Jahrealter Kriminalfall aus Hannover - Täter längst verurteilt
Berlin (ots)
Die österreichische Internetseite «Wochenblick» stellt unter dem Titel «Deutsche Justiz außer Rand und Band» eine jahrealte Tat als aktuellen Kriminalfall dar. Auch die Seite «Journalistenwatch» behauptet, schon wieder sei ein «Messerstecher» für «unschuldig» befunden worden. Beide Texte verbreiten, ein gebürtiger Iraner habe «vor einem Jahr» eine junge Studentin erstochen. Der Prozess solle 2020 beginnen.
BEWERTUNG: Der Fall ist Jahre her, der Beschuldigte ist als Täter längst verurteilt worden.
FAKTEN: Zwei jüngst auf den Internetseiten «journalistenwatch.com» (http://dpaq.de/nh7ne) und «wochenblick.at» (http://dpaq.de/1cJ0X) veröffentlichte Artikel geben vor, ein vermeintlich aktueller Kriminalfall aus Hannover sei ein Beispiel für die angeblich lasche Strafverfolgung der deutschen Justiz. Die Staatsanwaltschaft habe bei dem Tötungsdelikt entschieden, gegen den Tatverdächtigen wegen Schuldunfähigkeit «keine Mordanklage zu erheben». Es wird behauptet, der Prozess werde im kommenden April vor dem Landgericht beginnen.
Die beschriebene Tat hat es gegeben - allerdings schon vor vielen Jahren. Wie die «Neue Presse» aus Hannover unter anderem im Januar 2013 berichtete (http://dpaq.de/F3bpY), erstach der paranoide Täter am 6. November 2011 seine Nachbarin, eine 24-jährige Studentin. Der Zeitung sagte der Vater des Opfers über den Prozess am Landgericht Hannover seinerzeit: «Ich habe gesehen, wie krank dieser Mensch ist.» Auch die «Hannoversche Allgemeine» berichtete damals (http://dpaq.de/cZDfU).
Das Urteil in dem Fall ist längst ergangen, nämlich am 17. April 2012. Der Deutschen Presse-Agentur liegt das Dokument des Landgerichts Hannover vor. Daraus geht hervor, dass der Beschuldigte in ein psychiatrisches Krankenhaus eingeliefert wurde. Der Verurteilte befand sich nach Ansicht der Richter bei der Tat im Zustand «einer paranoiden Schizophrenie». Diese stelle eine krankhafte seelische Störung im Sinne von Paragraf 20 des deutschen Strafgesetzbuches (StGB) dar, der die Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen regelt (http://dpaq.de/zh37a).
Das StGB sieht für Täter auch sehr schwerer Straftaten unter bestimmten Umständen eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus vor - für Menschen, die «eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit oder der verminderten Schuldfähigkeit begangen» haben.
In Paragraf 63 StGB heißt es (http://dpaq.de/5vLQb): Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus kann angeordnet werden, wenn von einem Täter «infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden [...], zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist.»
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Links:
Paragraf 20 StGB: https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__20.html
Paragraf 63 StGB: https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__63.html
«Neue Presse»-Artikel vom 29.3.2012: https://www.neuepresse.de/Hannover/Meine-Stadt/Hannover-Keine-Anklage-gegen-Sarahs-Moerder (archiviert: http://dpaq.de/MP38n)
«Neue Presse»-Artikel vom 28.1.2013: https://www.neuepresse.de/Hannover/Meine-Stadt/Tote-Sarah-Die-Zeit-heilt-nicht-alle-Wunden (archiviert: http://dpaq.de/vnFsy)
«HAZ»-Artikel vom 13.4.2013: https://www.haz.de/Hannover/Aus-der-Stadt/Uebersicht/Nachbar-soll-Sarah-erstochen-haben (archiviert: http://dpaq.de/Xu99f)
«Journalistenwatch»-Artikel vom 8.11.2019: https://www.journalistenwatch.com/2019/11/08/irre-schon-messerstecher (archiviert: http://dpaq.de/sc24b)
«Wochenblick»-Artikel vom 9.11.2019: https://www.wochenblick.at/deutsche-justiz-ausser-rand-und-band-iranischer-moerder-schuldunfaehig/ (archiviert: http://dpaq.de/U5U00)
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