Leibniz-Institut für Bildungsverläufe
Neue Studie: Warum angehende Lehrer:innen sich von der Schule abwenden
Warum angehende Lehrer:innen sich von der Schule abwenden
Das Lehramtsstudium ist abgeschlossen, nun beginnt das Referendariat. Dieser Automatismus gilt nicht für jede angehende Lehrkraft. Eine von fünf wendet sich nach erfolgreichem Studium zunächst vom Lehramtsberuf ab. Das verschärft den aktuell stark diskutierten Mangel an Lehrerinnen und Lehrern zusätzlich. Aus welchen Gründen potenzielle Lehrkräfte den Wechsel in den Schuldienst vermeiden, zeigt eine aktuelle Auswertung von Daten des Lehramtsstudierenden-Panels, das einen Teilbereich des Nationalen Bildungspanels bildet.
Für die Untersuchung wurden Daten von insgesamt 2.302 Personen ausgewertet, die zwischen 2010 und 2019 ein Lehramtsstudium abgeschlossen haben. 80 % der Absolventinnen und Absolventen nehmen im ersten Jahr nach dem Studienabschluss ein Referendariat auf oder beginnen direkt als Lehrerin oder Lehrer zu arbeiten. Die übrigen 20 % wenden sich zunächst vom Schuldienst ab, d.h. sie studieren weiter, promovieren, sind arbeitssuchend, in Elternzeit oder nehmen eine Tätigkeit außerhalb des Schuldienstes auf.
Familienfreundliches Lehramt
Mit einer sogenannten multivariaten Analyse konnten die Forschenden ermitteln, welche Faktoren die Wahrscheinlichkeit erhöhen, nach dem Studium in den Schuldienst einzutreten – oder eben nicht. Ein Merkmal ist zunächst das Geschlecht. So haben Frauen generell eine um 9 % höhere Wahrscheinlichkeit, an eine Schule zu wechseln. Dazu passen motivationale Faktoren: Personen, die sich für den Lehrkraftberuf wegen der guten Vereinbarkeit von Beruf und Familie entschieden haben, wechseln auch sehr häufig direkt ins Referendariat.
Gute Abschlussnoten hingegen sind ein Faktor, der Menschen vom Schuldienst abhält. Leistungsmäßig besonders herausragende Absolventinnen oder Absolventen nehmen häufiger eine Tätigkeit ohne Schulbezug auf. Möglicherweise haben sie mehr Optionen auf dem Arbeitsmarkt oder verbleiben an der Universität um zu promovieren.
Lehrkräfte verzweifelt gesucht
Besonders interessant wird es, wenn die Forschenden sich die Fächerkombinationen oder die Art des Studienabschlusses ansehen. So führt der in einigen Bundesländern angebotene Abschluss des „Master of Education“ dazu, dass Absolventinnen oder Absolventen direkt damit beginnen, als Lehrkraft zu arbeiten. Unterstützt wird dieser Trend möglicherweise durch den starken Fachkräftemangel, der den Weg in den Lehrkraftberuf auch ohne zweites Staatsexamen ermöglicht.
MINT ist Trumpf
Auch wer mindestens ein Fach aus der MINT-Fächergruppe, also Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften oder Technik, studiert hat, beginnt mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Referendariat im Anschluss an das Studium. Personen hingegen, die bei der Wahl des Studiums vor allem auf die Wünsche von Angehörigen gehört oder ein Fach aus großem Fachinteresse heraus gewählt haben, wenden sich nach dem Studium eher von der Schullaufbahn ab.
„Insgesamt lässt sich sagen, dass es nicht den einen Faktor gibt, der Menschen vom Schuldienst abhält. Mit Blick auf den Fachkräftemangel sollte das Lehramt aber zukünftig so attraktiv gestaltet werden, dass insbesondere Männer und leistungsstarke Personen keine alternativen Karrierewege einschlagen“, so Sebastian Franz, Mitautor der Studie.
Alle Ergebnisse der Auswertung finden sich im vollständigen Bericht „Wer beginnt nach dem Lehramtsstudium das Referendariat?“ der auf www.lifbi.de mit weiteren Hintergrundinformationen zum Download bereit steht.
Über das Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi)
Das Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi) in Bamberg untersucht Bildungsprozesse von der Geburt bis ins hohe Erwachsenenalter. Um die bildungswissenschaftliche Längsschnittforschung in Deutschland zu fördern, stellt das LIfBi grundlegende, überregional und international bedeutsame, forschungsbasierte Infrastrukturen für die empirische Bildungsforschung zur Verfügung.
Kern des Instituts ist das Nationale Bildungspanel (NEPS), das am LIfBi beheimatet ist und die Expertise eines deutschlandweiten, interdisziplinären Exzellenznetzwerks vereint. Großprojekte, an denen das LIfBi beteiligt oder führend ist, sind die Geflüchtetenstudie BildungswegeFlucht, das schulbezogene Inklusionsprojekt INSIDE oder die Studie Data Literacy zur Erhebung der datenbezogenen und digitalen Kompetenzen der bundesdeutschen Bevölkerung. Grundlage dafür sind die eigenen Forschungs- und Entwicklungsarbeiten, insbesondere die fundierte Instrumenten- und Methodenentwicklung für längsschnittliche Bildungsstudien, von der auch andere Infrastruktureinrichtungen und -projekte profitieren.
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