Krankenstand in der Pflege so hoch wie nie: 7,72 Prozent
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Krankenstand in der Pflege:
Rekordwert von 7,72 Prozent
Beschäftigte in der Pflege fallen häufiger aus als andere Berufstätige. Starke Zunahme vor allem bei psychischen Erkrankungen.
Düsseldorf, 14.12.2022
Seit Jahren leiden Pflegeeinrichtungen unter Personalengpässen. Doch im vergangenen Jahr haben die Ausfallzeiten in weiten Teilen Nordrhein-Westfalens eine neue Dimension erreicht. Der Krankenstand ist auf den Rekordwert von 7,72 Prozent gestiegen, wie Auswertungen der AOK Rheinland/Hamburg zeigen. Die Beschäftigten in Alten- und Pflegeheimen sowie in der ambulanten Pflege wiesen damit im Branchenvergleich den höchsten Krankenstand auf.
Zu den auffälligsten Ergebnissen umfangreicher Analysen der Gesundheitskasse zählt auch die stark zunehmende seelische Belastung des Personals in der Pflege: Die Fallzahlen psychischer Erkrankungen haben sich bei Beschäftigten an Rhein und Ruhr von 2006 bis 2021 um fast 70 Prozent erhöht. Für den „Branchenbericht Pflege“ hat das Institut für Betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) die Arbeitsunfähigkeitsdaten von 85.000 bei der AOK Rheinland/Hamburg versicherten Arbeitskräften aus der stationären und der ambulanten Pflege analysiert, von denen der größte Teil in Nordrhein-Westfalen arbeitet.
Höchstwert bei AU-Tagen: Jede Arbeitskraft in der Pflege fiel 28,2 Tage aus
Seit 2017 nimmt der Krankenstand in der Pflege zu. Zuletzt ist er von 7,68 Prozent im Jahr 2020 auf 7,72 Prozent im vergangenen Jahr gestiegen. Das heißt, dass 2021 an jedem Tag durchschnittlich 7,72 Prozent der Beschäftigten krankgeschrieben waren. Vor zehn Jahren, also 2012, hatte der Wert bei 6,86 gelegen. Im Branchenvergleich folgten 2021 hinter der Pflege die Metallerzeugung mit einem Krankenstand von 7,61 Prozent, die Ver- und Entsorgungsbranche mit 7,35 Prozent sowie die öffentliche Verwaltung mit 7,26 Prozent. Am geringsten war der Krankenstand in der Informations- und Kommunikationsbranche mit 3,03 Prozent.
Ähnlich wie beim Krankenstand gab es in der Pflege auch bei der Dauer der Arbeitsunfähigkeiten (AU) und bei den AU-Tagen eine Zunahme. Eine Krankschreibung wurde im vergangenen Jahr für durchschnittlich 17,2 Kalendertage ausgestellt (2020: 17,0 Tage, 2019: 15,1 Tage). Die Arbeitsunfähigkeitstage haben 2021 den bisherigen Höchstwert von 28,2 AU-Tagen je Arbeitskraft erreicht (2020: 28,0 Tage, 2019: 27,4 Tage).
„Die Beschäftigten in der Pflege sind überdurchschnittlich hohen psychischen und physischen Belastungen ausgesetzt. Daher müssen in dieser Branche vor allem gute Arbeitsbedingungen im Fokus stehen. Neben der materiellen Ausstattung und einem adäquaten Personalschlüssel sind faire Dienstpläne und eine angemessene Entlohnung Faktoren, die den Pflegeberuf attraktiver machen“, sagt Rolf Buchwitz, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der AOK Rheinland/Hamburg.
Psychische Erkrankungen: Fallzahlen stiegen seit 2006 um 70 Prozent
Die Auswertungen der AOK Rheinland/Hamburg zeigen, dass Frauen in der Pflege seltener arbeitsunfähig werden als Männer. Im Jahr 2021 kamen auf jede Frau durchschnittlich 1,49 AU-Fälle, auf jeden Mann 1,68 AU-Fälle. Im Falle einer Erkrankung fielen Frauen allerdings wesentlich länger aus. 2021 ist jede erkrankte Frau in der Pflegebranche rund 3,3 Kalendertage länger dem Arbeitsplatz ferngeblieben als ein männlicher Kollege. Das schlägt sich auch im Krankenstand nieder: Bei den weiblichen Beschäftigten war er mit 8,15 Prozent im Jahr 2021 merklich höher als bei den Männern (5,88 Prozent).
Dass Frauen länger arbeitsunfähig sind, ist allerdings kein Phänomen der Pflegebranche. Die Ursache liegt häufig in der Art der Erkrankung. Beispielsweise wird Brustkrebs schon während des Erwerbslebens deutlich häufiger diagnostiziert als typische Krebserkrankungen von Männern wie Prostata- oder Lungenkrebs, die erst nach dem 60. Lebensjahr vermehrt auftreten. Frauen werden zudem häufiger wegen psychischer Erkrankungen wie etwa Depressionen behandelt. Solche Befunde sind meist mit langen Fehlzeiten verbunden, und in der Pflege sind viele Menschen davon betroffen, wie die Analysen des BGF-Instituts der AOK Rheinland/Hamburg zeigen.
Von 2006 bis 2021 haben sich in der Diagnosegruppe „Psychische Erkrankungen“ die Fallzahlen um fast 70 Prozent erhöht. Im Jahr 2021 haben psychische Störungen rund acht Prozent aller AU-Fälle in der Pflege ausgemacht. Damit waren sie die drittgrößte Diagnosegruppe. Zwischen Rhein und Ruhr sind die Beschäftigten damit durchschnittlich 7,9 Tage wegen psychischer Probleme ausgefallen – auf diesen Wert kam keine andere Branche.
An der Spitze der Diagnosegruppen standen Atemwegs- sowie Muskel-Skelett-Erkrankungen. 16 Prozent aller diagnostizierten AU-Fälle waren auf Erkrankungen der Atemwege zurückzuführen, 15 Prozent hatten mit Beschwerden wie Rückenschmerzen, Bandscheibenschäden oder Schulterläsionen zu tun.
„Die Belastungen müssen dringend aufgefangen werden. Es gilt, die Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass Mitarbeitende langfristig gesund und motiviert bleiben. Mit einem nachhaltigen betrieblichen Gesundheitsmanagement können Einrichtungsleitungen die psychische und körperliche Gesundheit ihrer Beschäftigten stärken“, sagt Andreas Schmidt, Geschäftsführer des BGF-Instituts.
Die AOK Rheinland/Hamburg und das BGF-Institut unterstützen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber dabei, Belastungen ihrer Beschäftigten zu identifizieren und zu reduzieren. Infos: www.aok.de/fk/betriebliche-gesundheit und unter www.bgf-institut.de
INFOKASTEN:
Corona in der Pflegebranche
Im Jahr 2021 sind auf 100 Beschäftigte in der Pflege im Gebiet der AOK Rheinland/Hamburg 4,1 AU-Fälle mit der Diagnose Corona gekommen. Corona hat zu 52,9 Ausfalltagen je 100 Versicherte geführt.
Die Umsetzung von Hygienemaßnahmen (z.B. Abstandsregeln oder das Arbeiten im Homeoffice) ist in der Pflegebranche schwer möglich. Körpernahe Dienstleistungen setzen einen direkten Kontakt voraus. Allerdings sind viele Beschäftigte priorisiert gegen Covid-19 geimpft worden.
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