Abschaffung des Mindestabstands von Windrädern zu Wohngebieten in NRW – ein Role Model für das ganze Land?
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Am 25. August fällte der nordrhein-westfälische Landtag in Düsseldorf eine richtungsweisende Entscheidung zu einem seit Langem politisch brisanten Thema: Der bislang geltende pauschale 1.000-Meter-Mindestabstand von Windenergieanlagen wie etwa Windrädern zu Wohnsiedlungen wurde mit breiter Mehrheit der Stimmen abgeschafft. Ist damit der Ausbau der Windkraft in Nordrhein-Westfalen nun tatsächlich leichter möglich? Und markiert diese Entscheidung einen Umschwung im gesamten Bundesgebiet? Ein Kommentar von Koenen-Baurechtsanwalt Niklas Sprave.
Worum geht es?
Nach § 249 Abs. 9 BauGB dürfen die Bundesländer durch Landesgesetz Mindestabstände zwischen Windenergieanlagen und baulichen Nutzungen zu Wohnzwecken festlegen. Fast alle Länder machen von dieser Möglichkeit Gebrauch. So war in Nordrhein-Westfalen bislang in § 2 Abs. 1 BauGB-AG NRW geregelt, dass Windenergieanlagen einen Mindestabstand von 1.000 Metern zu Wohngebäuden in Gebieten mit Bebauungsplänen und innerhalb im Zusammenhang bebauter Ortsteile einhalten müssen.
Der § 2 BauGB-AG in NRW ist seit dem 25.08. dieses Jahres nunmehr ersatzlos gestrichen. Mindestabstände zu Wohngebäuden schreibt der Gesetzgeber für Windenergieanlagen nicht mehr vor. Grundsätzlich dürfen daher in Zukunft Windenergieanlagen auch in einem geringeren Abstand zu Wohnsiedlungen errichtet werden. „Theoretisch dürfen Windräder und Wohnbebauung in Zukunft weiter zusammenrücken“, so der auf öffentliches Recht spezialisierte Anwalt.
Auswirkungen dieser Entscheidung
Bedeutet diese Gesetzesänderung nunmehr, dass jeder Bürger damit rechnen muss, künftig ein Windrad im Garten stehen zu haben? „Diese Gefahr droht definitiv nicht“, erklärt der Koenen-Baurechtsanwalt. „Windenergieanlagen werden auch weiter nur in Außenbereichen geplant, wo solche Anlagen gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB privilegiert zulässig sind.“
Darüber hinaus sind bei der Errichtung großer Windräder und anderer potenziell störender Windenergieanlagen nicht nur baurechtliche, sondern vor allem auch immissionsschutzrechtliche Aspekte zu berücksichtigen. So bedürfen etwa alle Windräder ab einer Höhe von 50 Metern gemäß § 4 Abs. 1 BImSchG einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung. Im Genehmigungsverfahren werden dabei unter anderem die von den Windenergieanlagen ausgehenden Lärmimmissionen genau geprüft. Nur bei Einhaltung strenger Richtwerte zur Lärmbelastung genehmigen die Zuständigen das Projekt. Die besonders schutzwürdige Wohnbebauung führt dazu, dass auch künftig Windanlagen nur in einem Abstand von mehreren hundert Metern zur nächsten Wohnsiedlung errichtet werden.
Andere Länder, andere Abstände
Die Abstandsregelung unterliegt den Bundesländern und beinahe jedes Land handhabt sie anders, teilweise sogar mit anderen Rechtsnormen. Von Windenergieerlass über landesspezifische Bauverordnungen bis hin zum Flächennutzungsplan – fast jedes Bundesland hat die notwenigen Mindestabstände auf eine andere Art geregelt..
NRW gibt keinen Mindestabstand mehr an, genauso wie das Saarland und Sachsen-Anhalt. Ansonsten rechnen die meisten Bundesländer in Metern. 500, 700 oder 1.000 Meter gelten in vielen Bundesländern als Regel. „Bayern wertet dagegen besonders streng, oder man kann sagen: windkraftunfreundlich“, erläutert Koenen-Bauanwalt Sprave. In Bayern gilt als einziges Bundesland die 10H-Regelung, also die 10-fache Anlagenhöhe als Mindestabstand. Wenn ein Windrad also 200 Meter hoch ist, muss das Windkraftprojekt 2.000 Meter Abstand halten.
