Interessenverband Unterhalt und Familienrecht ? ISUV e. V.
Mangelhafte Gutachten gefährden das Kindeswohl
Das Oberlandesgericht Frankfurt kritisiert in einem aktuellen Beschluss vom 29.01.2025, 1 UF 186/24 gravierende Mängel in familienpsychologischen Gutachten.
Das Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt rückt die mangelhafte Qualifikation familienpsychologischer Gutachter in den Fokus. In einem hochstrittigen Sorge- und Umgangsverfahren wurde eine familiengerichtliche Entscheidung aufgehoben, die den Eltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht entzog und die Kinder in eine Wochengruppe zwang. "Der Beschluss des OLG Frankfurt zeigt, dass familienpsychologische Gutachten standardisiert und hinterfragt werden müssen, wie wir als Verband seit Jahren fordern. Kinder dürfen nicht aufgrund fragwürdiger Gutachten aus ihrem gewohnten Umfeld gerissen werden", erklärt die ISUV-Bundesvorsitzende Melanie Ulbrich.
Fehlentscheidungen durch mangelhafte Gutachten
Das OLG kritisierte das vom Amtsgericht eingeholte Sachverständigengutachten. Es entspreche nicht den ‚“Mindestanforderungen von Gutachten im Kindschaftsrecht“ und beruhe auf veralteten, wissenschaftlich nicht haltbaren Theorien. Insbesondere die sogenannte "Parental Alienation Syndrome" (PAS)-Theorie, die angebliche Manipulation durch einen Elternteil als Ursache für Kontaktabbrüche von Kindern behauptet, wurde vom OLG als unwissenschaftlich zurückgewiesen. Das Amtsgericht hatte auf Grundlage dieses Gutachtens eine radikale Trennung der Kinder von ihrer Hauptbezugsperson veranlasst.
Verbindliche Standards und Qualifikation für Gutachter
Um solche Fehlentscheidungen künftig zu verhindern, wurde bereits 2016 ein "Gesetz zur Änderung des Sachverständigenrechts" verabschiedet. Dieses sieht verbindliche Qualitätsstandards für Gutachter vor, darunter klare Mindestqualifikationen, transparente Auswahlverfahren durch Gerichte sowie verpflichtende Weiterbildungen. Zudem müssen Sachverständige ihre Gutachten innerhalb festgelegter Fristen erstellen, um Verzögerungen zu vermeiden. Das Gesetz sieht auch vor, ein unabhängiges Prüfgremium soll die Qualität der Gutachten überwachen und bei fehlerhaften oder unwissenschaftlichen Methoden Konsequenzen verhängen können.
Es ist unbestritten, das Gesetz hat Verbesserungen gebracht, aber die greifen nicht weit genug, wie der OLG-Beschluss zeigt. „Das Gesetz muss nachgebessert werden. Die Politik ist gefragt, notwendige gesetzliche Änderungen auf den Weg zu bringen“, fordert die ISUV-Vorsitzende.
Auf Grund der jahrelangen Erfahrungen mit Gutachten von Mitgliedern hat ISUV einen Katalog von Forderungen zusammengestellt:
- Regelmäßige Fortbildungen: Pflicht für Gutachter zur kontinuierlichen Weiterbildung, um auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft zu bleiben.
- Unabhängige Qualitätskontrolle: Einrichtung einer unabhängigen Prüfstelle, die Gutachten systematisch überprüft.
- Beschwerdemöglichkeiten für Betroffene: Einrichtung einer neutralen Ombudsstelle für Eltern, die Zweifel an der Objektivität oder Qualität eines Gutachtens haben.
- Einführung eines Evaluationssystems: Familiengerichte sollen die Qualität der von ihnen beauftragten Gutachter systematisch bewerten und entsprechend transparent machen.
- Sanktionen bei Fehlverhalten: Sachverständige, die unsachgemäße Gutachten erstellen sowie das Gutachten nicht fristgerecht abgeben, dürfen nicht mehr als Sachverständige berufen werden.
- Anspruch auf Beistand: Betroffene sollen einen gesetzlichen Anspruch auf einen von ihnen ausgewählten Beistand haben.
- Paradigmenwechsel: Gutachten sollen nicht verordnet, sondern lösungsorientiert mit den Betroffenen kommuniziert und zwischen den Betroffenen vermittelt werden.
Kindeswohl muss oberste Priorität haben
Die Entscheidung des OLG Frankfurt ist ein Impuls für eine wissenschaftlich fundierte kindgerechte Begutachtungspraxis. Nun liegt es an der Politik, die notwendigen Reformen auf den Weg zu bringen, um zukünftige Fehlentscheidungen zu verhindern. "Es ist höchste Zeit, verbindliche Qualitätsstandards für Gutachter festzulegen, so das Kindeswohl nachhaltig zu stärken, um damit solche Fälle zu vermeiden", so die ISUV-Vorsitzende Melanie Ulbrich.
ISUV – Kompetenz im Familienrecht seit über 45 Jahren Der ISUV vertritt als größte deutsche und überparteiliche Solidargemeinschaft die Interessen von Bürgern, die von Trennung, Scheidung und den damit zusammenhängenden Fragen und Problemen - elterliche Sorge, gemeinsame Elternschaft trotz Trennung, Umgangsrecht, Unterhalt für Kinder und ehemaligen Eheatten, Vermögensausgleich Ausgleich der Rentenansprüche - betroffen sind. ISUV ist unabhängig, bundesweit organisiert und als gemeinnützige Organisation anerkannt. Der ISUV finanziert sich ausschließlich durch Mitgliedsbeiträge und Spenden. Unterstützen Sie unser Anliegen durch Ihre Mitgliedschaft und Ihre Spenden. Kontakt: ISUV-Bundesgeschäftsstelle, Postfach 210107, 90119 Nürnberg, Tel. 0911 55 04 78 - info@isuv.de ISUV-Vorsitzende, Melanie Ulbrich, Donaustr. 30, 63322 Rödermark, Tel. 06074 92 25 80 - m.ulbrich@isuv.de
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