die Kindern im Gazastreifen psychologische Unterstützung bietet. "Während einer Beratungssitzung spielten wir mit Ton, und Ahmad bat mich, ihm einen neuen Arm aus Ton zu formen. Ich sagte ihm, dass er hoffentlich einen neuen Arm bekommen wird, wenn er aus dem Gazastreifen herauskommt. Also gab er mir das Stück Ton und sagte, ich solle ihm einen neuen 'Baba' [Vater] formen."

Das einzige Zentrum für die Rekonstruktion und Rehabilitation von Gliedmaßen im Gazastreifen ist seit Dezember 2023 aufgrund von Material- und Personalmangel nicht mehr funktionsfähig und wurde bei einem Angriff im Februar 2024 weiter beschädigt. Für Kinder, die ihre Beine verloren haben, ist die Lage besonders kritisch, da sie während ihres Wachstums eine langfristige fachärztliche Betreuung mit regelmäßigen Nachuntersuchungen benötigen, die im Gazastreifen derzeit nicht möglich sind.

"Die Knochen der Kinder sind noch nicht ausgewachsen und können durch Verletzungen aufhören zu wachsen, zudem heilen Wunden aufgrund der Mangelernährung nicht", sagt Dr. Ana Jeelani, eine Orthopädin von Medical Aid for Palestinians, einer Partnerorganisation von Save the Children. "Wir versuchen im Grunde, Wunden zu nähen, die nicht heilen."

Im September 2024 gab die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bekannt, dass mehr als 22.500 Menschen im Gazastreifen lebensverändernde Verletzungen erlitten haben, die "jetzt und in den kommenden Jahren" Rehabilitationsmaßnahmen erfordern. Abgesehen von Neuverletzten gab die WHO an, dass Zehntausende Palästinenser*innen, die bereits mit chronischen Erkrankungen oder Beeinträchtigungen leben, aufgrund des Zusammenbruchs der Grundversorgung nun einem erhöhten Gesundheitsrisiko ausgesetzt sind.

"Im Gazastreifen ist die Kindheit durch Schmerz und Traumata ersetzt worden, während die Möglichkeiten, Kinder wirksam zu behandeln und zu unterstützen, systematisch zerstört wurden. Ihr Überleben wird verhindert, ebenso wie unsere Fähigkeit, die dringend benötigte Versorgung zu gewährleisten", sagt Alexandra Saieh, Expertin für humanitäre Hilfe bei Save the Children International. "Um die Zukunft der Kinder zu sichern und weitere irreparable Schäden zu verhindern, sind sofortige Maßnahmen der internationalen Gemeinschaft erforderlich."

Save the Children fordert weiterhin einen endgültigen Waffenstillstand und ruft alle Staaten dazu auf, die Lieferung von Waffen, Munition und Rüstungsgütern zu unterlassen, die Gefahr laufen, bei der Begehung internationaler Verbrechen im Gazastreifen eingesetzt zu werden. Save the Children fordert außerdem die israelische Regierung auf, alle Beschränkungen aufzuheben, die die Bereitstellung von Hilfsgütern behindern.

Save the Children leistet seit 1953 wichtige Hilfe für palästinensische Kinder und ist seit 1973 dauerhaft in den besetzten Palästinensischen Gebieten präsent. Zusammen mit Partnern hat Save the Children seit Oktober 2023 mehr als eine Million Menschen im Gazastreifen mit lebenswichtigen Gütern, inklusive Trinkwasser, Lebensmitteln, Hygieneprodukten, Matratzen, Decken, Lernmaterialien und Spielzeug versorgt. Darüber hinaus hat die Kinderrechtsorganisation Bargeldhilfen, Schutz- und Spielräume sowie medizinische Hilfsgüter und Gesundheitsprogramme bereitgestellt. In den letzten Wochen und Monaten hat Save the Children Tausende von Familien mit Lebensmitteln und Winterpaketen versorgt, um ihnen dabei zu helfen, bei tiefen Temperaturen über die Runden zu kommen.

Hinweise für die Redaktion:

  • Die oben genannten Zahlen stammen aus einer von Save the Children ausgeführten Analyse eines Berichts des "Gaza Protection Cluster", dem die Kinderrechtsorganisation angehört: "Material Assistance Shortages: Impact on the Protection Situation in Gaza" (November 2024).
  • Save the Children hat die Anzahl der schwer betroffenen Kinder (5.230) über die Anzahl der Monate (11) und Tage (334) von Januar bis November 2024 ermittelt, um den genannten Durchschnitt pro Monat und Tag zu berechnen.
  • Dr. Ghassan Abu-Sittah ist ehrenamtlicher Dozent am Centre for Blast Injury Studies, das 2023 vom Imperial College London und Save the Children ins Leben gerufen wurde. Es ist das weltweit erste Forschungszentrum, das sich der Erforschung und Bereitstellung lebensrettender Innovationen für Kinder widmet, die durch Explosivwaffen verletzt wurden.
  • Ahmad* war Teil einer medizinischen Evakuierung, bevor israelische Streitkräfte im Mai 2024 den Grenzübergang Rafah schlossen. Ahmad befindet sich nun in Ägypten, wo er eine Armprothese erhalten hat. Die meisten Kinder, die dringend Prothesen und lebensrettende Behandlungen benötigen, können den Gazastreifen jedoch nicht verlassen.
  • Die Vereinten Nationen gaben kürzlich an, dass pro Tag weniger als ein Kind aus dem Gazastreifen evakuiert wird. Wenn dies anhält, wird es mehr als sieben Jahre dauern, bis die 2.500 Kinder, die dringend medizinische Versorgung benötigen, evakuiert sind.
  • Der Internationale Gerichtshof verkündete, dass ein plausibles Risiko für einen Völkermord besteht, und forderte Israel auf, Handlungen zu verhindern, die unter die Völkermordkonvention fallen könnten.

* Name zum Schutz geändert

Über Save the Children

Im Nachkriegsjahr 1919 gründete die britische Sozialreformerin und Kinderrechtlerin Eglantyne Jebb Save the Children, um Kinder in Deutschland und Österreich vor dem Hungertod zu retten. Heute ist die inzwischen größte unabhängige Kinderrechtsorganisation der Welt in rund 120 Ländern tätig. Save the Children setzt sich ein für Kinder in Kriegen, Konflikten und Katastrophen. Für eine Welt, die die Rechte der Kinder achtet, in der alle Kinder gesund und sicher leben sowie frei und selbstbestimmt aufwachsen und lernen können - seit über 100 Jahren.

Pressekontakt:

Save the Children Deutschland e.V.
Pressestelle - Marie-Sophie Schwarzer
Tel.: +49 (0)30 - 27 59 59 79 - 226
Mail: marie.schwarzer@savethechildren.de

Susanne Sawadogo
Tel.: +49 (0)30 - 27 59 59 79 - 120
Mail: susanne.sawadogo@savethechildren.de

Original-Content von: Save the Children Deutschland e.V., übermittelt durch news aktuell

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