"Flugzeuge verschwinden öfter, als man denken würde"
Interview mit dem Flugsicherheitsexperten Andreas Spaeth zum Start der Serie "Departure" auf Universal TV
Unterföhring (ots)
Am kommenden Montag, den 30. September 2019 startet um 21 Uhr "Departure - Wo ist Flug 716?" auf dem Pay-TV-Sender Universal TV. Die Dramaserie mit Archie Panjabi und Christopher Plummer in den Hauptrollen handelt vom mysteriösen Verschwinden eines britischen Passagierflugzeugs über dem Atlantischen Ozean und einem nervenaufreibenden Wettrennen gegen die Zeit. Auch wenn es sich bei "Departure - Wo ist Flug 716?" um eine fiktive Geschichte handelt, so gibt es auch in der Realität tragische Flugzeugunglücke, auf Grund derer man sich fragt: Warum können Flugzeuge eigentlich spurlos verschwinden und wie findet man sie wieder? Antworten auf diese Fragen bietet das nachfolgende Gespräch mit dem Flugsicherheitsexperten und Luftfahrtjournalisten Andreas Spaeth.
In der Dramaserie "Departure" geht um das mysteriöse Verschwinden eines Passagierflugzeugs über dem Atlantischen Ozean. Wie kann es sein, dass ein Flugzeug so einfach vom Radar verschwindet?
Andreas Spaeth: Das kann eigentlich nur passieren durch Ausfall oder mutwilliges Abschalten des Transponders, der automatisch von Bord aus während des gesamten Flugs entscheidende Daten wie Flughöhe, Position und Geschwindigkeit zum Boden aussendet. Allerdings gibt es erstaunlich viele Gegenden auf dem Globus ohne Radarabdeckung, in denen Flugzeuge und ihre Position nicht präzise erfasst werden können. Rund 100.000 Flüge sind jeden Tag weltweit unterwegs und werden mit einer Kombination aus Funk, Radar und Satelliten überwacht. Ohne jegliche Funk-, Radar- und Satellitenabdeckung sind allerdings bisher viele Gebiete etwa über Afrika, Nordrussland, dem Südatlantik, Pazifik und den Polargebieten. In diesen Bereichen lässt sich bis heute vom Boden nur sehr annäherungsweise die Route eines Flugzeugs nachvollziehen. Ziel der Branche ist es, bald die Position jedes Flugzeugs in Echtzeit präzise verfolgen zu können, und zwar per Satellit. Rund 11.000 Flugzeuge weltweit, 90% der Langstreckenflotte, sind bereits mit Satellitensystemen ausgerüstet, die bisher primär zur Übertragung von Wartungsdaten dienen. Dieses System ließe sich mit GPS verknüpfen, dessen Daten bisher in der Luftfahrt nur begrenzt genutzt werden konnten. Zwar zeigt GPS den Piloten selbst ihre Position auf einer Karte im Cockpit, die GPS-Daten werden aber nicht gesendet oder mit den Daten der Flugsicherung verknüpft. Mit einem "Uplink" per Satellit ließe sich dies einführen und damit unabhängig vom Transponder oder Radar jederzeit jedes Flugzeug lokalisieren.
Wie findet man ein verschwundenes Flugzeug wieder?
Spaeth: Im schlimmsten Fall gar nicht. Wenn Flugzeuge für länger oder gar für immer verschwinden, dann über dem Ozean. An Land lässt sich beinahe jeder Fleck per Satellit überwachen, auf dem Meeresboden ist das natürlich nicht möglich. Um dort zu suchen braucht man automatische oder halbautomatische Tauchroboter mit Sonargeräten, die den Meeresboden absuchen. Deren Reichweite ist aber eng begrenzt, von daher macht der Einsatz nur Sinn, wenn man grob eine Idee hat, wo man suchen muss. Im Fall des 2009 über dem Südatlantik verschwundenen Fluges Air France 447 hat man so tatsächlich nach zwei Jahren das Wrack entdeckt und konnte dank Auswertung der dabei gefundenen Aufzeichnungsgeräte das Rätsel um die Ursache lösen.
Gibt es eine Standard-Vorgehensweise, wenn ein Flugzeug verschwindet?
Spaeth: Suchen, suchen und nochmal suchen, manchmal jahrelang, mit allen verfügbaren technischen Mitteln. Auswertung aller vorhandenen Daten, bei Verschwinden über dem Wasser die Suche per Satellit, mit Suchflugzeugen und Schiffen. Dabei greift man sowohl auf staatliche Institutionen wie das Militär zurück, als auch auf Daten privater Unternehmen wie etwa von Satellitenbetreibern. Es kommt aber vor, dass das alles nichts nützt. Dann hilft manchmal der Zufall, angespülte Wrackteile zum Beispiel, die Rückschlüsse auf die Geschehnisse zulassen und durch die sich möglicherweise der vermutliche Absturzort eingrenzen lässt.
Gab es Fälle verschwundener Flugzeuge schon häufiger?
Spaeth: Öfter als man denken würde. Nach einer Statistik des Flugsicherheitsportals Aviation Safety Network kam das zwischen 1948 und 2014 insgesamt 89 mal. Ein Fall mit vielen Opfern ist kaum bekannt: 1962 verschwand über dem Pazifik ein viermotoriges Passagierflugzeug des Typs Super Constellation mit 107 Menschen an Bord. Bis heute hat man nie eine Spur von ihnen gefunden und keinerlei Hinweis auf die Absturzursache.
Was war für Sie der außergewöhnlichste Fall?
Spaeth: Zweifelsohne das Verschwinden von Flug MH370 vor fünf Jahren, einer hochmodernen Boeing 777 der Malaysia Airlines, die 2014 mit 239 Menschen an Bord nach einem bisher unerklärlichen Irrflug irgendwo über dem südlichen Indischen Ozean abstürzte. Aber niemand gibt die Hoffnung auf, dass dieses größte Rätsel der modernen Luftfahrt durch den Fund des Wracks irgendwann noch gelöst wird. Es muss gelöst werden.
Andreas Spaeth ist einer der profiliertesten Luftfahrtjournalisten in Deutschland und international. Er ist weltweit erstklassig vernetzt bei Fluggesellschaften, Flughäfen und Flugzeugherstellern sowie verwandten Organisationen. Seit über 20 Jahren ist sein Expertenwissen gefragt zu Themen der zivilen Passagierluftfahrt in deutschen, englischen und amerikanischen Medien.
Sendehinweis: Die hochspannende Verschwörungsthriller-Serie "Departure - Wo ist Flug 716?" mit Emmy®-Preisträgerin Archie Panjabi ("The Good Wife") und Oscar®-Gewinner Christopher Plummer ("All The Money In The World") ist als deutsche TV-Premiere ab 30. September 2019 immer montags ab 21 Uhr in Doppelfolgen auf Universal TV zu sehen.
Das Interview kann gerne in Auszügen oder ganz in Verbindung mit einem Sendehinweis zur redaktionellen Berichterstattung verwendet werden.
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