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Krankenschein per Mausklick? Vorsicht bei Anbietern aus dem EU-Ausland (PM)

Krankenschein per Mausklick? Vorsicht bei Anbietern aus dem EU-Ausland (PM)
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Krankenschein per Mausklick?

Vorsicht bei Anbietern aus dem EU-Ausland

Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) per Telefon? Noch ist das möglich, doch es mehren sich Stimmen, dieses Angebot abzuschaffen. Gleichzeitig gibt es eine weitere – nicht weniger umstrittene – Option: das Attest aus dem Internet. Unternehmen – oft mit Sitz im EU-Ausland – bieten die gelben Scheine schnell und für kleines Geld an. Eine Praxis, die nicht ganz ohne ist, wie Juliane Beckmann, Juristin beim Europäischen Verbraucherzentrums (EVZ), aus der Fallarbeit zu berichten weiß.

Ein exemplarischer Fall: Die Geschichte von Tobias S.

Tobias S. (Name geändert) ist neu in der Stadt. Für eine Ausbildung verlässt er seine Heimatstadt und wechselt den Wohnort. In der Vergangenheit hatte er mit psychischen Problemen zu kämpfen, war in Behandlung. Jetzt will er von vorn beginnen. Eine ganze Zeit lang läuft es gut. Doch mit dem Prüfungsstress kommt auch das emotionale Ungleichgewicht zurück. Er sucht Hilfe, doch obwohl – oder gerade, weil – er in einer Großstadt lebt, ist es schier unmöglich einen kurzfristigen Termin bei einem Therapeuten zu bekommen. Er ist verzweifelt, hat Angst seine Ausbildung zu verlieren, kann aber die Prüfungen nicht absolvieren. Er braucht eine Auszeit, geht im Internet auf die Suche. Und trifft dort auf die vermeintliche Rettung: Eine Internetseite verspricht ihm für 19 Euro eine Krankschreibung. Er muss einen Fragebogen ausfüllen und bekommt das Attest direkt auf sein Handy geschickt. Das Unternehmen wirbt mit 100 prozentiger Akzeptanz der Bescheinigung, Tobias fällt ein Stein vom Herzen. Das erlösende Dokument schickt er direkt an seinen Arbeitgeber. Zunächst hört er nichts, also scheint alles gut gegangen zu sein. Doch einige Tage später meldet sich seine Ausbildungsstelle: Irgendetwas stimmt mit seiner Bescheinigung nicht. Der emotionale Stress schlägt mit gleich doppelter Wucht zurück…

Hallo Frau Beckmann, ich habe den Fall natürlich anonymisiert. Aber er ist in etwa so auf Ihrem Schreibtisch gelandet. Der junge Mann bittet nun das EVZ um Hilfe. Was können Sie und das juristische Team für ihn tun?

Die verpasste Prüfung können wir natürlich nicht retten. Das EVZ kann ihn aber hinsichtlich seiner Rechte gegenüber dem Online-Dienstleister beraten. Beispielsweise könnte er sein Geld für das Attest zurückfordern: Bei Überprüfung der von ihm gewählten Plattform fiel uns auf, dass die sogenannte "Button“-Lösung auf der Anbieter-Webseite nicht eingehalten wurde. Wenn auf der Seite nicht klar ersichtlich ist, dass ein kostenpflichtiger Dienst abgeschlossen wird, ist der Vertrag nicht wirksam und es entsteht keine Zahlungspflicht. Auch über das Widerrufsrecht wurde in diesem Fall nur unzureichend informiert.

Ein Gutes hat dieser Fall aber zumindest: Er hilft uns präventiv tätig zu werden und andere Verbraucher vor möglichen Konsequenzen zu warnen. Was schnell und unkompliziert erscheint, kann zu großen Problemen mit Arbeitgeber oder Prüfungsamt führen.

Was sollten Verbraucher allgemein zu Online-Krankschreibungen wissen?

Auf manchen Homepages, die im EU-Ausland betrieben werden, reicht es ein Formular auszufüllen – Das ist rechtlich fragwürdig. Verbraucher werden in die Irre geführt: Zwar unterscheiden die Anbieter zwischen Krankschreibung ohne Videogespräch und mit Gespräch und weisen in den FAQ darauf hin, dass die AU ohne Gespräch vom Arbeitgeber abgelehnt werden kann. Dennoch werden diese AU-Bescheinigungen häufig gleichzeitig als „garantiert gültig“ beworben. In der Praxis entfalten Bescheinigungen ohne ärztliches Gespräch allerdings nur einen geringen Beweiswert.

Sind solche Atteste also generell fraglich?

Nicht immer. Auch nach einer Video- oder Telefonsprechstunde können Krankschreibungen unter bestimmten Bedingungen zulässig sein, vorausgesetzt, es findet ein persönlicher Kontakt zwischen Arzt und Patient statt. Auch Privatärzte, die nicht zur kassenärztlichen Versorgung gehören, dürfen AU-Bescheinigungen ausstellen – allerdings nur, wenn es sich um approbierte Ärzte handelt. Wer einen Online-Service zur Erstellung einer AU in Anspruch nimmt, weiß aber letztlich nicht ganz genau, woher sein Attest stammt. Und das kann sehr problematisch werden. Arbeitgeber können AUs, an deren Echtheit sie zweifeln, der Krankenkasse melden, die dann eine Überprüfung durch ihren Medizinischen Dienst veranlassen kann. Zweifel bestehen oft, wenn gesetzlich Versicherte private AUs vorlegen oder die vermerkte Praxis schwer oder gar nicht auffindbar ist.

Das passt aber nicht zu den Werbeversprechen auf den Homepages: „Zuverlässig“, „sicher“, oder „100 Prozent Lohngarantie“…

Ja, solche Aussagen suggerieren eine Sicherheit, die in der Realität nicht besteht. Einige Plattformen erlauben AUs bis zu drei Tage rückwirkend und bis zu sieben Tage lang, obwohl die entsprechende deutsche AU-Richtlinie Rückdatierungen nur in Ausnahmefällen zulässt. Ebenso wenig wird darauf hingewiesen, dass eine AU von dem Arzt bisher „unbekannten Versicherten“ nur für maximal drei Tage erfolgen sollte. Trotzdem finden Rückdatierungen oft ohne Prüfung statt; in dem uns vorliegenden Fall sogar für 13 Tage. Einige Anbieter versprechen sogar eine Rückzahlung, wenn das Dokument nicht anerkannt wird. Verbraucher melden aber, dass das oft nicht eingelöst wird.

Was können Verbraucher stattdessen tun?

Der beste Weg führt über den eigenen Hausarzt, da hier meist eine bestehende Patientenbeziehung vorliegt und der Service für gesetzlich Versicherte in der Regel kostenlos ist. Geht es nicht über den eigenen Arzt, gibt es für gesetzlich Versicherte einen Service der Kassenärztlichen Bundesvereinigung ( 116117 Terminservice: Arzttermine für gesetzlich Versicherte online buchen). Dort erhalten Verbraucher zeitnah Termine in Arztpraxen.

Das sind zwei sichere und legitime Wege, um eine Krankschreibung zu bekommen.

Denn auch wenn der Weg übers Internet verführerisch schnell erscheint – er kann viel Ärger mit sich bringen.

Ihr Kontakt für Presseanfragen: Maren Dopp

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