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Die EU der Zukunft: "Vereinigte Staaten von Europa" oder "EU der zwei Geschwindigkeiten"?
Eurokrise, Flüchtlingskrise, der Aufstieg nationalistischer Parteien in zahlreichen Mitgliedstaaten und nicht zuletzt der Brexit - seit Jahren befindet sich die Europäische Union mehr oder weniger dauerhaft im Ausnahmezustand. Grund genug für die Staatengemeinschaft, sich Gedanken über die Zukunft und über verschiedene Reformansätze zu machen. Ein Überblick:
Das Weißbuch der EU-Kommission
Unter dem unmittelbaren Eindruck des britischen Volksentscheids für einen Austritt aus der EU legte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker Anfang März 2017 fünf mögliche Szenarien für die Zukunft der EU nach einem Brexit vor. Neben einem "Weiter so wie bisher", das keine gravierenden Änderungen vorsieht, hält er auch einen reinen Binnenmarkt für denkbar, bei dem zentrale politische und gesellschaftliche Aspekte der EU zurückgefahren würden. Das dritte Szenario mit dem Titel "Wer mehr will, tut mehr" sieht eine engere Kooperation einzelner Staaten in bestimmten Politikfeldern vor und damit ein "Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten". Unter dem Motto "Weniger, aber effizienter" würde sich die EU auf bestimmte Politikfelder konzentrieren, diese dann aber entscheidend mitbestimmen. Im fünften Szenario würden die einzelnen EU-Staaten gemäß dem Titel "Viel mehr gemeinsames Handeln" mehr Befugnisse an die Staatengemeinschaft abtreten.
Die "Vereinigten Staaten von Europa"
Bereits im Februar 2017 hatte das Europäische Parlament drei Entschließungen zur Zukunft der EU verabschiedet. Diese enthalten teils radikale Änderungsvorschläge für die EU selbst, die ihr zugrundeliegenden Verträge sowie für die Eurozone. So stellte der ehemalige belgische Premierminister und Vorsitzende der liberalen ALDE-Fraktion im EU-Parlament, Guy Verhofstadt, Pläne für die "Vereinigten Staaten von Europa" vor. Unter anderem will er die EU-Kommission deutlich verkleinern und zu einer Art Regierung der Union umfunktionieren. Daneben fordert er eine zweite Parlamentskammer mit Vertretern der Mitgliedsländer anstelle diverser Räte sowie eine Stärkung der gemeinsamen Außenpolitik. Zur Umsetzung bedürfte es einer Änderung der EU-Verträge. Ohne eine solche kämen dagegen die Vorschläge des deutschen Europa-Abgeordneten Elmar Brok aus: Auch er will den Rat in eine "wirkliche Gesetzgebungskammer" umwandeln und auch er will einen "EU-Finanzminister". Der dritte Bericht des Parlaments entwickelt Pläne für eine Stärkung der Eurozone. Ziel ist eine Angleichung der Euro-Ökonomien aneinander und ein verbesserter Schutz gegen Schocks von außen. Dafür werden unter anderem eine "Fiskalkapazität" mit eigenem Haushalt, ein Europäischer Währungsfonds und ein "Konvergenzkodex" vorgeschlagen.
Die Mitgliedstaaten
Zuletzt plädierte Anfang März 2019 Emmanuel Macron für umfassende Reformen in der EU. Neben einem EU-weiten Mindestlohn, besserem Grenzschutz und einer europäischen Asylbehörde forderte der französische Präsident eine Agentur zum Schutz der Demokratie, ein Verbot der Finanzierung europäischer Parteien durch "fremde Mächte", einen strengeren Umgang mit Unternehmen, die sich nicht an europäische Regeln halten sowie eine europäische Klimabank. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel reagierte eher zurückhaltend auf den Vorstoß. Sie hatte in der Vergangenheit für ein "Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten" und eine Entschlackung der vielen Regeln des Binnenmarkts geworben, eine Linie, die unter anderem auch von den Benelux-Staaten unterstützt wird. Es gibt aber auch radikalere Ansätze. Das kleine Slowenien zum Beispiel hat einen kompletten "Entwurf einer EU-Verfassung" vorgelegt.
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