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Trennungsfamilien: Berechnung des Kindesunterhalts muss sich am „angemessenen Selbstbehalt“ orientieren

Trennungsfamilien: Berechnung des Kindesunterhalts muss sich am „angemessenen Selbstbehalt“ orientieren
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„Ein Elternteil hat die Taschen des anderen Elternteils zu füllen, ohne dass dessen Einkommen berücksichtigt oder zumindest offengelegt wird“, kritisiert ISUV-Mitglied Roland F. Gemeint ist, der weniger betreuende Elternteil hat vollen Kindesunterhalt zu zahlen, unabhängig von seiner Betreuungsleistung und dem Einkommen des hauptbetreuenden Elternteils. Ist dies zutreffend?

Nach gängiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Az. BGH XII ZB 474/20 und BGH XII ZB 325/20) stehen den Kindern die Einkünfte beider Elternteile zur Verfügung, wenn beide Elternteile nach einer Trennung erwerbstätig sind. In der Regel orientieren sich die Gerichte an der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH). Von dieser Maxime ist das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg (Az. OLG Oldenburg 3 UF 32/23) abgewichen: Ein Vater soll den Unterhalt für zwei Kinder allein entrichten, obwohl die Mutter erwerbstätig ist und mehr verdient als der Vater. „Für unsere Mitglieder ist die Berücksichtigung der Einkommen beider Elternteile eine zentrale Forderung. Wie kann es sein, dass der BGH von der Summe der Einkünfte beider Eltern den Kindesunterhalt berechnet, das OLG Oldenburg aber den von den Kindern getrenntlebenden Vater allein zur Kasse bittet, was zu ungerechter Verteilung der Einkommen führt“, kritisiert die ISUV-Vorsitzende Melanie Ulbrich. Der Verband fordert, dass der angemessene Selbstbehalt – 1750 EURO – Grundlage der Berechnung des Kindesunterhalts sein muss.

Unterschiedliche juristische Positionen

Folgende Fallkonstellation lag zugrunde: Ein getrenntlebender Vater verdient im Monat 2.200.- €, die Mutter 2.500.- €. Die Eltern schulden Unterhalt für die zehn- bzw. elfjährigen Kinder. Nach Interpretation des OLG Oldenburg soll der Vater allein bezahlen, die Mutter schuldet den Kindern keinen Unterhalt, weil sie die Kinder überwiegend betreut.

Bei Trennungsfamilien, in denen beide Elternteile erwerbstätig sind, geht der BGH dagegen nach besagter Rechtsprechung davon aus, dass beide Elternteile Unterhalt schulden. Schließlich ist es heute großenteils die Regel, dass beide Elternteile vor wie nach einer Trennung erwerbstätig sind. Somit werden die Lebensverhältnisse in der (Trennungs-)Familie ganz selbstverständlich durch die Einkünfte beider Elternteile geprägt. Die Höhe des Kindesunterhalts bemisst sich daher nach der Summe beider Einkünfte. „Vor der Trennung lebte die Familie vom Einkommen beider Elternteile. Warum soll das nach der Trennung anders sein, insbesondere wenn beide Elternteile betreuen“, fragt Melanie Ulbrich.

Juristische Vorgaben

Nach dem Gesetz sind beide Elternteile ihren Kindern zum Unterhalt verpflichtet. Die Summe der Einkünfte beider Eltern bestimmt die „Lebensstellung“ der Kinder, entsprechend richtet sich danach die Höhe der Unterhaltsansprüche.

Beiden Elternteilen steht zunächst der angemessene Eigenbedarf in Höhe von monatlich je 1.750.- € zu. Eigentlich erst ab dieser Grenze haften beide Elternteile für den Unterhalt ihrer Kinder. Erst wenn das restliche Einkommen nicht reicht, um den geschuldeten Kindesunterhalt gemäß Düsseldorfer Tabelle (DTB) zu leisten, kann ein Elternteil bis zum sogenannten notwendigen Eigenbedarf von monatlich 1.450.- € in Anspruch genommen werden. Nach dem Gesetz gilt dies ohne Unterschied für beide Elternteile, unabhängig davon ob die Kinder sich mehr bei einem Elternteil aufhalten oder nicht.

Der Satz „Einer betreut, Einer bezahlt“ passt nur, solange nur ein Elternteil erwerbstätig ist. In solchen Fällen schützt das Gesetz den betreuenden Elternteil davor, nach einer Trennung neben der Betreuung noch zusätzlich unzumutbare Erwerbstätigkeiten aufnehmen zu müssen. Sind jedoch beide Elternteile vor wie nach der Trennung erwerbstätig, geht das Gesetz davon aus, dass die Einkünfte beider Elternteile maßgebend für die Höhe des den Kindern geschuldeten Unterhalts sind.

