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Patient:innen zurück auf den Schwarzmarkt? - Gemeinsamer Bundesausschuss bedroht etablierte Versorgung von schwerstkranken Patient:innen mit Cannabis als Medizin

Steinheim (ots)

"Es besteht die Gefahr, dass schon bald wieder viele schwerstkranke Patient:innen in den Schwarzmarkt zurück gezwungen werden", ist die einhellige Meinung der Fachverbände von Patient:innen, Ärzt:innen, Apotheker:innen und Herstellern auf den neuen Richtlinienentwurf des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) zum zukünftigen Umgang mit Cannabis als Medizin. Heute wurden die Stellungnahmen verschiedener Verbände beim G-BA eingereicht.

Der am 01.11.2022 veröffentlichte Richtlinienentwurf des G-BA wird unter anderem vorgeschlagen, dass getrocknete Cannabisblüten nur noch nach besonderer Begründung verordnet und erstattet werden dürfen. Gleichzeitig wird angeregt, dass es zukünftig nur noch bestimmten Fachärzt:innen erlaubt sein soll, Rezepte für Cannabis-basierte Medikamente auszustellen. Hausärzt:innen wären bei der Versorgung von Patient:innen damit außen vor. Darüber hinaus werden zahlreiche und zusätzliche bürokratische Hürden empfohlen, die das Verordnen von Cannabis in den unterschiedlichen Applikationsformen weiter erschweren würden.

Im Jahr 2017 beschloss der Deutsche Bundestag das Cannabis-als-Medizin-Gesetz, welches den Weg für Therapien mit Cannabis in der Breite eröffnete und bis heute mehreren zehntausend Patient:innen mit schweren Krankheiten eine deutliche Steigerung ihrer Lebensqualität ermöglichte. Nach dem Willen von Teilen des G-BA soll die Versorgung der Bevölkerung mit Cannabis-basierten Medikamenten aber nicht etwa erleichtert, sondern weiter erschwert werden. Patient:innen würden dadurch im schlimmsten Falle (zurück) in die Illegalität gedrängt oder müssten ihre Therapie abbrechen, wenn ihnen der Zugang zu Therapien erschwert wird und sie nicht in der Lage sind, die Kosten dafür selbst zu tragen.

Nach Einschätzung der unterzeichnenden Verbände widersprechen die vom G-BA gegebenen Empfehlungen den Zielen und dem Willen des Gesetzgebers, die er mit dem Cannabis-als-Medizin-Gesetz seit 2017 verfolgte.

Darüber hinaus sind die vorgeschlagenen Neuregelungen - mit Blick auf die geplante Legalisierung von Cannabis als Genussmittel - ein Schlag ins Gesicht der Patient:innen, die seit Jahren erfolgreich mit Cannabis-basierten Medikamenten behandelt werden. Während darüber debattiert wird, Cannabis zu legalisieren, da die Gefahren für die Gesundheit durch den Schwarzmarkt mit den dazugehörigen Risiken zu groß sind, werden Patient:innen im schlimmsten Fall genau in diesen bzw. zum Eigenanbau gezwungen.

Weiterhin sind Teile des G-BA Richtlinienentwurfs ein direkter Angriff auf die Therapiefreiheit der Ärzt:innen. Während der aktuelle Rechtsrahmen bereits jetzt große Hürden für die Verschreibung von Cannabis als Medizin setzt, würden in Zukunft noch weniger Ärzt:innen in der Lage sein, über die richtige Behandlungsmethode für ihre Patient:innen zu entscheiden.

Nicht zuletzt beruhen die derzeitigen Entwürfe der neuen G-BA Richtlinie auf den Erkenntnissen der Begleiterhebung, welche einerseits nicht als wissenschaftliche Studie verstanden werden darf und andererseits nur einen Bruchteil der Patient:innen abbildet und damit nicht repräsentativ ist. Trotz dieser methodischen Einschränkung schlussfolgern die Verfasser der Begleiterhebung u.a., dass in nahezu 75% der Fälle durch die Anwendung von Cannabisarzneimitteln eine Besserung der Symptomatik erreicht wurde. Berichtete Nebenwirkungen waren häufig, aber in der Regel nicht schwerwiegend. Somit überrascht es sehr, dass die nun vorliegenden Entwürfe der neuen G-BA Richtlinie den Zugang für eine Cannabis-basierte Medikation insbesondere für Kassenpatient:innen deutlich einschränken würde.

Deutschland ist in den vergangenen fünf Jahren für seine Vorreiterrolle beim Umgang mit Cannabis als Medizin als Vorbild bewundert worden. Tausende schwerkranke Patient:innen konnten ihre Lebensqualität deutlich verbessern. Weltweit wurden Regierungen anderer Länder durch die deutschen Erfahrungen ermutigt, selbst entsprechende Schritte zu unternehmen. Doch heute stehen wir vor einer Rolle rückwärts bei Medizinalcannabis, während wir gleichzeitig im Genussmittelbereich drei Rollen vorwärts machen wollen. Und dies, obwohl viele bis heute un- und unterversorgte Patient:innen auf Verbesserungen im Cannabis-als-Medizin-Gesetz wie eine Abschaffung des Genehmigungsvorbehalts hofften.

Patient:innen brauchen ärztliche Begleitung und eine Möglichkeit der Erstattung durch die Krankenkassen. Wenn wir jetzt die Rolle rückwärts vollziehen, lassen wir die Schwächsten unserer Gesellschaft - die schwerkranken Patient:innen - im Regen stehen.

Die Verbände haben ihre Stellungnahmen gegen die vorgesehenen Verschlechterungen bei der Versorgung mit Cannabismedikamenten fristgerecht beim G-BA eingereicht und setzen sich weiter dafür ein, dass auch im Bereich Cannabis als Medizin Schritte nach vorn gemacht werden.

Pressekontakt:

Dr. med. Franjo Grotenhermen
Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin e.V.
E-Mail: info@arbeitsgemeinschaft-cannabis-medizin.de
Telefon: 05233 - 953 72 46

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