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Bundestagswahl: Gender-Gap bei Gesprächen über Politik

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PRESSEMITTEILUNG DER UNIVERSITÄT HOHENHEIM

Bundestagswahl 2021:

Gender-Gap bei Gesprächen über Politik

Uni Hohenheim begleitet den Wahlkampf / Teil 4: Wahlplakate bleiben wichtigstes Wahlkampfinstrument / Männer dominieren Gespräche über Politik

57 Prozent der Bevölkerung interessieren sich im Wahlkampf stark oder sehr stark für Politik. Aber: Es gibt ein Gender-Gap bei der Häufigkeit und der Art der Gespräche über Politik. Frauen diskutieren seltener über Politik und werden in Gesprächen seltener nach ihrer Meinung gefragt als Männer. Das sind die jüngsten Ergebnisse einer forsa-Umfrage des Kommunikationswissenschaftlers Prof. Dr. Frank Brettschneider von der Universität Hohenheim in Stuttgart. Außerdem stellt er fest, dass die 18- bis 29-Jährigen den Wahlkampf am intensivsten verfolgen. Das Wahlkampfinstrument mit der größten Reichweite sind Wahlplakate. Direkte Wahlkampfkontakte nehmen wieder zu.

Gemeinsam mit dem renommierten Sozialforschungsinstitut forsa führt Prof. Dr. Frank Brettschneider von der Universität Hohenheim eine repräsentative Panel-Befragung zur Bundestagswahl 2021 durch. Die erste Befragung fand Ende Juli/Anfang August statt. Die zweite Befragung erfolgte vom 2. bis zum 10. September 2021. An ihr haben 14.999 Wahlberechtigte bundesweit teilgenommen. Die dritte Befragung folgt unmittelbar vor der Wahl.

„Dadurch sind wir in der Lage, Veränderungen in den Wahrnehmungen, Einstellungen und Verhaltensabsichten der Wählerinnen und Wähler auf der Individualebene zu erfassen. Denn die gleichen Menschen werden bis zur Wahl dreimal befragt. Das ist die große Stärke von Panel-Befragungen“, sagt der Kommunikationswissenschaftler. Dieses Mal bilden Wahlkampfinstrumente – insbesondere Wahlplakate – und Gespräche über Politik einen Schwerpunkt.

Interesse an Politik und Gespräche über Politik

57 Prozent der Befragten geben an, sich stark oder sehr stark für Politik zu interessieren. Bei Männern ist der Anteil der Interessierten größer als bei Frauen. Und tendenziell interessieren sich die jüngste und die älteste Altersgruppe etwas stärker für Politik als die mittleren Altersgruppen.

Ein Gender-Gap gibt es bei der Häufigkeit und der Art der Gespräche über Politik. Während 41 Prozent der Männer häufig oder sehr häufig mit Freunden und Bekannten über Politik diskutieren, sind dies bei den Frauen nur 34 Prozent. „Frauen stoßen seltener eine Diskussion über Politik an. Sie haben seltener den Eindruck, in Gesprächen neue Informationen einbringen zu können. Frauen werden von Freunden und Bekannten seltener nach ihrer Meinung gefragt. Sie geben in politischen Diskussionen seltener den Ton an. Und sie versuchen seltener, Freunde und Bekannte von einer politischen Meinung zu überzeugen“, sagt Prof. Dr. Brettschneider.

„Wenn es um Gespräche mit Freunden und Bekannten über Politik geht, sind die 18- bis 29-Jährigen die aktivste Altersgruppe“, stellt der Experte fest. Knapp die Hälfte von ihnen gibt an, häufig oder sehr häufig mit Freunden und Bekannten über Politik zu diskutieren. Bei den 45- bis 59-Jährigen sind es nur 33 Prozent. Auch werden die 18- bis 29-Jährigen von Freunden und Bekannten häufiger nach ihrer Meinung gefragt (30 %) – in den anderen Altersgruppen sind es nur 18 bis 19 Prozent. „Politik ist gerade bei den jungen Menschen derzeit ein häufiges Gesprächsthema. Sie interessieren sich überdurchschnittlich stark für den Wahlkampf und orientieren sich in vielen Kanälen über die Positionen der Parteien“, legt Prof. Dr. Brettschneider dar.

