Otto-Friedrich-Universität Bamberg
PM: Wer ist bereit, sich pflanzenbasiert zu ernähren?
Wer ist bereit, sich pflanzenbasiert zu ernähren?
Studie zeigt: Besonders ärztliche Empfehlungen und eine gute Infrastruktur können dazu beitragen, dass Menschen auf eine stärker pflanzlich orientierte Ernährung umsteigen
Personen, die sich vegetarisch oder vegan ernähren, machen – Stand 2022 – acht Prozent der Bevölkerung in Deutschland aus. Zahlreiche Studien haben bereits die vielfältigen Beweggründe von Menschen untersucht, die sich pflanzlich ernähren. Doch wie steht es um die Bereitschaft von Fleischesserinnen und Fleischessern in Deutschland, ihre Gewohnheiten zu ändern? Dazu ist bisher wenig bekannt. Eine Studie der Otto-Friedrich-Universität Bamberg und der Hochschulambulanz für Naturheilkunde am Immanuel Krankenhaus Berlin beleuchtet die Einflussfaktoren, unter denen omnivor lebende Menschen bereit wären, sich für eine pflanzenbasierte Ernährung zu öffnen. Die Ergebnisse zeigen nicht nur, welche soziodemographischen Gruppen am offensten dafür sind, sondern auch, welche Rahmenbedingungen für eine mögliche Umstellung der Ernährung wichtig sind.
Omnivor lebende Personen kaum bereit, Ernährungsgewohnheiten zu ändern
„Pflanzenbasierte Ernährung zu fördern und dadurch den Konsum von tierischen Produkten zu verringern hilft, CO2-Emissionen zu reduzieren und trägt damit zur Bekämpfung des Klimawandels und der globalen Erwärmung bei. Weniger tierische Produkte zu konsumieren kann auch die Gesundheit verbessern und das Risiko für zahlreiche schwere Krankheiten verringern“, erläutert Dr. Judith Lehmann, Erstautorin der Studie und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Soziologie, insbesondere Soziale Ungleichheit. „Unsere Forschung zeigt jedoch, dass die Bereitschaft für einen Wechsel zu pflanzenbasierter Ernährung unter omnivoren Personen generell eher gering ist.“ Befragte mit einem hohen Bildungsniveau, Frauen und Befragte aus jüngeren Geburtsjahrgängen (Generation Z und Millennials) zeigten eine höhere Bereitschaft, auf eine stärker pflanzlich orientierte Ernährung umzustellen. Im Gegensatz dazu lassen sich Befragte mit niedrigem bis mittlerem Bildungsniveau, Männer und Befragte aus älteren Geburtsjahrgängen (Babyboomer) laut der Daten nicht so leicht zu einer Umstellung ihrer Ernährung bewegen.
Mehr als 4.000 Befragte
Die Daten für die Studie stammen aus einer Online-Umfrage zur Verwendung und Akzeptanz traditioneller, komplementärer und integrativer Medizin in Deutschland, an der 4.065 Personen zwischen 18 und 75 Jahren teilnahmen – von denen sich 3.419 (84 Prozent) als omnivor bezeichneten. Die Umfrage wurde zwischen September und Oktober 2022 durchgeführt und von der Karl und Veronica Carstens-Stiftung gefördert. Die Teilnehmenden wurden neben Gesundheitszustand, Erfahrungen mit Naturheilkunde und komplementärer und integrativer Medizin und soziodemographischen Informationen auch zu ihren Ernährungsgewohnheiten und -einstellungen sowie zu ihrer Bereitschaft befragt, ihre Ernährung zu ändern.
