Glasfaserausbau 2023: Weniger als 10 % aktive Nutzer in Deutschland - Neue Strategien von Planung bis Partnerwahl gefragt
Düsseldorf (ots)
Laut aktuellen Zahlen der BREKO-Marktanalyse 2023 schreitet der Glasfaserausbau in Deutschland deutlich voran - dieser Fortschritt ist aber weitgehend auf Homes Passed beschränkt, also Haushalte, an denen die Glasfasertrasse nur vorbeiläuft, ein Hausanschluss aber noch nicht erstellt wurde. Aktive Nutzer der Glasfaser sind mit ca. vier Millionen Haushalten aktuell weniger als 10 Prozent; "echte" Gigabit-Anschlüsse nutzen kaum mehr als zwei Millionen Haushalte in Deutschland, also weniger als 5 Prozent. Gleichzeitig erschweren starker Wettbewerb, gestiegene Zinsen und Kosten sowie der Fachkräftemangel die Entwicklung. Wir bitten den Branchenexperten Sebastian Fornefeld, Geschäftsführer der MICUS Strategieberatung aus Düsseldorf, um eine Einschätzung:
Trotz erfreulicher Fortschritte im Ausbau wirkt die Stimmung im Glasfasermarkt getrübt, woran liegt das?
Sebastian Fornefeld: Viele Rahmenbedingungen des Ausbaus haben sich über die letzten Jahre verschlechtert, besonders hervorzuheben sind gestiegene Finanzierungs- und Baukosten und die leider auf sehr niedrigem Niveau verharrende Buchung von Glasfaseranschlüssen der Endverbraucher. Kombiniert mit einer, grundsätzlich zu begrüßenden, hohen Anzahl an konkurrierenden Netzbetreibern, weit über 100, die im Ausbau aktiv werden, wird die Kalkulation jedes Ausbaugebietes deutlich enger. Gleichzeitig erwarten Investoren, Politik und Bürger schnelle Fortschritte.
Was können die Netzbetreiber tun, um diesen Herausforderungen zu begegnen?
Sebastian Fornefeld: Der deutsche Markt kommt zunehmend an den Übergang von der Phase des Goldrausches, in der versucht wird, sich schnell Gebiete zu sichern - häufig auch als Landgrab bezeichnet - in eine Phase der Kommerzialisierung, wo sich die Erfolgskriterien verändern: Entscheidend sind nicht mehr allein Häuser entlang der Trasse, sondern aktive Nutzung und Wirtschaftlichkeit des Ausbaus auf Ebene möglichst jeder angeschlossenen Adresse. Zunächst ist es wichtig, dies zu realisieren und Maßnahmen zu ergreifen, die alle diese Erfolgskriterien adressieren.
Was bedeutet das in der Praxis?
Sebastian Fornefeld: Im Optimalfall wird der Prozess von Beginn an optimiert. So können beispielsweise Baukosten deutlich reduziert und die Ausbaugeschwindigkeit erhöht werden, wenn Planung und Konzeption der Netze in Richtlinien vereinheitlicht und standardisiert werden. Bei unseren Kunden, u.a. der Deutschen Glasfaser und 1&1 Versatel, werden als Resultat solcher Planungsrichtlinien 20% Kostenreduktion im materiellen Netzausbau geschätzt, hinzu kommen Kostenersparnisse in Millionenhöhe in Betrieb und Instandhaltung. Gleichzeitig bilden die einheitlichen Vorgaben die Basis für deutliche Steigerungen der Ausbaugeschwindigkeit bei höherer Netzqualität.
Was kann in der Planung und Umsetzung eines konkreten Ausbauprojektes optimiert werden?
Sebastian Fornefeld: Im Ausbau kommt zunehmend auf eine sehr detaillierte Wirtschaftlichkeitsabwägung zwischen Kosten und Potential ein; am besten auf Ebene jeder Einzeladresse. Aus unserer Projekterfahrung bei solchen Berechnungen mit unserem eigenen Tool kann die Wirkung dabei deutlich über den Ausbau hinaus reichen: So können nicht nur sehr präzise Gebiete für den Ausbau bestimmt werden, sondern auch die Vertriebsmannschaften zielgerichtet eingesetzt werden - fokussiert da, wo der Ausbau der Einzeladresse mit den geringsten Kosten verbunden ist und der mögliche Profit am höchsten.
