Ich kriege nie genug! Aber warum eigentlich? TH Köln veröffentlicht Studie zum Bingewatching
Ich kriege nie genug! Aber warum eigentlich?
TH Köln veröffentlicht Studie zum Bingewatching
Mehrere Folgen einer Serie schnell am Stück zu schauen ist in Zeiten von Streamingplattformen zu einem kulturellen Trend geworden. Welche inhaltsbezogenen Einflussfaktoren und Persönlichkeitsmerkmale ein Bingewatching-Verhalten begünstigen, hat die TH Köln in einer Studie mit knapp 2.000 Teilnehmenden für den deutschsprachigen Raum untersucht. Ausschlaggebend sind demnach unter anderem eine düstere Tonalität der Serie und ein Hang zu hedonistischem Verhalten.
„In der Forschung zur Genrenutzung oder zum Bingewatching wurden bisher vor allem qualitative Methoden eingesetzt und recht allgemeine Genrebeschreibungen verwendet. Unser Ziel war eine umfassende quantitative Befragung, die mit detaillierten Beschreibungen von verschiedenen Serientypen eine genauere Analyse begünstigender Faktoren erlaubt“, erläutert Studienleiter Prof. Dr. Christian Zabel vom Schmalenbach Institut für Wirtschaftswissenschaften der TH Köln.
Daher entwickelten die Forschenden in Workshops mit Expert*innen aus der TV-Branche und von Filmfestivals erzählerische Grundachsen, mit denen man Serien beschreiben kann. Dazu zählen etwa Strukturen und Muster wie eine übergreifende oder abgeschlossene Handlung, ein düsteres oder freundliches Setting oder eine fantastische oder reale Erzählung. Darüber hinaus wurde nach den Anreizen gefragt, die Bingewatching attraktiv machen.
Düsteres Setting begünstigt Bingewatching
„Dass Serien das bevorzugte Medienformat zum Bingewatchen sind, ist keine Überraschung und spiegelt sich auch in unserer Studie wider. Doch wir konnten zeigen, welche Seriengenres sich dafür eignen. Comedy, Crime und Fantasy werden eher ‚gebinged‘, Familienserien, Horror und animierte Formate eher weniger. Dies gilt auch für das Sport-Genre insgesamt“, so Zabel.
Damit mehrere Folgen einer Serie vom Publikum am Stück geschaut werden, sollten sie laut Zabel bestimmte inhaltliche Merkmale und Erzählstrukturen aufweisen: „Eine düstere Tonalität und episodenübergreifende Handlungsstränge korrelieren sehr positiv mit Bingewatching; eine alltägliche Umgebung der Handlung deutlich negativ. Keine klaren Ergebnisse konnten wir hinsichtlich der Episodenlänge, der Erzählgeschwindigkeit und der Komplexität der Erzählstruktur feststellen.“
Hedonismus und Eskapismus
Welche Anreize für die Zuschauer*innen bei der Entscheidung für oder gegen Bingewatching eine Rolle spielen, wurde anhand des etablierten Nutzen- und Belohnungsansatzes untersucht. Dieser beschreibt in der Mediennutzungsforschung Personen, die Massenmedien gezielt zur Befriedigung bestimmter Bedürfnisse einsetzen.
„Wir haben herausgefunden, dass vor allem jüngere Menschen bingewatchen, die einem hedonistischen oder eskapistischen Lebensstil zugeneigt sind – also vor allem Spaß und Genuss suchen oder der Welt entfliehen wollen. Dementsprechend ist der Wunsch nach Spannung, Spaß, Unterhaltung oder Zeitvertreib eng mit diesem Verhalten verbunden. Negativ korreliert ist der Anspruch, etwas über das Weltgeschehen lernen zu wollen“, so Zabel.
Studie mit guter Erklärkraft
„Wir wollten mit unserer Untersuchung beleuchten, warum manche Menschen mehr und andere weniger bingewatchen. Statistisch gesprochen, können wir das Phänomen Bingewatching mit den untersuchten Aspekten zu 43 Prozent erklären. Für eine sozialwissenschaftliche Studie insbesondere in den Medienwissenschaften ist das ein guter Wert“, sagt Zabel. Ein Blick auf Faktoren, die in der vorliegenden Studie nicht betrachtet wurden, könnten das Bild weiter schärfen: etwa besondere Lebensumstände wie Kinder im Haushalt, die tägliche verfügbare Freizeit oder die psychische Gesundheit.
Über die Studie
Die Ergebnisse basieren auf einer Online-Befragung, die im Februar und März 2023 stattgefunden hat. Es wurden zwei getrennte Feldphasen mit einem Abstand von vier Wochen durchgeführt, um Verzerrungen zu vermeiden. 2.528 Teilnehmende beteiligten sich an beiden Phasen. Qualitativ mangelhafte Antworten (etwa aufgrund einer zu schnellen Bearbeitungszeit) wurden entfernt, so dass 1.959 Teilnehmende übrigblieben. Die Umfrage wurde ursprünglich im Auftrag der HMR International GmbH & Co.KG / Bavaria Fiction mit der Fragestellung zur Nutzung von Daily Soaps erhoben. Die Rohdaten wertete ein Team um Prof. Zabel dann unter dem Aspekt Bingewatching erneut aus.
Die Ergebnisse wurden publiziert in: Zabel, C./ Schaffeld, L./O’Brien, Daniel (2025): Netflix and chill? The content-related and gratificational antecedents of binge-watching tendency. In: Studies in Communication and Media, 14. Jg., 1/2025, S. 105–139, DOI: 10.5771/2192-4007-2025-1-105
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