Milliardenschäden durch Wirtschaftskriminalität: "Deutsche Unternehmen müssen Sicherheit neu denken"
Experten diskutierten bei STATE OF SECURITY über Sicherheitslage
Berlin/Essen (ots)
120 Teilnehmer diskutierten bei der dritten "Sicherheitskonferenz am Brandenburger Tor - STATE OF SECURITY", einer Veranstaltung von KÖTTER Security und German Business Protection in Kooperation mit der Allianz SE, über aktuelle und künftige Sicherheitsrisiken. Im Fokus stand u. a. das Thema Wirtschaftskriminalität mit jährlichen Milliardenschäden allein für deutsche Unternehmen.
"Deutschland gehört zu den sichersten Ländern der Welt. Trotz der Anschläge und Bedrohungslagen in diesem Jahr gilt dies noch unverändert", stellte Friedrich P. Kötter, u. a. Verwaltungsrat der KÖTTER SE & Co. KG Security, Berlin, gestern im Rahmen seiner Begrüßung heraus. "Damit das so bleibt, müssen wir uns auf die geänderte Lage einstellen. Das heißt: Wir müssen weiter in die Sicherheit investieren, innovativ bleiben und Sicherheit neu denken."
Dies gelte neben der Abwehr von Terrorismus und Extremismus insbesondere für den Schutz vor Wirtschaftskriminalität. In Zeiten fortschreitender Digitalisierung sei z. B. eine Trennung zwischen Wirtschaftsschutz und Cybersicherheit nicht mehr zeitgemäß. "Mit der rasanten Zunahme der Vernetzung ändern sich die Risiken. So können zunächst harmlos wirkende Störungen in einer Kettenreaktion zu gravierenden Schäden führen", sagte der Sicherheitsexperte. Vor diesem Hintergrund seien flexible Sicherheitsansätze vielversprechender als statische Mechanismen; ein Paradigmenwechsel, der sich aktuell in den USA und Großbritannien durchsetze.
Mit Blick auf den engen Kontext von Wirtschaftskriminalität und Cybercrime müsse zudem der "Faktor Mensch" stärker in den Mittelpunkt rücken. "Er ist und bleibt eine große Schwachstelle", betonte der Vize-Präsident des Bundesverbandes der Sicherheitswirtschaft (BDSW). Viele Firmen investierten zwar massiv in die IT-Sicherheit, sie vernachlässigten jedoch, wie leicht das Abgreifen von Passwörtern u. ä. teuerste technische Vorkehrungen außer Kraft setzen könne.
EINSCHÄTZUNGEN VON VERFASSUNGSSCHUTZ UND BDI
An diese Ausführungen knüpften Dr. Hans-Georg Maaßen, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), und Dr. Stefan Mair, Mitglied der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), an. Sie repräsentierten als Referenten gleichzeitig die "Initiative Wirtschaftsschutz", die im Frühjahr von Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière, BDI-Präsident Ulrich Grillo und den Präsidenten der führenden Sicherheitsbehörden ins Leben gerufen worden war.
BfV-Präsident Dr. Hans-Georg Maaßen unterstrich im Rahmen seines Vortrags "Der Preis der Sicherheit", dass "die Sicherheit, die man im eigenen Staat oder im eigenen Unternehmen investiert, beziffert werden kann. Gleichzeitig muss jedoch ein nicht quantifizierbarer Preis gezahlt werden. Dieser definiert sich über einen Verzicht auf Freiheitsgüter im Sinne unserer demokratischen Grundordnung. Dabei ist es jedoch unabdingbar, Freiheit und Sicherheit nicht als konkurrierende Größen zu verstehen, sondern diese in ein konstruktives Spannungsverhältnis zu setzen. Wie der deutsche Staatsmann Wilhelm von Humboldt bereits feststellte: Ohne Sicherheit ist keine Freiheit. Gleichermaßen werden wir Zeitzeugen einer Transformationsphase, in der sich alte Gewissheiten verflüchtigen und sich die Zukunft hinter einem Schleier der Unwissenheit versteckt. In dieser Phase, in der unsere Sicherheit durch mehrdimensionale Risiken weiter strapaziert wird, muss Deutschland seine Bereitschaft erhöhen, um die Waage zwischen Freiheit und Sicherheit auszutarieren. Dabei kommt den Nachrichtendiensten eine Frühwarnfunktion zu und der Verfassungsschutz versteht sich als Brandmelder der deutschen Gesellschaft."
