Alle Storys
Folgen
Keine Story von dpa-Faktencheck mehr verpassen.

dpa-Faktencheck

Es gibt keine Geburtenexplosion bei Eisbären

Berlin (ots)

Im Netz macht die Behauptung die Runde, es gebe eine «Geburtenexplosion bei Eisbären». Susan Crockford, Zoologin aus Kanada, habe mit dieser Entdeckung den «Klimawandel widerlegt» und sei deshalb von der Universität of Victoria entlassen worden. (http://dpaq.de/PT6Vi)

BEWERTUNG: Der Klimawandel bedroht die Lebensräume der Eisbären dramatisch, wie zahlreiche Studien belegen. Renommierte Forscher sprechen der selbst ernannten Eisbären-Expertin Crockford jede wissenschaftliche Glaubwürdigkeit ab.

FAKTEN: Niemand weiß genau, wie viele Eisbären in der Arktis leben. Forscher schätzen ihre Zahl auf 26 000 Tiere (Stand 2016; http://dpaq.de/sLH1b). Doch der voranschreitende Klimawandel bedroht ihre Lebensgrundlagen, ihre Zahl schrumpft.

Das Problem beschreiben die kanadischen Biologen und Polarforscher Ian Stirling und Andrew Derocher von der University of Alberta: «Eisbären sind auf Meereis als Plattform angewiesen, von der aus Robben gejagt werden können, um lebensfähige Subpopulationen in freier Wildbahn zu erhalten. Wenn sich das Klima weiter erwärmt und Meereis beseitigt, werden Eisbären wahrscheinlich innerhalb von 30 bis 40 Jahren aus den südlichen Teilen ihres Verbreitungsgebiets verschwinden.» (http://dpaq.de/vO8EQ). Von 1987 bis 2011 ist die Eisbärenpopulation bereits um 30 Prozent gesunken, wie die Forscher berichten. (http://dpaq.de/uj53L)

Forscher des Alaska Science Centers in Anchorage (USA) kamen 2018 zum selben Ergebnis: Viele Eisbären könnten ihren Nahrungsbedarf schon heute nicht mehr decken, da sich die Jagdbedingungen wegen des Klimawandels immer weiter verschlechterten. Denn wenn das Eis durch die Erderwärmung immer weiter zurückgeht, müssen die Tiere länger wandern oder schwimmen, um feste Eisschollen zu finden, auf denen sie Robben jagen können (http://dpaq.de/1VskC).

Im Gegensatz zu den genannten Wissenschaftlern hat die kanadische Zoologin Susan Crockford nach eigener Aussage keinerlei Feldstudien betrieben (http://dpaq.de/RoB1f). Das heißt: Sie hat Eisbären nie in ihrer natürlichen Umgebung beobachtet und erforscht.

Ihre Aufsätze hat Crockford vorwiegend selbst auf ihrem Blog «Polar Bear Science» und nicht in anerkannten Fachmagazinen veröffentlicht. Damit entzog sie sich der sonst üblichen Qualitätskontrolle durch andere Forscher. (http://dpaq.de/5XhfL)

Kritiker weisen zudem darauf hin, dass Crockford monatliche Zahlungen des Heartland Institutes erhalten hat (http://dpaq.de/OAz9I). Das in Chicago ansässige Institut wurde unter anderem vom Mineralölkonzern ExxonMobil finanziert (http://dpaq.de/6AfxU).

Der anerkannte Eisbären-Experte Stirling (http://dpaq.de/mQHou) fällt ein vernichtendes Urteil über die Thesen Crockfords: Die Leugner des Klimawandels hätten sie zur Expertin aufgebaut, obwohl sie keinerlei wissenschaftliche Autorität besitze. «Wenn Sie eine Lüge oft genug erzählen, beginnen die Leute, daran zu glauben.» (http://dpaq.de/R9wOo)

   ---

Links:

Artikel von «anonymousnews» (archiviert): http://dpaq.de/PT6Vi

Artikel im Original (archiviert):

https://perma.cc/KPU7-KWM5

Bericht über globale Eisbärenpopulation: http://dpaq.de/sLH1b

Studie von Sterling/Derocher: https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/j.1365-2486.2012.02753.x

