Alle Storys
Folgen
Keine Story von dpa-Faktencheck mehr verpassen.

dpa-Faktencheck

Warnung vor nächtlichen Einbrechern nicht aktuell

Berlin (ots)

Wichtige Warnung oder blinde Panikmache? "Gestern Nacht wurde bei uns um 2:30 Uhr Sturm geklingelt", heißt es in einem Facebook-Beitrag vom 22. Juni 2020. Vor dem Haus habe ein blauer Kleintransporter mit osteuropäischem Kennzeichen geparkt. Vermutlich handelte es sich um Einbrecher, die darauf warteten, dass schlaftrunkene Bewohner ihnen die Tür öffnen. Der Vorfall sei bei der Polizei gemeldet worden, das Vorgehen "eine neue Einbrecher-Masche", warnt der Post (http://dpaq.de/ZK5MH).

BEWERTUNG: Die Warnung wird - gleich einem Kettenbrief - seit Wochen weitergegeben. Zwar gibt es eine ältere Pressemitteilung der Polizei Homburg, die über einen ähnlichen Vorfall im saarländischen Gersheim informiert. Seitdem wurden jedoch weder dort noch in anderen Städten, in denen die Geschichte meist wortgleich veröffentlicht wurde, weitere entsprechende Vorfälle gemeldet (Stand 26. Juni).

FAKTEN: Die Warnung kursiert spätestens seit dem 11. Juni in den sozialen Medien. Ein Facebook-User aus Rheinland-Pfalz postete die Geschichte um den Kleintransporter; wo genau sich der Vorfall ereignete, wird nicht genannt. Dieser Beitrag wurde rasch über 20.000-mal geteilt, hundertfach kommentiert, aber auch früh kritisiert: als Fake oder Panikmache.

Im Bearbeitungsverlauf ist zu sehen, dass der Verfasser darum drei Tage später, am 14. Juni, den Post änderte. Er ergänzte, dass er den Vorfall nicht selbst erlebt habe. Er habe davon auf Facebook gelesen und die Nachricht dann - unverändert und ohne Hinweis auf den eigentlichen Verfasser - selbst gepostet (http://archive.vn/DmBet).

Der warnende Text kursiert seither trotzdem weiter in den sozialen Medien und wird - noch immer - oft ohne jede Änderung weitergeleitet. Zeitangaben sind darum längst inkonsistent. So heißt es, der verdächtige Wagen sei am "Tag zuvor am 09.06.20" gesehen worden - in Beiträgen, die lange nach dem 10. Juni veröffentlicht wurden. Nur einige Postings enthalten den Hinweis, dass es sich lediglich um eine Kopie handele.

Ursprungsnachricht und deren Wahrheitsgehalt sind in Ansätzen nachzuvollziehen. Tatsächlich veröffentlicht die Polizei Homburg am 15. Juni 2020 eine Pressemitteilung über einen ähnlichen Vorfall, der sich am 10. Juni in der saarländischen Gemeinde Gersheim ereignet habe. Auch darin ist von nächtlichem Klingeln und einem polnischem Kleintransporter die Rede (http://dpaq.de/u7LNC).

Am selben Tag wie die Polizeimitteilung erscheint in der "Saarbrücker Zeitung" ein Bericht, in dem der vermeintliche Originalpost einer Frau zitiert wird, bei der nachts Sturm geklingelt worden sei. Der Wortlaut entspricht dem bei Facebook verbreiteten, ihr Post ist aber mittlerweile gelöscht. Auch ein anderes Paar habe die Zeitung über einen Überfall informiert (http://dpaq.de/BYjyY).

Die örtliche Polizei teilt zudem auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur (dpa) mit, dass auch Fahrzeug und Kennzeichen existierten, es handele sich um einen Leihwagen. Es ist darum plausibel, dass es einen nächtlichen Klingel-Überfall gegeben und eine Betroffene bei Facebook berichtet hat.