Ärztliche Empfehlungen nehmen viele ernst
Welche Maßnahmen könnten motivierend wirken, die Ernährung umzustellen? „Empfehlungen von Ärztinnen und Ärzten erweisen sich insgesamt als die vielversprechendste Maßnahme, um auch skeptische Personen zu einer Ernährungsumstellung zu motivieren“, erklärt Judith Lehmann. „Auch niedrigere Preise für pflanzenbasierte Produkte und eine gute Infrastruktur mit entsprechenden Angeboten in Mensen, Cafeterien, Supermärkten und Restaurants können die Bereitschaft erhöhen“, ergänzt Prof. Dr. Rasmus Hoffmann. Er ist Inhaber des Lehrstuhls für Soziologie, insbesondere Soziale Ungleichheit, und leitet den Bamberger Teil des Projekts „Inanspruchnahme und Akzeptanz von Naturheilverfahren in Deutschland“, in das die Studie eingebettet ist. Je nach Bildungsniveau, Geschlecht, Einkommen und Alter der Befragten zeigen sich folgende Unterschiede: Empfehlungen von Ärztinnen und Ärzten, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie Politikerinnen und Politikern sind vielversprechend, um eher schwer erreichbare Gruppen wie Männer und die Kohorte der Babyboomer zu einer pflanzlicheren Ernährung zu bewegen. Niedrigere Preise für pflanzliche Produkte motivieren insbesondere Frauen und Haushalte mit einem Einkommen von weniger als 2.000 Euro pro Monat. Wenn die Zahl der Menschen in der Gesellschaft, die sich pflanzlich ernähren, generell zunimmt, kann dies vor allem die Ernährungsentscheidungen von Befragten mit niedrigerem Bildungsniveau beeinflussen.
Fokus auf einzelne Maßnahmen könnte soziale Ungleichheit in Bezug auf Gesundheit vergrößern
Insgesamt zeigt die Untersuchung, dass verschiedene soziodemographische Gruppen mit unterschiedlichen Maßnahmen erreicht werden können. „Daraus ergibt sich ein Dilemma: Mit Maßnahmen, die Gruppen ansprechen, die sowieso schon sehr gesundheitsbewusst leben und leichter überzeugt werden können, sinkt der durchschnittliche Fleischkonsum in Deutschland schneller, aber es kann dazu führen, dass auch gesundheitliche Ungleichheiten zwischen gesellschaftlichen Gruppen größer werden“, sagt Lehmann.
Insgesamt am vielversprechendsten sind Empfehlungen von Ärztinnen und Ärzten. Die beratende Rolle der Ärztinnen und Ärzte in Hinblick auf Ernährung ist jedoch bisher wenig erforscht, weiß Judith Lehmann. „Offenbar kann insbesondere der hausärztliche Rat eine große Rolle spielen, weil ein Vertrauensverhältnis besteht. Aber unter welchen Umständen sind ärztliche Empfehlungen zu Ernährung erfolgreich? Und was bräuchten Ärztinnen und Ärzte, um diese Beratung leisten zu können?“, fragt sie. Zu diesen Fragen müsse weiter geforscht werden.
Publikation: Lehmann, J., Trübner, M., Patzina, A., Jeitler, M., Hoffmann, R., & Kessler, C.S. (2025). The willingness to transition to a more plant-based diet among omnivores: determinants and socioeconomic differences. Appetite, 206, 107765. https://doi.org/10.1016/j.appet.2024.107765
Mehr zum Forschungsprojekt „Inanspruchnahme und Akzeptanz von Naturheilverfahren in Deutschland“ unter: https://www.uni-bamberg.de/sozungleichheit/forschung/
Weitere Informationen für Medienvertreterinnen und -vertreter:
Kontakte für inhaltliche Rückfragen: Dr. Judith Lehmann Lehrstuhl für Soziologie, insbesondere Soziale Ungleichheit Tel.: 0951/863-2591 judith.lehmann@uni-bamberg.de
Prof. Dr. Rasmus Hoffmann Lehrstuhl für Soziologie, insbesondere Soziale Ungleichheit Tel.: 0951/863-3146 rasmus.hoffmann@uni-bamberg.de
Medienkontakte: Hannah Fischer Pressestelle/Pressereferentin Tel.: 0951/863-1445 redaktion.presse@uni-bamberg.de
Tanja Eisenach Pressereferentin/Leitung Pressestelle Tel.: 0951/863-1023 presse@uni-bamberg.de