Artikel zu Eisbären in der Süddeutschen Zeitung: https://www.sueddeutsche.de/wissen/wissenschaft-eisbaeren-koennen-kalorienbedarf-kaum-decken-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-180201-99-886937

Infos zu Susan Crockford:

https://www.desmogblog.com/susan-crockford

Infos zum Heartland-Institute: https://www.desmogblog.com/heartland-institute

Blog von Susan Crockford (archiviert): https://web.archive.org/web/20171224191618/https://polarbearscience.com/about-2/

Aktueller Crockford-Blog:

https://polarbearscience.com/

Studie über Zahlungen von ExxonMobil: https://web.archive.org/web/20150726204316/http://www.ucsusa.org/sites/default/files/legacy/assets/documents/global_warming/exxon_report.pdf

Preisverleihung Sterling: https://www.finanzen.net/nachricht/aktien/scientist-ian-stirling-receives-ice-bear-lifetime-achievement-award-from-polar-bears-international-8212008

Stirling-Kritik an Crockford: https://thenarwhal.ca/polar-bears-chosen-bizarre-symbol-deny-climate-change-scientists-say/

Klimafakten.de zu Wissenschaftsleugnern: https://www.klimafakten.de/meldung/wie-wissenschaftsleugner-den-eisbaeren-als-zielscheibe-nutzen-und-welche-strategie

Klimafakten.de zu Eisbären: https://www.klimafakten.de/behauptungen/behauptung-die-zahl-der-eisbaeren-nimmt-trotz-klimawandel-zu

   ---

Kontakt zum dpa-Faktencheckteam: faktencheck@dpa.com

© dpa Deutsche Presse-Agentur GmbH. Die vorstehenden Inhalte sind urheberrechtlich geschützt. Jegliche Nutzung von Texten, Grafiken und Bildern ohne vertragliche Vereinbarung oder sonstige ausdrückliche Zustimmung der dpa ist unzulässig. Dies gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung und öffentliche Wiedergabe sowie Speicherung, Bearbeitung oder Veränderung. Alle Rechte bleiben vorbehalten.

Weitere Storys: dpa-Faktencheck
Weitere Storys: dpa-Faktencheck
  • 15.11.2019 – 11:35

    Jahrealter Kriminalfall aus Hannover - Täter längst verurteilt

    Berlin (ots) - Die österreichische Internetseite «Wochenblick» stellt unter dem Titel «Deutsche Justiz außer Rand und Band» eine jahrealte Tat als aktuellen Kriminalfall dar. Auch die Seite «Journalistenwatch» behauptet, schon wieder sei ein «Messerstecher» für «unschuldig» befunden worden. Beide Texte verbreiten, ein gebürtiger Iraner habe «vor einem ...

  • 15.11.2019 – 09:27

    Vergiftungsgefahr besteht nur bei falschem Gebrauch

    Berlin (ots) - Immer wieder taucht in den sozialen Netzwerken die Behauptung auf, Kinder sollten keine mit Fluorid versetzte Zahncreme nutzen. Die neue Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Zahnerhaltung, die Dosen bei Zwei- bis Sechsjährigen zu verdoppeln, versetzte Teile der Internet-Gemeinde in Aufregung (http://dpaq.de/kTLyS). BEWERTUNG: Eine Vergiftungsgefahr durch fluoridhaltige Zahncreme besteht nur bei ...

  • 14.11.2019 – 15:20

    Es gibt keine Zeugenaussagen über einen Messerangriff

    Berlin (ots) - Behörden, die die wahren Umstände einer Straftat verschleiern? Mit Blick auf einen vermeintlichen Messerangriff am Hamburger Landgericht versucht die Webseite «Deutschlandstimme», diesen Eindruck zu erwecken. Der Artikel spricht von Zeugenhinweisen auf «südländisch» aussehende Verdächtige und streut Gerüchte über die mögliche Verwicklung von arabischen Familienclans (http://dpaq.de/YdfKM). ...