EnBW Energie Baden-Württemberg AG
EnBW kritisiert massive Wettbewerbsverzerrungen durch den Emissionshandel
Karlsruhe (ots)
EnBW-Vorstand beschließt rechtliches Vorgehen auf deutscher und europäischer Ebene
Die EnBW Energie Baden-Württemberg AG wird rechtlich gegen die vergangene Woche vom Bundestag verabschiedeten Gesetze zum Handel mit Emissionszertifikaten vorgehen. Nach Auffassung der EnBW führen das Gesetz über den Emissionshandel (TEHG) und das Zuteilungsgesetz (ZuG) in ihrer jetzigen Form zu eklatanten Verzerrungen im Wettbewerb der Energieversorgungsunternehmen zu Ungunsten der EnBW. Gemäß externem Sachgutachten kann dieser entstehende Wettbewerbsnachteil relativ zu dem durch den Emissionshandel am besten gestellten Wettbewerber kumulativ die Größenordnung von rund einer Milliarde Euro erreichen.
Nach den Worten des EnBW-Vorstandsvorsitzenden Prof. Dr. Utz Claassen sei das Unternehmen "aus rechtlichen, ökonomischen und sozialen Gründen gezwungen", gegen die Gesetze vorzugehen. Einerseits, so Claassen, gehe es um den Schutz der Arbeitsplätze des Unternehmens sowie die Sicherung des Energiestandortes Baden-Württemberg und andererseits um die Wahrung der Interessen der Aktionäre. "Hier müssen wir zwangsläufig und ohne jeden Zweifel tätig werden, um Schaden abzuwenden". Mit Sorge sieht die EnBW, dass die Gesetze dazu führen könnten, dass das Unternehmen wegen der deutlichen Benachteiligung gegenüber einzelnen Wettbewerbern möglicherweise in absehbarer Zeit keine neuen Kraftwerke in Baden-Württemberg mehr bauen kann.
Die Nachteile entstehen der EnBW hauptsächlich durch die unzureichende Ausstattung mit Zertifikaten für die Ersatzbereitstellung von Energie nach Abschaltung von Kernkraftwerken und durch eine erhebliche Ungleichbehandlung bei Kraftwerksneubauten im Rahmen der sogenannten "Übertragungsregelung".
Bei der Kernenergie sieht das Zuteilungsgesetz für die Ersatzbeschaffung von Energie bis zum Start eines neu zu bauenden Kraftwerkes für das Kraftwerk Obrigheim lediglich eine Zuteilung von 0,5 Mio. t CO2 pro Jahr vor. Nötig wären jedoch nach Berechnungen der EnBW Zertifikate von 2,2 Mio. t CO2 pro Jahr. Das Kernkraftwerk Obrigheim wird aus Sicht der EnBW hier anders behandelt und schlechter gestellt als jedes weitere im Rahmen des sogenannten Atomkonsenses noch abzuschaltende Kernkraftwerk, da für Obrigheim aufgrund der deutlich kürzeren Vorlaufzeit bis zum Abschalttermin die Möglichkeit eines rechtzeitigen Kraftwerksneubaus faktisch nicht besteht. Aufgrund der weiteren Stilllegungen von Kernkraftwerken in Baden-Württemberg (Neckarwestheim 1 - im Jahr 2009; Philippsburg 1 - im Jahr 2012) entsteht sukzessive auch im Kontext der Übertragungsregelung ein zunehmender Nachteil für die EnBW, da die EnBW einen weit höheren Kernenergieanteil aufweist als die Wettbewerber. Claassen: "Im Kern läuft diese Regelung faktisch auf eine nachträgliche Bestrafung für den Betrieb von Kernkraftwerken hinaus. Das jedoch kann nicht sein, weil die Vereinbarung zum Ausstieg aus der Kernenergie eine Diskriminierung der Kernenergie ausdrücklich ausschließt".
Ein noch größerer Wettbewerbsnachteil entsteht der EnBW aus der unterschiedlichen Behandlung von Ersatzanlagen für bestehende Anlagen und den so genannten Newcomer-Anlagen, zu denen insbesondere auch der Ersatz für stillgelegte Kernkraftwerke zählt. Das "Zuteilungsgesetz 2007" sieht beispielsweise vor, dass der Ersatz eines Braunkohlekraftwerkes vier Jahre lang in den Genuss der so genannten "Übertragungsregelung" kommt. Diese sieht vor, dass die Verschmutzungsrechte einer alten Anlage vier Jahre lang auf eine Ersatzanlage übertragen werden dürfen, die in der Regel jedoch weniger Emissionen aufweist. Die so entstehende Überausstattung mit Emissionszertifikaten, die eigentlich als Investitionsanreiz wirken soll, führt faktisch zu einer erheblichen Wettbewerbsverzerrung ohne ökologische Sinnhaftigkeit. In einer langfristigen Betrachtung könnte ein sehr große Mengen CO2 emittierender Energieversorger so jährlich bis zu 55 % mehr an Emissionszertifikaten erhalten: der damit einhergehende Wettbewerbsnachteil für die EnBW könnte auf der Grundlage eines Zertifikatpreises von 10 Euro pro Tonne CO2 bis zu 220 Mio. Euro pro Kraftwerk betragen.
Diese Bewertung hat ein unabhängiges energiewirtschaftliches Gutachten eines renommierten Consulting-Unternehmens ergeben. Danach muss die EnBW mit Wettbewerbsnachteilen von kumuliert über die vier Handelsperioden bis zu annähernd einer Milliarde Euro rechnen.
Der Vorstand der EnBW hat eine internationale Rechtsanwaltskanzlei beauftragt, bei der Europäischen Kommission in Brüssel darauf hinzuwirken, dass das Zuteilungsgesetz in seiner jetzigen Form nicht notifiziert wird. Die Ablehnung der Notifizierung würde die Bundesregierung dazu zwingen, den Verteilungsmechanismus des Gesetzes zu verändern. Sollte die EU-Kommission das Gesetz untätig passieren lassen, wird die EnBW vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) wegen eines Verstoßes gegen europäisches Beihilfen- und Wettbewerbsrecht klagen. Da die aus der Übertragungsregelung resultierende Begünstigung einzelner Unternehmen durch kostenlose Verteilung der Emissionszertifikate aus staatlichen Mitteln erfolgt, trägt die Zuteilung den Charakter einer staatlichen Beihilfe. Zudem stellt die Übertragungsregelung nach Auffassung der EnBW einen unzulässigen staatlichen Eingriff in den Wettbewerb dar. Diese Rechtsauffassung der EnBW wird durch ein Rechtsgutachten einer weiteren anerkannten Kanzlei gestützt.
Darüber hinaus verletzt die Übertragungsregelung gemäß rechtsgutachterlicher Einschätzung auch Grundsätze des deutschen Verfassungsrechts. Die EnBW bereitet deshalb eine entsprechende Klage vor deutschen Gerichten vor.
Die EnBW bekennt sich nachdrücklich zu der überragenden Bedeutung eines wirksamen globalen Klimaschutzes. Vorstandsvorsitzender Prof. Dr. Utz Claassen hierzu: "Wir sind ausdrücklich für die Idee des Emissionshandels als marktwirtschaftlichen Mechanismus zur langfristigen Optimierung an der Schnittstelle zwischen Ökonomie und Ökologie. Gerade deshalb darf der Emissionshandel jedoch nicht zu einem quasi planwirtschaftlichen Investitionslenkungsinstrument werden. Wir sind generell gegen die Zementierung bestehender Verschmutzungsstrukturen und für einen wirksamen Klimaschutz."
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