OBS-Studie analysiert Programme und Senderprofile von BR und hr
Frankfurt (ots)
Hohe Anteile an fiktionaler Unterhaltung lassen weniger Sendezeit für informierende Angebote: Dies ist ein zentraler Befund einer neuen Studie der Otto Brenner Stiftung, in der Programmstrukturen und konkrete Inhalte der Fernsehprogramme des Bayerischen Rundfunks (BR) und des Hessischen Rundfunks (hr) untersucht werden.
Betrachtet man Reichweite und Marktanteile gehören die Regionalprogramme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu den beliebtesten bzw. reichweitenstärksten Fernsehsendern Deutschlands. Bisherige OBS-Untersuchungen der Programmprofile von WDR/MDR und SWR/NDR ließen jedoch Zweifel daran aufkommen, ob die Sender den gesetzlich festgeschriebenen Beitrag zur Meinungsbildung tatsächlich leisten und ihrem besonderen gesellschaftlichen Auftrag angemessen nachkommen. Die Studienergebnisse der jeweiligen Autorenteams um Professor Joachim Trebbe und deren medienkritische Zuspitzung durch die Stiftung stießen dabei auf ein großes Medienecho und wurden zum Teil sehr kontrovers diskutiert.
Die nun neu erhobenen Daten und vergleichenden Analysen machen in Bezug auf informierende Inhalte besonders einen Aspekt deutlich: "Der BR und auch der hr erzielen die mit Abstand niedrigsten Quoten für informierende Programminhalte und setzen vermehrt auf fiktionale Unterhaltung." Der BR widmet an einem durchschnittlichen Programmtag nur 45 Prozent der Sendezeit den als potentiell informierend eingestuften Formaten wie Nachrichten und Magazinen und fällt damit als einziger der bisher untersuchten Sender unter die 50-Prozent-Marke. Dennoch wird die knappe Zeit im Vergleich effektiv genutzt: Die Berichterstattung über Politik, Wirtschaft und gesellschaftlich kontroverse Themen liegt auf ähnlichem Niveau wie bei den Vergleichssendern, Unterhaltungspublizistik wie Promiklatsch ist im BR weniger häufig zu finden.
Der hr profiliert sich als stark regional geprägter Sender: 94 Prozent der Beiträge der in einer Längsschnittanalyse untersuchten regionalen Nachrichtenformate nehmen Bezug auf das Bundesland Hessen. Der BR weist im Vergleich dazu mit einem Anteil von 79 Prozent einen deutlich schwächeren Bezug zum Sendegebiet auf. Auch bei der Bedeutung von Human-Touch-Themen lassen sich zwischen hr und BR relevante Unterschiede feststellen. In der Längsschnittanalyse bringt es der BR insgesamt "nur" auf 3,6 Prozent, der hr hingegen auf 18,1 Prozent. In der Querschnittsanalyse kommt das Autorenteam für den BR auf insgesamt 9,1 Prozent Human-Touch-Themen, während der hr mit 15,6 Prozent einen Wert erreicht, der mit den Angaben für die anderen untersuchten Sender vergleichbar ist.
Darüber hinaus zeigt die Studie: BR und hr fokussieren eher auf fiktionale Formate (Filme und Serien) als auf Shows und Spiele. Außerdem unterscheiden sich die Dritten Programme in ihrer Strategie, die wenig attraktiven Nachtstunden mit Inhalten zu füllen: Während alle anderen untersuchten Dritten Programme hier häufig auf Wiederholungen der informierenden regionalen Formate setzen (und damit ihre statistischen Informationsanteile künstlich erhöhen), sendet der Bayerische Rundfunk mit Space Night ein nächtliches Überbrückungsprogramm.
"Das Fernsehen spielt nach wie vor eine besondere Rolle in unserer Gesellschaft", sagt Jupp Legrand, Geschäftsführer der Otto Brenner Stiftung. Angesichts der aktuellen Debatte über "Lügenpresse", "Mainstream-Medien" und "Fake News" gewinnen Fragen der Glaubwürdigkeit von Medien und des Vertrauens beim Publikum noch an Relevanz. "Die Heftigkeit der Auseinandersetzung steht dabei allerdings im krassen Gegensatz zu verlässlichen Erkenntnissen auch internationaler Forschung", gibt Legrand zu bedenken. Gerade deshalb seien "empirische Daten wichtig, um auch eine Diskussion über Inhalte und Qualität der Regionalprogramme anzustoßen." Die OBS will mit dieser Publikation zu der Debatte um Medienqualität und die Erfüllung des Programmauftrags durch die Dritten beitragen.
Mit der aktuellen Untersuchung knüpft die Forschergruppe um Eva Spittka, Matthias Wagner, Anne Beier und Joachim Trebbe an zwei Vorgängerstudien zu den Programmleistungen der Dritten der ARD an: Zum einen an die vergleichende Analyse von WDR und MDR (2015), zum anderen an die Studie über SWR und NDR (2013). Bevor die Otto Brenner Stiftung zusammen mit dem verantwortlichen Studienleiter Prof. Dr. Joachim Trebbe diese Untersuchungsreihe auf den Weg gebracht hat, waren die Dritten Programme der ARD weitgehend weiße Flecken in der publizierten Medienwissenschaft. Die geringe und wenig konkrete kommunikationswissenschaftliche Forschung zu den ARD-Regionalprogrammen steht in starkem Kontrast zur Bedeutung dieser Programmangebote - nicht zuletzt für die Zuschauer, für die die Dritten zu den beliebtesten Sendern gehören.
Stiftung und Studienteam werden demnächst mit einer Untersuchung des rbb die Forschungslücke im Programmsegment "Dritte ARD-Programme" vollständig schließen.
"Unterhaltung aus Bayern, Klatsch aus Hessen? - Eine Programmanalyse von BR und hr", OBS-Arbeitspapier Nr. 25, 2017. Informationen unter http://ow.ly/o9X03089du7
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Jupp Legrand
OBS-Geschäftsführer
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Anne Beier/Joachim Trebbe/Matthias Wagner/Eva Spittka
Telefon: 030 - 8385 7875
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