Leibniz-Institut für Bildungsverläufe
Studie ReGES zieht nach 5 Jahren Bilanz: Geflüchtete im Bildungssystem
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Geflüchtetenstudie ReGES zieht Bilanz: Befunde zur Integration geflüchteter Kinder und Jugendlicher in das deutsche Bildungssystem
Die Studie ReGES – Refugees in the German Educational System hat über 4.800 geflüchtete Kinder und Jugendliche über einen längeren Zeitraum hinweg begleitet und untersucht, wie gut die Integration in das deutsche Bildungssystem gelingt. Ein Transferbericht fasst nun zentrale Befunde zur Betreuung geflüchteter Kinder in Kindertageseinrichtungen und zur Beschulung geflüchteter Jugendlicher zusammen. Die Auswertungen der erhobenen Daten zeigen, dass die Integration in verschiedenen Bildungsbereichen durchaus gelingt, aber sie geben auch Hinweise auf Unterstützungsbedarfe und Herausforderungen. Besonders der Sprachförderung kommt dabei eine Schlüsselrolle zu.
ReGES ist eine Längsschnittstudie, die über 4.800 Kinder und Jugendliche mit Fluchthintergrund begleitet. Sie ist im Juli 2016 am Bamberger Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi) gestartet und wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Zum Abschluss des Projekts ReGES wurden nun die Analysen verschiedener Forscherinnen und Forscher in einem Transferbericht zusammengefasst. Dieser bietet einen umfangreichen Überblick über bisherige Befunde und zeichnet dabei ein differenziertes Bild über die Integration von geflüchteten Kindern und Jugendlichen an verschiedenen Punkten im deutschen Bildungssystem. Die Befunde reichen in ihren Implikationen deutlich über den formalen Bildungsbereich hinaus.
Geflüchtete Kinder deutlich seltener in Kindertageseinrichtungen betreut
Im Rahmen der Studie wurden 2.405 Kinder im Alter von mindestens vier Jahren, die zum ersten Befragungszeitpunkt noch nicht eingeschult waren, und ihre Eltern befragt. 79,2 % der Kinder besuchten eine Kindertageseinrichtung. Die Besuchsquote der untersuchten Geflüchteten bleibt deutlich hinter der anderer Gruppen Gleichaltriger zurück. Dabei erachten Dr. Jutta von Maurice und Dr. Gisela Will, die beiden Verfasserinnen des Transferberichts, den Besuch einer Kindertageseinrichtung gerade für Kinder mit Fluchthintergrund als sinnvoll und wichtig. Die Familien, deren Kinder keine Kindertageseinrichtung besuchten, gaben als Grund hierfür am häufigsten an, dass kein Betreuungsplatz verfügbar war. Die Problemlage von Geflüchteten geht aber darüber hinaus, so die Autorinnen des Transferberichts, da etwa einige Eltern hier von fehlenden Informationen berichten.
„Ein erfreuliches Ergebnis ist, dass 94,1 % der befragten Erzieherinnen und Erzieher die Integration der Kinder mit Fluchthintergrund in ihrer Einrichtung als gelungen einschätzen“, so Jutta von Maurice, Leiterin der ReGES-Studie. Es dürfe aber nicht unerwähnt bleiben, dass damit 5,9 % nicht von einer gelingenden Integration berichten.
Deutsche Sprache als Schlüsselkompetenz
Im Rahmen der Studie wurden 2.415 geflüchtete Jugendliche im Alter zwischen 14 und 16 Jahren dazu befragt, wie sie ihre sprachlichen Fähigkeiten im Allgemeinen (Verstehen, Sprechen, Lesen, Schreiben) und mit Bezug auf spezielle Anwendungsfälle einschätzen. Die erhobenen Daten weisen auf deutliche Kompetenzunterschiede in Alltags- und Bildungssprache hin.
Während die befragten Jugendlichen ihre Fähigkeiten im Allgemeinen häufig als „eher gut“ oder sogar „sehr gut“ einschätzen, zeigt die differenzierte Erhebung ein deutlich komplexeres Bild: So können 93,0 % jemanden begrüßen oder sich vorstellen, aber nur 41,1 % können den meisten Fernsehsendungen problemlos folgen. Und schließlich können nur 18,7 % Literatur und Sachbücher lesen und 15,2 % nach eigenen Angaben anspruchsvolle Texte schreiben. „Die Befunde zur Sprachkompetenz weisen sehr deutlich auf die Notwendigkeit von Sprachfördermaßnahmen hin. Hier alarmiert der Befund, dass 64,9 % der Jugendlichen zum Erhebungszeitpunkt an keiner Maßnahme zur Förderung der Deutschkompetenzen teilnahmen“, so Prof. Dr. Hans-Günther Roßbach, ehemaliger Direktor des Bamberger Leibniz-Instituts für Bildungsverläufe und einer der Antragsstellenden der Studie. Er fordert daher den Ausbau von Angeboten der schulischen und außerschulischen Sprachförderung.
