Taxi-Fahrer statt Professor
Den typisch akademischen Arbeitsplatz gibt es nicht mehr
Hamburg (ots)
Sie hätten Anwalt, Professor oder Managerin werden können, doch dann kam alles ganz anders: ein Jurist, der für Snowboard-Magazine schreibt, ein Wirtschaftswissenschaftler, der Taxi fährt, eine Diplom-Kulturwirtin, die ein Restaurant führt - lauter gescheiterte Existenzen? "Nein, nur in Deutschland sieht man das so eng", sagt der Leiter des Hochschulteams vom Hamburger Arbeitsamt, Thomas Vielhauer, in einem am Mittwoch veröffentlichten Bericht des Frauenmagazins "Maxi". Hierzulande werde immer noch erwartet, dass man brav sein Studium durchzieht und später in diesem Bereich arbeitet. Dabei sei es "vermessen, ein Studium zu beginnen, mit dem Ziel, Führungskraft zu werden". Den "typisch akademischen Arbeitsplatz" gebe es nämlich gar nicht mehr. Andere Experten bestätigen diese Meinung. Egal, was hinterher aus den Hochschülern wird - das Studium ist in jedem Fall eine Investition ins Leben.
So beobachtet etwa der Trendforscher Andreas Steinle seit langem, dass die Unternehmen bei Einstellungen immer weniger auf das Studienfach achten. "Welchen Abschluss man gemacht hat, ist heute nicht mehr so wichtig", sagt Steinle. Vielmehr zähle, dass man während des Studiums gelernt habe, "sich selbst zu organisieren und seine Kommunikationsfähigkeit zu entwickeln".
Dorothee Kellermann kann das in "Maxi" nur bestätigen. Die studierte Kulturwissenschaftlerin hat nach ihrem Universitätsabschluss ein Restaurant aufgemacht und niemals in einem akademischen Bereich gearbeitet. Trotzdem sei ihr Studium nützlich für sie gewesen, sagt die 30-Jährige. An der Uni habe sie gelernt, sich schnell in verschiedene Bereiche einzuarbeiten. Das sei ihr nach der Restaurant-Eröffnung eine große Hilfe gewesen: "Weinkunde, Personalführung, Hygieneverordnungen, das habe ich jetzt alles drauf", sagt Dorothee Kellermann.
Auch Bastian Martini ist zufrieden mit seinem beruflichen Werdegang. Der 33-jährige Vater einer Tochter fährt Taxi seitdem er sein Studium an der Hochschule für Wirtschaft und Politik in Hamburg abgeschlossen hat. Diese "Karriere"-Entscheidung bereut er nach eigenen Angaben nicht. "Der Job macht Spaß, und wenn ich auf Kunden warte, denke ich an Songtexten für meine Band herum", sagt der Hobby-Musiker. Der ausgebildete Jurist Sebastian Ring hält sein Studium sogar für "verschwendete Zeit". Es sei zwar "überwältigend" gewesen, "diesen persönlichen Fight" mit dem Examen durchgestanden zu haben, doch er habe danach lieber seine persönliche Leidenschaft für das Schreiben zum Beruf gewählt, sagt der 32-Jährige, der heute als Redakteur für Trendsport-Magazine arbeitet. Sebastian Ring: "Ich kann gut vom Journalismus leben."
Natürlich gibt es auch Gegenbeispiele. Die Betriebswirtschafts-Studenten von Professor Reinhard Priem in Oldenburg haben keine Schwierigkeiten, nach dem Studium einen Job zu finden. Sie sind Musterschüler. Aber den Professor macht das nicht so glücklich. Er wünscht sich mehr Kreativität, Engagement und Eigenständigkeit von den Wirtschafts-Experten. "Fast alle pauken doch nur fleißig vor sich hin und landen dann in Jobs, die wenig selbstbestimmtes Arbeiten erfordern", sagt der Hochschul-Lehrer. Da kann Taxi-Fahren mit Universitäts-Diplom bestimmt glücklicher machen.
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