Auch Niedersachsen misst mit der Anlagenhöhe als Abstandsrichtwert, aber dort beträgt er nur die zweifache Höhe. Die meisten Länder mit Abstandsregelung halten aktuell am 1.000-Meter-Richtwert fest. Der bayrischen Herangehensweise entgegengesetzt steht Hamburg, wo Windenergie 500 Meter zu Siedlungsgebieten und nur 300 Meter zu Einzelhäusern entstehen darf.
Einige Länder arbeiten nicht mit Abstandsregelungen. Beispielsweise können Länder sogenannte Windkraftkonzentrationszonen ausweisen, also bestimmte Gegenden innerhalb der Gemeinden, in denen primär Windenergieanlagen gebaut werden sollen. Ein gewisser Flächenwert muss erreicht werden für den Windkraftausbau, das ist in der Bundesgesetzgebung festgelegt. Einige Länder versuchen so, den Bau von Windkraftanlagen auf bestimmte Regionen zu konzentrieren. Ein solches Vorgehen benötigt entsprechend viel freies Land. Für dicht besiedelte Länder wie NRW oder die Stadtstaaten ist ein solches Prozedere keine Option. Aber Länder mit viel unbewohnter Fläche können den Windkraftausbau auf diese Art und Weise regeln.
Bundesweiter Turning Point?
Dass aufgrund der Änderungen in NRW andere Länder ihre Regelungen entschärfen und dem meist besiedelten Bundesland folgen, ist unwahrscheinlich. Einige Bundesländer, zum Beispiel Thüringen, Sachsen-Anhalt oder Rheinland-Pfalz, überarbeiteten ihre Regelung gerade erst. Rheinland-Pfalz beispielsweise senkte den Abstand von 1.000 auf 900 Meter. Diese Vorgaben bleiben erst einmal bestehen.
Durch verschiedene gesetzliche Vorgaben sind die Länder verpflichtet, einen gewissen Anteil an Flächen für Windenergieanlagen auszuweisen. Das im Februar verabschiedete Wind-an-Land-Gesetz setzt fest, dass bis 2027 und bis 2032 gewisse Flächenziele von den Ländern erreicht werden müssen. Die Länder beginnen jetzt mit der Planung. Wie Bayern seine Ziele erreichen will, ist aktuell noch unklar. Das Land Nordrhein-Westfalen arbeitet derzeit an einer Änderung des Landesentwicklungsplans, um den notwendigen Flächenbedarf möglichst gerecht auf die einzelnen Regionen aufzuteilen. In den Regierungsbezirken Arnsberg, Detmold, Köln und Münster sollen jeweils 2,13 Prozent der regionalen Gesamtfläche, im Regierungsbezirk Düsseldorf 1,14 Prozent und im Bereich des Regionalverbandes Ruhr 0,46 Prozent der regionalen Gesamtfläche für Windenergieanlagen zur Verfügung stehen. Ein weiterer Ausbau der Windenergie in Nordrhein-Westfalen ist damit gesetzt.
Über die Koenen Bauanwälte
Koenen Bauanwälte ist eine auf Bau- und Immobilienrecht spezialisierte Kanzlei, die im gesamten Bundesgebiet tätig ist. Das Leistungsspektrum der vielfach prämierten Kanzlei mit Standorten in Essen, Hannover, Münster und Bielefeld umfasst ausgehend vom klassischen Baurecht alle juristischen Angelegenheiten rund um den Bauprozess – von der baubegleitenden Rechtsberatung bis hin zur Prozessführung. In holistischer Arbeitsweise mit Fokus auf private und institutionelle Bauherren decken die juristischen Expert:innen-Teams alle Bereiche rund um Kosten, Termine und Qualität ab. Von einem im Kanzleigewerbe unüblichen, teamorientierten Menschen- und Arbeitsbild ausgehend, gründete Prof. Dr. Koenen 2004 seine Kanzlei in Essen mit der Idee, das althergebrachte Arbeitsverhältnis tradierter Kanzleien zu ändern. Dem kulturellen Wandel hin zu New Work folgend, setzte Koenen seine Vision 2022 in die Tat um, fokussierte die Teamarbeit in seinem Unternehmen und stockte seine Anzahl der Mitarbeitenden um fast das Doppelte auf aktuell 19 Rechtsanwält:innen und weitere juristische Fachkräfte auf. Mehr Details zur Kanzlei und aktuelle Informationen zu juristischen Themen über die eigene Publikation Legal Report unter bauanwaelte.de
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