Zunehmend sieht man auch neue Kooperationsmodelle, vom Joint Venture über geteilte Investments oder Varianten von OpenAccess. Wie kann das den Ausbau unterstützen?
Sebastian Fornefeld: Jedes Ausbaugebiet und die Ausgangssituation jedes Netzbetreibers ist individuell zu betrachten und stellt besondere Anforderungen. Nicht jedes grundsätzlich interessante Gebiet kann ohne weiteres allein erschlossen werden, sei es wegen Kapazitätsbeschränkungen, fehlendem Investitionskapital oder weil es spezifische Herausforderungen gibt. Ein Extrembeispiel aus unserer Praxis ist das Projekt Siemensstadt Square: Ein Neubauprojekt mit einer Fläche von 76 Hektar auf dem historischen Gründungsboden von Siemens in Spandau, das größte städtebauliche Projekt in Europa. Eine gesamthafte Erschließung solch großer Neubauflächen mit Glasfaser unter höchsten Anforderungen an Zukunftsfähigkeit erfordert neue, innovative Modelle, die sich in das Gesamtvorhaben eingliedern und von starken Partnern begleitet werden. Partner ermöglichen also nicht nur einen Hebeleffekt, also mit dem eigenen limitierten Kapital mehr Nutzer erschließen zu können, sondern ergänzen wichtiges Know-How und Fähigkeiten.
Viel Diskussion entspannt sich immer wieder um die Förderung, ob diese den Ausbau unterstützt oder sogar schädlich sein kann. Was ist ihre Perspektive?
Sebastian Fornefeld: Wir haben mittlerweile mehr als 300 Förderprojekte mit einem Bauvolumen von über 2 Milliarden Euro begleitet. Die Förderung und die Möglichkeiten, die es gerade Kommunen und Kreisen bietet, die nicht im Fokus des privatwirtschaftlichen Ausbaus stehen, sind uns ein Herzensanliegen. Dabei sehen wir keine Konkurrenz zwischen privatwirtschaftlichem und gefördertem Ausbau, ganz im Gegenteil. Die beiden größten Glasfasernetzbetreiber in Deutschland, die Telekom und die Deutsche Glasfaser, haben die Förderung intelligent genutzt und Milliarden an zusätzlichem Baupotential realisieren können. Gerade für den Ausbau in der Fläche bleibt es entscheidend, Fördermittel in Anspruch zu nehmen, um gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz Deutschland zu schaffen. Trotz aller Kritik an der Komplexität der Verfahren ist es durchaus möglich, hier effizient zu Ergebnissen zu kommen. Ein gutes Beispiel ist Thüringen, wo die Thüringer Glasfasergesellschaft gemeinsam mit uns ohne weiteres weit über 15 Verfahren im Betreibermodell parallel realisieren kann - dort wo es sonst eben keinen Ausbau gäbe.
Zu Beginn des Jahres sind mit Glasfaser direkt und Hello Fiber/Liberty Networks zwei Netzbetreiber insolvent gegangen. Was ist ihr Blick auf eine anstehende Konsolidierung im Markt?
Sebastian Fornefeld: Diese beiden Netzbetreiber sehe ich als Sonderfälle, die eher an individuellen Herausforderungen als an allgemeinen Entwicklungen gescheitert sind. Sicher wird es eine Konsolidierung geben. Gerade viele lokale Netze und Betreibermodelle kommen angesichts der veränderten Rahmenbedingungen an wirtschaftliche Grenzen - häufig war die Ausbauplanung zu langfristig oder aber die Vermarktung der Anschlüsse erzielte nicht die erwarteten Erfolge. Oftmals kann mit guten Sanierungskonzepten eine Restrukturierung aber noch gelingen. So haben wir zuletzt mehrere größere Netze von mehr als 1.500 km betreut, wo durch eine Veränderung des Vermarktungsmodells von der Einzelverpachtung zu einem darkfiber/OpenAcccess-Vermietungsmodell an eine Vielzahl von Netzbetreibern eine Sanierung möglich wurde. Hier ist es entscheidend, rechtzeitig vom neuen Vermarktungsmodell bis hin zum Insolvenzantrag alle Optionen zu evaluieren, solange man noch handlungsfähig ist und bevor ein Wertverlust durch Überbau eintritt.
Herr Fornefeld, vielen Dank für das Gespräch.
Pressekontakt:
Herr Sebastian Fornefeld
Geschäftsführer MICUS Strategieberatung GmbH
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