GRD Gesellschaft zur Rettung der Delphine e.V.
Extrem seltene Jagdmethode bei Delfinen im Golf von Mexiko entdeckt: Weg mit dem Fischkopf
Eigentlich waren Errol Ronje und seinen Kollegen von der Nationalen Meeres- und Fischereibehörde der NOAA im Mississippi-Delta auf der Suche nach Delfinen an diesem 7. Mai 2015. Da bot sich ihnen ein bizarrer Anblick. Über eine Strecke von einem halben Kilometer trieben Fischköpfe an der Wasseroberfläche, weiter vorn schwamm eine Gruppe Großer Tümmler
Ronje und sein Team waren zufällig auf eine bislang nicht bekannte und extrem seltene Jagdmethode einiger der im Golf von Mexiko lebenden Großen Tümmler (Tursiops truncatus) gestoßen: die Abtrennung des durch einen Knochenschild und 3 spitze, bewegliche Stachelstrahlen gepanzerten Kopfes bei der Jagd auf die Kreuzwelsart Ariopsis felis, in den USA auch als catfish bekannt. Ihre im Anschluss an den Fund durchgeführte Studie wurde jetzt im Internet-Fachportal PlosOne veröffentlicht.
Riskante Jagd auf wehrhafte Fische
Für ihre Studie werteten die Wissenschaftler auch die Daten des Strandungsnetzwerks der Florida Fish and Wildlife Conservation Commission aus. Demnach konnten 7 Todesfälle allein auf Verletzungen durch Wels-Stacheln zurückgeführt werden. Ein Tümmler hatte sich mit 17 Stacheln, von denen einige den Verdauungstrakt durchlöchert hatten, förmlich selbst durchsiebt.
Jagdspezialisten trennen den Kopf vom Körper
Trotz der Gefahr scheint sich die riskante und energetisch aufwendige Jagd zu lohnen. Besonders zur Laichzeit sind weibliche Welse mit ihren Eiern eine verlockende Beute voller hochwertiger Proteine. Abgetrennte Welsköpfe tauchen im Golf von Mexiko denn auch vermehrt zu dieser Zeit auf.
Erlerntes und tradiertes Verhalten
Zum Glück für die Welse sind es nur sehr sehr wenige Delfine, die auf diese Weise jagen. Bei über 50.000 Sichtungen im Golf von Mexiko, an der Küste von Florida und im Mississippi-Delta konnten die Forscher nur bei 13 Delfingruppen feststellen, dass sie diese Jagdmethode anwenden. Errol Ronje schätzt, dass weniger als 1 Prozent der im Golf von Mexiko lebenden Tümmler sie beherrschen. Und die scheinen sich untereinander zu kennen oder miteinander verwandt zu sein.
Bei der Auswertung von Fotoidentifikationsdaten von drei Fundorten mit abgetrennten Fischköpfen auf einer Strecke von 350 Kilometer stießen Errol Ronje und seine Kollegen stets auf die gleichen acht "Verdächtigen".
Eine Kultur des "Guillotinierens"?
"Die Ausprägung nicht genetisch bedingter, durch Überlieferung und Lernleistung tradierter Verhaltensweisen, die nur in bestimmten Regionen, Gruppen oder Familien auftreten, nennt man Kultur", sagt Ulrich Karlowski, Biologe der Gesellschaft zur Rettung der Delphine e.V. (GRD). "Besonders Große Tümmler können sich sehr flexibel Umweltbedingungen anpassen. Dabei entstehen Kulturen und Sub-Kulturen. Diese können so unterschiedlich sein, dass man meinen könnte, es hier mit verschiedenen Arten zu tun zu haben."
Erst im April 2017 hatte die australische Forscherin Kate R. Sprogis von der Cetacean Research Unit der Murdoch-Universität über ein ähnliches, sehr seltenes und kulturell verankertes Jagdverhalten bei Indopazifischen Großen Tümmlern (Tursiops aduncus) berichtet: Die Delfine schlagen große und kräftige Oktopusse mehrfach kräftig auf die Wasseroberfläche oder schleudern sie wiederholt einige Meter weit durch die Luft, bis der Tintenfisch sein Bewusstsein und daqmit seine Wehrhaftigkeit verliert.
Mehr Fragen als Antworten
Noch weiß man recht wenig über die neu entdeckte Jagdmethode der Tümmler im Golf von Mexiko, dazu wird sie einfach zu selten beobachtet. So können sich die Forscher bislang nicht schlüssig erklären, wie die Delfine es schaffen, den Kopf relativ glatt vom Körper des Fisches abzutrennen. Abbeißen geht jedenfalls nicht, dazu sind Delfine mit ihren gleichförmigen konischen Zähnen und der vergleichsweise schwachen Beißkraft ihrer Kiefer schlichtweg nicht in der Lage.
Weitere Informationen: https://www.delphinschutz.org/delfine/jagdstrategien
Quelle: "A common bottlenose dolphin (Tursiops truncatus) prey handling technique for marine catfish (Ariidae) in the northern Gulf of Mexico" von Errol I. Ronje , Kevin P. Barry, Carrie Sinclair, Mark A. Grace, Nélio Barros ?, Jason Allen, Brian Balmer, Anna Panike, Christina Toms, Keith D. Mullin, Randall S. Wells
Veröffentlichung in PlosOne: https://doi.org/10.1371/journal.pone.0181179
Foto: Fischfang mit tödlichem Ausgang, Adria-Tümmler. Foto: M. Duras/GRD