Große Herausforderungen in den Schullaufbahnen geflüchteter Jugendlicher
Die befragten Jugendlichen gaben im Rahmen der Studie Auskunft zum Schulbesuch vor, während und nach ihrer Flucht. „Die Daten zeigen unter anderem, dass die Schullaufbahn der befragten Jugendlichen aufgrund der Flucht und im Zuge des Ankommens in Deutschland durchschnittlich länger als ein Jahr unterbrochen war“, so Gisela Will. Die anschließende Beschulung in Deutschland erfolge überdies häufig in niedrigeren – dem Alter der Jugendlichen nicht entsprechenden – Klassenstufen. Gisela Will, Projektkoordinatorin der Studie ReGES, betont, dass man mögliche Kumulationen der Risiken in den Bildungswegen geflüchteter Jugendlicher im Blick behalten müsse.
Verbesserte Datenlage über die Situation Geflüchteter im deutschen Bildungssystem
Im Rahmen von ReGES wurden geflüchtete Kinder und Jugendliche sowie ihre Familien zu mehreren Zeitpunkten (= Erhebungswellen) befragt. Eltern und Jugendliche machten Angaben zu persönlichen und fluchtspezifischen Merkmalen sowie zu ihrem Leben und ihren Bildungserfahrungen in Deutschland. Die Geflüchteten hatten auch Gelegenheit, über Bildungsziele und Zukunftswünsche zu berichten. Auch Daten der pädagogischen Fachkräfte sowie der haupt- und ehrenamtlich in den Gemeinden und Gemeinschaftsunterkünften Tätigen wurden erhoben. So konnte die Studie ReGES eine reichhaltige Datenbasis über die Situation von geflüchteten Kindern und Jugendlichen im deutschen Bildungssystem schaffen, die in Kürze auch der wissenschaftlichen Gemeinschaft zur Nutzung zur Verfügung steht. Die bislang publizierten Arbeiten beziehen sich vorwiegend auf die erste Erhebungswelle. Weitere Analysen mit den Daten der späteren Erhebungswellen sind in Vorbereitung.
Neue Studie am LIfBi: „Bildungswege von geflüchteten Kindern und Jugendlichen“
Ende Januar wurde die Förderung eines neuen Projekts „Bildungswege von geflüchteten Kindern und Jugendlichen“ vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) bewilligt, das auf dem Datenbestand der Studie ReGES aufbaut. Das Projekt untersucht mit längerfristiger Perspektive Bildungswege sowie Bildungsentscheidungen von jungen Geflüchteten an zentralen Schnittstellen des deutschen Bildungssystems.
Der vollständige Bericht zum Projekt ReGES ist auf www.lifbi.de/Transferberichte zu finden.
6.251 Z. inkl. Leerzeichen
Über das Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi)
Das Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi) in Bamberg untersucht Bildungsprozesse von der Geburt bis ins hohe Erwachsenenalter. Um die bildungswissenschaftliche Längsschnittforschung in Deutschland zu fördern, stellt das LIfBi grundlegende, überregional und international bedeutsame, forschungsbasierte Infrastrukturen für die empirische Bildungsforschung zur Verfügung.
Kern des Instituts ist das Nationale Bildungspanel (NEPS), das am LIfBi beheimatet ist und die Expertise eines deutschlandweiten, interdisziplinären Exzellenznetzwerks vereint. Großprojekte, an denen das LIfBi beteiligt oder führend ist, sind neben der Geflüchtetenstudie ReGES auch das schulbezogene Inklusionsprojekt INSIDE oder die Förderstudie für benachteiligte Kinder und Familien BRISE. Grundlage dafür sind die eigenen Forschungs- und Entwicklungsarbeiten, insbesondere die fundierte Instrumenten- und Methodenentwicklung für längsschnittliche Bildungsstudien, von der auch andere Infrastruktureinrichtungen und -projekte profitieren.
BILDMATERIAL:
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- LIfBi-Logo ( Download)
- LIfBi Außenansicht Wilhelmspost( Download)Verwendung nur unter Angabe von: Foto: Jürgen Schabel/Universität Bamberg
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Dr. Florian Mayer Telefon: +49 951 863-3573 Mobil: +49 172 911 82 84 E-Mail: kommunikation@lifbi.de
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