Auswirkungen auf Unterhaltsberechnung

So rechnet das OLG Oldenburg:

Der Vater zahlt Unterhalt 750. - €, ihm muss der notwendige Eigenbedarf – „notwendiger Selbstbehalt“ – von 1450. - € bleiben, mit dem er alle existentiellen Bedürfnisse bestreiten muss. Für die Mutter ergibt sich folgende Rechnung: 2500.- € Einkommen, 250. - € hälftiges Kindergeld, 750. - € Kindesunterhalt, ihr stehen also monatlich 3500. - € zur Verfügung. Diese Einkommensverteilung in der Trennungsfamilie wird von betroffenen Müttern und Vätern heftig kritisiert. „Zurecht“, meint Ulbrich, „wenn beide betreuen, entstehen in beiden Haushalten entsprechende Betreuungskosten.“

So rechnet der BGH:

Sind beide Elternteile erwerbstätig und verdienen beide monatlich mehr als 1.750.- € netto, ist bei beiden Elternteilen der „angemessene Selbstbehalt“ gesichert, dann schulden sie auch beide ihren Kindern Unterhalt.

Die Unterhaltshöhe ergibt sich aus der Summe der elterlichen Einkünfte, im Ausgangsfall: 2.200.- plus 2.500.- €, somit 4.700.- €. Nach der Düsseldorfer Tabelle schulden die Eltern dann einen Unterhalt in Höhe von 669.- € pro Kind., für beide Kinder also 1338. - €. Das Einkommen der Mutter liegt 750 .- €, das des Vaters aber nur 450. - € über dem angemessenen Selbstbehalt von 1750. - €; in dieser Höhe schulden beide Elternteile zunächst den Unterhalt, insgesamt also 1200.- € . Es „fehlen“ also noch 138. - € vom geschuldeten Kindesunterhalt, die der weniger betreuende Elternteil, im vorliegenden Fall der Vater, zahlen muss.

Das monatliche Haushaltseinkommen der Mutter beträgt nach BGH-Berechnung 2588.- €, dem Vater verbleiben 1612. - €. Somit hat er 168. - € monatlich mehr zur Verfügung als ihm die Oldenburger Oberrichter zugebilligt haben.

Die BGH-Rechtsprechung teilt dem Unterhaltspflichtigen einen höheren Selbstbehalt zu. Gleichzeitig wird aber durch diese Berechnung der Kindesunterhalt quasi im Fahrstuhl von Stufe 2 auf Stufe 8 „befördert“, von 579 auf 794. - € pro Kind. Damit stellt sich auch die Frage nach einem sozial-realistischen Bedarf von Kindern.

ISUV-Forderungen

Im Zuge der anstehenden Reform des Kindesunterhalts sollte der Gesetzgeber eine einheitliche bundesweite Berechnung des Kindesunterhalts festlegen. Die Berechnung des OLG-Oldenburg basiert auf dem überholten sozialen Modell „Einer verdient, einer betreut“. Dies entspricht in den meisten Fällen nicht mehr der sozialen Realität.

Aus dem heute geltenden Gesetz folgt, dass in Fällen, in denen beide Elternteile erwerbstätig sind, beide Elternteile ihren Kindern Unterhalt schulden und sich die Höhe des Kindesunterhalts nach der Summe der Einkünfte richtet. Dies sollte der Gesetzgeber im Zuge der Reform klarstellen. „Es kann nicht sein, dass der Verdienst eines Elternteils bei Trennung unter den Tisch fällt, obwohl er den Lebensstandard in der Ehe geprägt hat und weiterhin den Lebensstandard auch der Trennungsfamilie prägt“, fordert Melanie Ulbrich.

Die Unterhaltshöhe muss sich am notwendigen Bedarf orientieren. „Der Unterhalt sollte grundsätzlich gedeckelt werden. So werden Eltern angehalten Mehrbedarf untereinander auszuhandeln und sich an der Betreuung zu beteiligen. Jedes Jahr höherer Unterhalt, immer neue statistische Bedarfe, es geht nicht mehr so weiter. Das zeigt die Zunahme von Mangelfällen, von ausufernden Unterhaltsprozessen, von Unzufriedenheit und Leistungsdemotivation“, stellt die ISUV-Bundesvorsitzende fest.

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Tel. 06074 92 25 80 -  m.ulbich@isuv.de
ISUV-Pressesprecher, Josef Linsler, Moltkestraße 22a, 97318 Kitzingen,
Tel. 09321 9 27 96 71 –  j.linsler@isuv.de
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