Ihr Bericht verbreitet sich nun kettenbriefartig in ganz Deutschland, ohne dass es weitere Anlässe gäbe. Denn die Polizei Homburg, die die Pressemitteilung veröffentlicht hatte, erklärt der dpa, es seien keine weiteren vergleichbaren Meldungen eingegangen. "Dementsprechend kann man nicht von einer neuen Masche sprechen."

Auch die Polizeiinspektion Neuwied sowie das Landeskriminalamt Hamburg, in deren Zuständigkeitsbereichen der Bericht ebenfalls Verbreitung fand, teilten der dpa auf Anfrage mit, dass dort beschriebene Fälle nicht bekannt seien.

Nichtsdestotrotz raten alle Beamten zur Vorsicht. Verdächtige Beobachtungen sollten weiterhin der Polizei mitgeteilt werden.

   ---

Links:

Beitrag auf Facebook: https://www.facebook.com/karin.titze.5/posts/2758731420905068 (archiviert: http://dpaq.de/ZK5MH)

Facebook-Post vom 11. Juni 2020 (am 14. Juni aktualisiert): https://www.facebook.com/sven.wehrum/posts/1895183083952557 (archiviert: http://archive.vn/DmBet)

Pressemitteilung der Polizei Homburg: https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/138521/4623444 (archiviert: http://dpaq.de/u7LNC)

Bericht in der "Saarbrücker Zeitung": www.saarbruecker-zeitung.de/saarland/saar-pfalz-kreis/gersheim/in-der-gemeinde-gersheim-ist-von-geplanten-ueberfaellen-die-rede_aid-51655073 (archiviert: http://dpaq.de/BYjyY)

   ---

Kontakt zum dpa-Faktencheckteam: faktencheck@dpa.com

© dpa Deutsche Presse-Agentur GmbH. Die vorstehenden Inhalte sind urheberrechtlich geschützt. Jegliche Nutzung von Texten, Grafiken und Bildern ohne vertragliche Vereinbarung oder sonstige ausdrückliche Zustimmung der dpa ist unzulässig. Dies gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung und öffentliche Wiedergabe sowie Speicherung, Bearbeitung oder Veränderung. Alle Rechte bleiben vorbehalten.

Weitere Storys: dpa-Faktencheck
Weitere Storys: dpa-Faktencheck
  • 26.06.2020 – 15:32

    Begriff "Jägermond" beschreibt keine Doppelsonnen

    Hamburg (ots) - Fotos rätselhafter Doppelsonnen kursieren in den sozialen Medien. In einem Beitrag bei Facebook heißt es, das Phänomen sei unter dem Namen "Jägermond" bekannt und entstehe, wenn die Erde ihre Achse ändere: "Der Mond und die Sonne werden gleichzeitig geboren und die Mondin reflektiert das Licht der Sonne mit solch einer Intensität dass sie an eine zweite Sonne erinnert." (https://perma.cc/7UPR-DR2J) ...

  • 26.06.2020 – 13:21

    Göring integrierte Kampforganisationen der NSDAP in die Polizei

    Berlin (ots) - Die Forderungen der Black-Lives-Matter-Bewegung seien "identisch mit jenen, die auch Hitler verwendet hat", heißt es, ohne diese zu benennen, in einem Facebook-Post. Darunter wird im englischen Text eines Sharepics behauptet, Hermann Görings erste Amtshandlung als Reichsminister im Jahr 1933 sei es gewesen, Polizeidienststellen die Finanzierung zu ...

  • 25.06.2020 – 17:12

    Gräber in Brasilien sind für Corona-Tote gedacht

    Berlin (ots) - Das ZDF soll in einem Bericht über Corona-Tote in Brasilien Bilder von Gräbern gesendet haben, die nicht tief genug seien. Die Fotos zeigen Arbeiter auf einem Friedhof, die nur bis zur Hüfte in ausgehobenen Gräbern stehen. "ZDF verbreitet weiterhin ungeniert #FakeNews", heißt es in einem Facebook-Beitrag dazu. "In der Regel werden Gräber zwischen 1,8 m und 2,2 m ausgehoben." (https://archive.vn/GsjMM) ...