Virale Vektoren im Industriemaßstab produzieren
Virale Vektoren im Industriemaßstab produzieren
Doktorandin der TH Köln optimiert Herstellung von Genfähren
Mit der steigenden Lebenserwartung in Industriestaaten gewinnen innovative Strategien gegen Infektionskrankheiten und genetisch bedingten Krebs immer mehr an Bedeutung. Besonders vielversprechend ist die somatische Gentherapie, für die so genannte virale Vektoren (Genfähren) benötigt werden. Um deren Herstellung im industriellen Maßstab zu verbessern, hat sich Yasemin van Heuvel im Rahmen ihrer kooperativen Promotion an der TH Köln im Labor von Prof. Dr. Jörn Stitz und an der Leibniz Universität Hannover damit beschäftigt, bisherige Methoden zu optimieren und die Herstellung somit effizienter zu machen.
Virale Vektoren sind modifizierte, vermehrungsunfähige Viren. Sie unterscheiden sich von Viruspartikeln insbesondere durch das Fehlen des Viruserbguts. Dieses wird gezielt durch genetische Information – zum Beispiel therapeutische Gene, die einen Gendefekt beheben – ersetzt und in betroffene Zellen des Patienten überführt. Für die Herstellung viraler Vektoren werden so genannte Vektorpartikel-Produktionszellen benötigt. In ihrer Arbeit beschäftigt sich Yasemin van Heuvel mit der Optimierung der biotechnologischen Erzeugung solcher Produktionszelllinien.
Das virale Vektorsystem, das Yasemin van Heuvel in ihrer Arbeit verwendet hat, ist abgeleitet vom Retrovirus Maus-Leukämie-Virus (MLV) und wurde zusätzlich durch das sogenannte Sleeping-Beauty-Transposon-System ergänzt. Bislang wurden MLV-Vektoren bei diesem Verfahren mit Hilfe von so genannten adhärenten Zelllinien erzeugt. Dabei benötigen die Zellen für ihr Wachstum einen stabilen Untergrund auf dem sie anhaften. „Da die Zellen bei diesem Herstellungsverfahren nur auf einer begrenzten Fläche wachsen können, ist eine Produktion in größerem Maßstab zeit-, arbeits- und kostenintensiv“, so van Heuvel.
Suspensionszelllinien machen Produktion effizienter
Um die Produktion effektiver zu gestalten, hat die Doktorandin die adhärenten Zellen durch so genannte Suspensionszellen ersetzt und innerhalb von drei Wochen genetisch stabil verändert. „Die einzelnen Zellen wachsen dabei nicht wie adhärente Zelllinien auf einem festen Untergrund, sondern bewegen sich gleichsam frei schwimmend in einer Nährlösung – der Suspension, welche kontinuierlich geschüttelt wird. Dadurch vergrößert sich das Produktionsvolumen enorm: adhärente Zelllinien erzeugen virale Vektoren in Millilitermaßstäben, mittels Suspensionszelllinien kann in Litermaßstäben und somit in Bioreaktoren produziert werden.“ In einer Kooperation mit einer Arbeitsgruppe des Max-Planck-Instituts für Bioprozesstechnik wird die Produktion in solchen Bioreaktoren zurzeit optimiert.
Da das Wachstum von Zelllinien in Suspension im Laufe der Zeit abnimmt, bedarf es optimaler Bedingungen und Handhabung im Herstellungsprozess – so müssen die Zellen bei immer gleicher Zelldichte zur Vektorernte ausgesät werden und es muss sichergestellt werden, dass kontinuierlich große Mengen an viralen Vektoren produziert werden. Die Doktorandin hat die Suspensionszelllinien über einen Zeitraum von vier Monaten kultiviert und berichtet: „Wir konnten feststellen, dass die Produktionszellen kontinuierlich und genetisch stabil virale Vektoren erzeugt haben. Das vergrößert nicht nur das Produktionsvolumen, sondern ermöglicht auch eine langfristige und kostengünstige Herstellung“, so van Heuvel.
In ihrer Promotionsarbeit hat van Heuvel in Kooperation mit dem Paul-Ehrlich-Institut in Langen die von ihr erzeugten viralen Vektoren an Blutstammzellen der Maus, den sogenannten hämatopoetischen Stammzellen, getestet und konnte diese effizient genetisch verändern. „Frau van Heuvel verdeutlicht in ihrer Arbeit das immense Potential von Suspensionszelllinien zur Produktion viraler Vektoren für die Entwicklung neuer Gentherapien“, sagt Prof. Dr. Jörn Stitz von der Fakultät für Angewandte Naturwissenschaften der TH Köln.
Die kooperative Promotion von Yasemin van Heuvel wird an der Fakultät für Angewandte Naturwissenschaften der TH Köln von Prof. Dr. Jörn Stitz sowie Prof. Dr. Thomas Scheper vom Institut für Technische Chemie der Leibniz Universität Hannover betreut.
Wissenschaftliche Veröffentlichung:
Yasemin van Heuvel, Karen Berg, Tanja Hirch, Kristina Winn, Ute Modlich, Jörn Stitz: Establishment of a novel stable human suspension packaging cell line producing ecotropic retroviral MLV(PVC-211) vectors efficiently transducing murine hematopoietic stem and progenitor cells. Journal of Virological Methods, Volume 297.
https://doi.org/10.1016/j.jviromet.2021.114243
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