Rogert & Ulbrich Rechtsanwälte
LG Düsseldorf zum VW-Abgasskandal: Vom KBA freigegebenes Softwareupdate beinhaltet weitere illegale Abschalteinrichtung
Köln (ots)
Das Landgericht Düsseldorf verpflichtete die Volkswagen AG in einem von der Kanzlei Rogert & Ulbrich geführten Verfahren mit Urteil vom 31.07.2019 Az. 7 O 166/18 dazu, dem Kläger den Großteil des Kaufpreises für den von ihm erworbenen Volkswagen Tiguan 2.0 TDI zurückzuzahlen und den Wagen zurückzunehmen. Es befasste sich in diesem Urteil sehr intensiv mit der Wirkung des sog. Updates und der Zulässigkeit eines Thermofensters.
Obwohl dem Kläger das mit dem Kraftfahrtbundesamt (KBA) abgestimmte Softwareupdate auf sein vom Abgasskandal betroffenes Fahrzeug aufgespielt wurde, hält das Gericht das entsprechende Fahrzeug nach wie vor für illegal.
Zum einen würde der durch die Täuschung der VW-AG bedingte ungewollte Kaufvertrag hierdurch nicht nachträglich zu einem gewollten oder genehmigten Kaufvertrag werden. Zum anderen bestehen infolge der unterschiedlichen öffentlichen Verlautbarungen zu den Wirkungen des Updates auch objektiv zumindest Unsicherheiten. Darüber hinaus - und das ist besonders bemerkenswert - müsse der Betroffene auch nicht davon ausgehen, dass mit dem zur Beseitigung der unzulässigen Abschalteinrichtung aufgespielten Software-Update zugleich eine neue Abschalteinrichtung aufgespielt werde.
Vorliegend war zwischen den Parteien unstreitig, dass die Abgasreinigung mit dem Software-Update so programmiert worden ist, dass die Abgasreinigung nur bei Außentemperaturen zwischen 10-32 Grad einsetzt und unter- und oberhalb dieses Temperaturbereichs ausgeschaltet ist. Ferner setzt die Abgasreinigung nur bis zu einer Höhe von 1000m ein. Die Installation eines solchen "Thermofensters" stellt nach Auffassung des Gerichts eine weitere unzulässige Abschalteinrichtung dar. Das Abgasrückführungssystem sei bei verständiger und sachgerechter Auslegung orientiert an den Zielen der fraglichen EU-Verordnung (VO 715/2007/EG) als Bestandteil des Emissionskontrollsystems anzusehen. Die Funktion des Emissionskontrollsystems werde in Abhängigkeit von bestimmten Außentemperaturen verändert, so dass ein das installierte Thermofenster eine Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 3 Nr. 10 VO 715/2007/EG darstelle.
Dem stehe nicht entgegen, dass das KBA dieses Thermofenster mit der Freigabe des Software-Updates nicht als unzulässige Abschalteinrichtung eingestuft hat. Denn die Frage, ob eine Abschalteinrichtung unzulässig sei oder nicht - und daran ließen die Richter keinen Zweifel - stelle eine Rechtsfrage dar, die von den Gerichten zu prüfen und zu beantworten sei. Das von der Beklagten mit dem Software-Update aufgespielte Thermofenster erfülle jedenfalls nicht die Anforderungen der Verordnung 715/2007/EG.
Dass die Abschalteinrichtung zum Schutz des Motors notwendig sei, habe Volkswagen nicht im Einzelnen dargelegt. Der Vortrag erschöpfe sich darin, dass das Thermofenster mit der Korrektur der Abgasrückführungsrate dem Schutz der Bauteile des Abgasrückführungssystems einschließlich des Abgasrückführungsventils vor Versottung und Verrußung diene. Das Abgasrückführungssystem sei jedoch nicht Bestandteil des Motors, so dass nach Auffassung des Gerichts bereits erhebliche Zweifel bestehen, ob der Anwendungsbereich der Ausnahmevorschrift des Art. 5 Abs. 2 S. 2 der VO 715/2007/EG überhaupt eröffnet sei. Eine Abschalteinrichtung könne nur dann als zulässig in Betracht kommen, wenn keine andere technische Lösung denkbar ist, sei sie auch noch so teuer, heißt es in dem Urteil.
Darüber hinaus könne es sich nicht um eine zulässige Ausnahme handeln, wenn ein Bauteil so konstruiert sei, dass zum Schutz des Motors bei den in hiesigen Breitengraden an mehr als 6 Monaten regelmäßig vorherrschenden Temperaturen - wo selbst in kühleren Sommernächten Temperaturen von unter 10 Grad nicht ungewöhnlich sind - und somit regelmäßig bei solchen Betriebsbedingungen, die bei normalem Gebrauch eines PKW vorliegen, eine Abschalteinrichtung eingreifen muss. Eine solche Ausweitung einer Ausnahmevorschrift würde zu einer Umkehr des Regel-Ausnahme-Verhältnisses führen und somit den Zielen der Verordnung, eine Verbesserung der Luftqualität und Einhaltung der Luftverschmutzungswerte herbeizuführen widersprechen und diametral entgegenstehen.
Rechtsanwalt Prof. Dr. Rogert: "Wie gestern in ARD-Plusminus dargestellt, handelt es sich um einen ungeheuerlichen Skandal nach dem bekannten Dieselabgasskandal um manipulierte Motor- und Abgasreinigungssteuersoftware. Das Kraftfahrt-Bundesamt hat sich durch seine Freigabe der manipulativen Software zum Komplizen der betrügerischen Machenschaften eines deutschen Automobilkonzerns gemacht. Erstaunlich, dass die Verantwortlichen im KBA und im Verkehrsministerium offensichtlich noch immer sanktionslos bleiben. Das wäre nach meiner Überzeugung in den 80-er oder 90-er Jahren nicht möglich gewesen."
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