Wahlkampfkanäle: Wahlplakate haben die höchste Reichweite

Von allen Wahlkampfinstrumenten der Parteien nehmen die meisten Wählerinnen und Wähler Wahlplakate wahr (62 %). Es folgen Wahlspots im Fernsehen sowie die Postwurfsendungen, Broschüren etc. Die Internetseiten der Parteien bzw. Kandidierenden nehmen hingegen nur 28 Prozent wahr. Das Gleiche gilt für die Parteien- und Kandidierenden-Inhalte in Social Media-Kanälen (Facebook, Instagram, YouTube und Co.). Anders als bei der baden-württembergischen Landtagswahl im März werden nun auch wieder Wahlkampfstände der Parteien wahrgenommen (24 %). Wahlveranstaltungen sowie der direkte Kontakt mit Kandidierenden haben hingegen nach wie vor eine geringe Reichweite (15 % bzw. 8 %).

Der Kontakt der Altersgruppen mit den verschiedenen Wahlkampf-Kanälen unterscheidet sich teilweise deutlich voneinander. Mit dem Alter steigt die Wahrnehmung von Wahlspots im Fernsehen und von Wahlanzeigen in Zeitungen. „Die 18- bis 29-Jährigen nehmen Wahlplakate, Internetseiten der Parteien und Kandidierenden, Social Media und Werbeanzeigen im Internet deutlich häufiger wahr als alle anderen Bevölkerungsgruppen. Bei ihnen liegen Social Media mit 56 Prozent sogar auf Platz 2“, so Prof. Dr. Brettschneider.

Auffällig sei, dass die Anhängerinnen und Anhänger der SPD überdurchschnittlich häufig die direkten Wahlkampfkontakte (Info-Stände, Gespräche, Wahlkampfveranstaltungen etc.) wahrnehmen. „Das spricht für eine starke Mobilisierung der SPD-Anhängerschaft“, erläutert Prof. Dr. Brettschneider. „Die Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfer der SPD suchen offenbar intensiv den direkten Kontakt mit den Menschen. Sie spüren, dass sie bei dieser Wahl auf Platz 1 landen können. Vor ein paar Monaten hätte das kaum jemand für möglich gehalten“.

Wahlforschung zeigt: Bildplakate wirken stärker als Textplakate

Da Wahlplakate das Wahlkampfinstrument mit der größten Reichweite sind, werden sie an der Universität Hohenheim seit mehr als 15 Jahren detaillierter erforscht. „Wir kombinieren Befragungen von Wählerinnen und Wählern mit Blickaufzeichnungen, dem sogenannten Eyetracking. Dabei wird zehntelsekundengenau der Blickverlauf beim Betrachten von Wahlplakaten festgehalten“, erklärt Prof. Dr. Brettschneider. „So kann man sagen, welche Personengruppen wie lange wohin geschaut haben. Das lässt Schlüsse auf die Wirkung der Plakate zu. Außerdem lassen wir Probanden die Plakate bewerten.“

Zu den grundlegenden Erkenntnissen der Plakat-Forschung hält Prof. Dr. Brettschneider fest: „Es gibt ganz unterschiedliche Wirkungen von Wahlplakaten. Zunächst einmal machen sie auf den Wahlkampf aufmerksam. Sie haben also eine Signalfunktion. Und dann unterscheiden wir verschiedene Typen von Wahlplakaten. Auf den reinen ‚Kopfplakaten’ ist ein Kandidat bzw. eine Kandidatin aus dem Wahlkreis abgebildet, meist versehen mit dem Namen, dem Parteilogo und einem Slogan“, so Prof. Dr. Brettschneider. „Unsere Untersuchungen zeigen, dass diese Plakate kaum wirken. Sie machen die Kandidaten und Kandidatinnen zwar etwas bekannter, doch viele Menschen sind früher oder später von diesen Plakaten genervt.“

Anders sei dies bei den Plakaten der Spitzenkandidierenden. Auf deren „Kopfplakaten“ werde in der Regel ein Thema oder eine besondere Eigenschaft (Verlässlichkeit, Führungsstärke etc.) angesprochen. Durch die Verbindung eines Themas mit einem Spitzenkandidierenden könnten diese Plakate größere Wirkung entfalten, so der Wahlkampf-Forscher. Eine starke Personalisierung der Plakate – wie des gesamten Wahlkampfes – sei in diesem Jahr bei der SPD zu beobachten. „Die SPD setzt bei ihren Wahlplakaten voll und ganz auf Olaf Scholz. Angesichts seiner vergleichsweise hohen Popularität ist das sinnvoll. Im Endspurt fokussiert sich die SPD auf die Botschaft: Zweitstimme ist Kanzlerstimme“, sagt Prof. Dr. Brettschneider.