Die Wichtigkeit einer engen Zusammenarbeit zwischen nachrichtendienstlichen Strukturen und der deutschen Wirtschaft betonte auch Dr. Stefan Mair bei seinen Ausführungen zu "Sicherheit und Industrie 4.0". "Geopolitische Entwicklungen sind zu einem zentralen Thema für deutsche Unternehmen geworden. In einer globalisierten Welt bedeutet größere Vernetzung aber zugleich größere Verletzbarkeit. Es stellt sich demnach die Frage, was die deutsche Sicherheitspolitik für deutsche Unternehmen bewirken kann. Viele dieser Unternehmen sind sich jedoch der realen Risiken immer noch nicht bewusst. Besonders bei kleinen und mittelständigen Firmen besteht Handlungsbedarf und oftmals sind diese auf den Rat von Sicherheitsexperten und deren Know-how angewiesen. Gleichzeitig verfügt Deutschland über sehr gute Datenschutzgesetze und die IT-Sicherheit ist vielerorts auf einem hohen Niveau. Damit scheint Deutschland für die Industrie 4.0 gut gerüstet zu sein. Dennoch bleiben Herausforderungen unweigerlich bestehen und die Sicherheitsbehörden können nicht die Gesamtverantwortung für die Sicherheit von Unternehmen gewährleisten."
ALLIANZ CHEFVOLKSWIRT UND WEITERE HOCHKARÄTIGE REFERENTEN
Den Schwerpunkt auf betriebswirtschaftliche und volkswirtschaftliche Dimensionen der Sicherheit legte Prof. Dr. Michael Heise, Chefvolkswirt der Allianz Gruppe, in seinem Vortrag "Der ökonomische Wert der Sicherheit". "Das Grundbedürfnis an Sicherheit der Menschen ist in verschiedener Hinsicht nicht erfüllt. In einer Zeit vielschichtiger, globaler Herausforderungen werden die Begrenzung wirtschaftlicher Risiken und das gleichzeitige Treffen von Vorkehrungen und Präventionsmaßnahmen zunehmend schwieriger. Unternehmen tragen dabei selbst eine große Verantwortung, für Sicherheit zu sorgen und aus den bestehenden Risiken die richtigen Rückschlüsse zu ziehen und mögliche wirtschaftliche Schäden abzuwenden. Sicherheit kostet Geld und ob Unternehmen oder Privathaushalte darin investieren, hängt unter anderem vom Kenntnisstand der möglichen Bedrohungen, von Präzedenzfällen und ebenso von der subjektiven Einschätzung des Einzelnen ab."
Diese "äußerst bedenkliche Entwicklung" griff auch Maxim Worcester, Beirat von German Business Protection, in seinen Ausführungen zur "State of Security im Herbst 2016" auf. Der Syrien-Krieg, bei der insbesondere die gegenseitige Blockade der Weltmächte USA und Russland im UN-Sicherheitsrat eine Lösung aktuell offensichtlich unmöglich mache, zeige genau wie z. B. das zunehmende Auseinanderdriften der Europäischen Union, dass "die internationale Gemeinschaft dringend ihre Handlungsfähigkeit zurückgewinnen muss".
Die Reihe hochkarätiger Redner bei der diesjährigen STATE OF SECURITY vervollständigten Dr. Elisabeth Hauschild, Leiterin des Hauptstadtbüros der Diehl Stiftung & Co. KG ("Die Grenzen der Sicherheit") sowie Brigadier Rob Rider, Militärattaché an der Britischen Botschaft in Berlin, ("Sicherheitspolitische Konsequenzen des Brexits").
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