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Chemnitz-Konzert im Verfassungsschutzbericht nicht als linksextremistisch eingestuft

Nach dem Bericht des sächsischen Verfassungsschutzes, der das bundesweit beachtete Chemnitzer Konzert "#wirsindmehr" in seinem Jahresbericht unter dem Kapitel Linksextremismus führt, werden Vorwürfe in den sozialen Netzwerken gegen das deutsche Staatsoberhaupt laut. Unter anderem wird verbreitet (http://dpaq.de/7qxeI): "Verfassungsschutz bestätigt: Bundespräsident Steinmeier rief zu linksextremem Chemnitz-Konzert auf!"

BEWERTUNG: Sachsens Verfassungsschutz hat das Konzert in seinem Jahresbericht im Kapitel über Linksextremismus genannt, unter anderem weil dort Autonome teilgenommen haben. Als linksextremistisch eingestuft wurde es nicht.

FAKTEN: Bei dem Konzert gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit stand am 3. September 2018 unter anderem die linke Punkband Feine Sahne Fischfilet aus Mecklenburg-Vorpommern auf der Chemnitzer Bühne. Das hatte seinerzeit eine öffentliche Debatte über die Musiker und ihre Liedtexte nach sich gezogen. Die sächsischen Verfassungsschützer stufen die Band als linksextremistisch ein.

Weil die sächsischen Verfassungsschützer das Konzert nun im Kapitel über Linksextremismus aufführen, gerieten sie nach Veröffentlichung ihres Jahresberichts am 14. Mai 2019 massiv unter Rechtfertigungsdruck. Daraufhin erklärte das Landesamt für Verfassungsschutz (http://dpaq.de/j8TIF), dass das Konzert "#wirsindmehr" selbst nicht als linksextremistisch eingestuft, sondern nur "in einzelnen Fällen für extremistische Agitation benutzt" wurde.

Konkret wird das Konzert im Verfassungsschutzbericht auf Seite 172 genannt (http://dpaq.de/THZcl). Dort steht es in einer Auflistung von mehreren öffentlichen Veranstaltungen im Jahr 2018 von oder mit Beteiligung von Autonomen. Das heißt aber nicht, dass die insgesamt 65 000 Konzertbesucher der linksextremistischen Szene zuzuordnen sind.

Als Gründe, dass das Konzert im Verfassungsschutzbericht auftaucht, gilt etwa der Auftritt von Feine Sahne Fischfilet, aber auch, dass im Publikum unter anderem Fahnen der Antifaschistischen Aktion gezeigt und Parolen wie "Nazis raus!" und "Alerta, alerta, Antifaschista!" skandiert worden sein sollen.

Insgesamt sieht der sächsische Verfassungsschutz außerhalb der Großstädte Leipzig und Dresden nur ein geringes linksextremistisches Personenpotenzial "im maximal unteren zweistelligen Bereich" (http://dpaq.de/jVicu).

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatte im Vorfeld des Chemnitzer Konzerts am 31. August 2018 auf Facebook eine Ankündigung geteilt und ermutigt, "in Chemnitz ein Zeichen für Mitmenschlichkeit und gegen Fremdenfeindlichkeit" zu setzen (http://dpaq.de/jgT8d). Initiiert hatte er die Veranstaltung nicht.

Gegen Kritik verteidigte er sich seinerzeit: "Sie können sich darauf verlassen, dass ich mich immer auf die Seite derjenigen stelle, die sich für die demokratischen Grundlagen dieses Staates einsetzen." (http://dpaq.de/exuLH)

Unter anderem verbreiteten nun der AfD-Bundestagsabgeordnete Götz Frömming (http://dpaq.de/gPQv1) sowie der stellvertretende AfD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Leif-Erik Holm (http://dpaq.de/OuUMQ), die falsche Behauptung, der Verfassungsschutz habe einen Aufruf Steinmeiers für ein linksextremes Konzert bestätigt.

Die Veranstaltung unter dem Motto "#wirsindmehr" war organisiert worden, weil es nach dem gewaltsamen Tod eines Deutschen in Chemnitz, für den zwei Flüchtlinge als verdächtig gelten, zu rechten und ausländerfeindlichen Krawallen in Chemnitz kam.

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Links:

Veröffentlichung bei Facebook: http://dpaq.de/7qxeI

Hinweis von Steinmeier auf Konzert "WIR SIND MEHR" bei Facebook: http://dpaq.de/jgT8d

Verfassungschutzbericht (Seite 172) zur Band Feine Sahne Fischfilet: http://dpaq.de/THZcl

Verfassungschutzbericht (Seite 169) zur autonomen Szene: http://dpaq.de/jVicu

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Kontakt zum dpa-Faktencheckteam: faktencheck@dpa.com

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