Wahlplakate wirken indirekt

Bei der dritten Kategorie handelt es sich um reine Themenplakate, insbesondere zu den Bereichen Wirtschaft, Umwelt, Soziales. „Parteien können damit die Aufmerksamkeit der Menschen auf ihre Kernthemen lenken. Dafür darf das Plakat aber nicht überfrachtet sein. Am besten eignet sich die Kombination aus einem Foto, das die Aufmerksamkeit auf sich zieht, und einem passenden Slogan. Reine Textplakate hingegen wirken gar nicht – oder sogar abstoßend“, so Prof. Dr. Brettschneider.

Die Grünen werben unter anderem mit ihrem Kernthema „Umwelt“, die Linke mit „sozialer Gerechtigkeit“ und die AfD thematisiert „Sicherheit“. Die FDP stellt ihren Spitzenkandidaten Christian Lindner in den Mittelpunkt und betont Wirtschaftsthemen. Und auch bei der CDU finden sich die Kernthemen auf den Plakaten: Rente, Familie, Sicherheit und Wirtschaft. „Die Konzentration auf Themen ist bei der CDU sehr sinnvoll, da sich ihr Spitzenkandidat Armin Laschet angesichts der schlechten Umfragewerte nicht als Wahlkampf-Lokomotive eignet“, meint Prof. Dr. Brettschneider.

Generell zeigten die Forschungsergebnisse, dass Wahlplakate kaum Einstellungen der Wählerinnen und Wähler verändern. Die Hauptfunktion der Plakate besteht aus Sicht des Wissenschaftlers darin, die Aufmerksamkeit auf Themen zu lenken, die für eine Partei besonders günstig sind.

Der „Bild-Überlegenheitseffekt“ von Wahlplakaten

„Bildplakate sind generell besser als Textplakate“, sagt Prof. Dr. Brettschneider. Menschen bewerten Bildplakate schon nach wenigen Zehntelsekunden unbewusst besser als Textplakate. Bilder erzielten daher eine größere Aufmerksamkeits- und Aktivierungswirkung. Die Bildelemente würden schneller und länger betrachtet als der Rest eines Plakates, fast 70 Prozent der Betrachtungszeit entfalle auf die Bildbereiche, so Prof. Dr. Brettschneider.

An Bildplakate würden die Betrachtenden sich auch besser erinnern als an Textplakate – und sie häufiger den richtigen Parteien zuordnen. Zudem stießen Bildplakate auf eine größere Akzeptanz als Textplakate. Und all das gelte unabhängig von der Parteineigung der betrachtenden Person. Der „Bild-Überlegenheitseffekt“ lasse sich in allen Wählergruppen feststellen. Außerdem wichtig seien freundliche und leuchtende Farben statt schriller Töne, eine klare Gliederung, assoziationsreiche, emotional positiv besetzte Bilder und ein ausgewogenes Kontrastverhältnis.

„Alles in allem macht in diesem Jahr die SPD mit ihren Plakaten alles richtig. Sie haben einen hohen Wiedererkennungswert, sie konzentrieren sich auf Olaf Scholz und sie sprechen SPD-Themen an“, stellt Prof. Dr. Brettschneider fest. Irritiert zeigt er sich von den Plakaten der Grünen. „Die Grünen sprechen auf ihren Plakaten zwar auch wesentliche Themen an. Der grüne Schleier, der sich über die Plakate zieht, ist jedoch sehr gewöhnungsbedürftig. Das haben die Grünen in der Vergangenheit schon wesentlich besser gemacht“, meint Prof. Dr. Brettschneider.

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Kontakt für Medien

Prof. Dr. Frank Brettschneider, Universität Hohenheim, Fachgebiet Kommunikationswissenschaft, insbesondere Kommunikationstheorie

T 0711 459 24030, E frank.brettschneider@uni-hohenheim.de

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