Hereon-Pressemitteilung: ERC Synergy Grant für Hereon-Forscher Christian Cyron
ERC Synergy Grant für Hereon-Forscher Christian Cyron
Der MechVivo ERC Synergy Grant-Antrag, den Professor Christian Cyron gemeinsam mit Kollegen der TU Graz und der ETH Zürich eingereicht hat, wird mit 10 Millionen Euro gefördert. Hereon ist die zentrale Gastinstitution.
Das Projekt MechVivo zielt darauf ab, eine neue Methode zur Bestimmung der mechanischen Eigenschaften von lebenden Geweben im menschlichen Körper zu entwickeln. Prof. Christian Cyron vom Helmholtz-Zentrum Hereon koordiniert das Projekt gemeinsam mit Prof. Gerhard A. Holzapfel von der Technischen Universität Graz und Prof. Sebastian Kozerke von der ETH Zürich. Für ihr gemeinsames Projekt stehen die Wissenschaftler in den Startlöchern, um einen Synergy Grant des Europäischen Forschungsrats (ERC) zu erhalten. Die Gesamtfördersumme beträgt rund 10 Millionen Euro, wovon 2,7 Millionen Euro auf Hereon entfallen.
Biomechanische Computersimulationen versprechen einen Wandel in der klinischen Gesundheitsversorgung. Bisher werden sie jedoch nur selten in der Praxis eingesetzt. Das Problem: Um zuverlässige biomechanische Computersimulationen durchführen zu können, müssen die mechanischen Eigenschaften der beteiligten biologischen Gewebe bekannt sein. Da diese von Patient zu Patient stark variieren, sind sie in der Regel nicht bekannt.
Hierauf werden Prof. Christian Cyron und seine Kollegen Prof. Gerhard A. Holzapfel (TU Graz) und Prof. Sebastian Kozerke (ETH Zürich) ihre Forschung im Projekt MechVivo konzentrieren. MechVivo steht im Deutschen für: Mechanische Charakterisierung von Weichgewebe in vivo durch mikrostrukturelle Bildgebung und physikbasierte neuronale Netze: Brückenschlag zwischen Biomechanik und klinischer Praxis. Das Projekt soll im Jahr 2025 beginnen und sechs Jahre laufen.
Neue MRT-Technologie und Software
Im ersten Schritt entwickeln Sebastian Kozerke und sein Team am Institut für Biomedizinische Technik der ETH Zürich und der Universität Zürich ein neues, klinisch relevantes Konzept für die Magnetresonanztomographie (MRT). Der Ansatz wird es erlauben, diffusionsabhängige Relaxationseigenschaften so zu kartieren, dass ein Fingerabdruck der Zusammensetzung und Mikrostruktur des Gewebes im schlagenden Herzen entsteht. Die Arbeit erfordert erhebliche methodische Fortschritte bei der Simulation von MRT-Sequenzen, dem Design und der Datenrekonstruktion, um das Konzept in ein zuverlässiges In-vivo-Bildgebungsinstrument zu verwandeln. Um den Fingerabdruck der Gewebeeigenschaften zu interpretieren, ist ein umfassendes Verständnis der Mikrostruktur und der mechanischen Eigenschaften von biologischem Gewebe und insbesondere der Beziehung zwischen beiden erforderlich.
Um dies zu erreichen, wird das Team der TU Graz seine Expertise in experimenteller Biomechanik einbringen: Die Forschungsgruppe von Gerhard A. Holzapfel am Institut für Biomechanik wird daran arbeiten, ein grundlegendes Verständnis der Beziehung zwischen Genexpression, Mikrostruktur und den mechanischen Eigenschaften von weichem biologischem Gewebe zu erlangen. Die Forscher werden die Gewebezusammensetzung bis in den Nanometerbereich abbilden, um daraus Rückschlüsse auf die mechanischen Eigenschaften zu ziehen. An Schweineherzen und menschlichen Spenderorganen werden ex vivo mechanische Tests und mikroskopische Analysen durchgeführt. Diese Testbelastungen sind den Bedingungen im lebenden Körper sehr ähnlich, so dass die mechanischen Eigenschaften der Organe außerordentlich realistisch bestimmt werden können.
Am Hereon werden Christian Cyron und sein Team am Institut für Werkstoffsystemmodellierung eine Software entwickeln, die die in Zürich und Graz gesammelten Daten in medizinisch nutzbares Wissen umwandelt. Die Software basiert auf maschinellem Lernen und künstlicher Intelligenz (KI) und soll einerseits die Beziehung zwischen den mikrostrukturellen Fingerabdrücken, die via MRT erfasst werden und den tatsächlichen mechanischen Eigenschaften von Geweben andererseits entschlüsseln. Ziel ist es, die mechanischen Eigenschaften von Geweben in vivo aus den mikrostrukturellen und kompositorischen Informationen abzuleiten, die mit der in diesem Projekt entwickelten neuartigen MRT-Technologie erfasst wurden. Das auf diese Weise gewonnene Wissen über die mechanischen Eigenschaften in vivo kann zur Parametrisierung von Computersimulationen verwendet werden, die die klinische Diagnose und Behandlung unterstützen können, zum Beispiel in Form von neuen implantierbaren Geräten.
Nutzen für die zukünftige Gesundheitsversorgung
Die leitenden Forscher werden bei der Entwicklung und Anwendung der Methodik eng mit Experten für präklinische und klinische Bildgebung an der Universität Zürich, der Medizinischen Universität Graz und dem Universitätsspital Zürich zusammenarbeiten. Der Nutzen für die klinische Versorgung wird in einer klinischen Studie in Zusammenarbeit mit Prof. Robert Manka am Universitätsspital Zürich evaluiert, die sich auf die Herzinsuffizienz mit erhaltener Auswurffraktion konzentriert, eine der wichtigsten Ursachen für kardiale Mortalität und Morbidität weltweit. Laut Cyron zielt MechVivo darauf ab, ein völlig neues Funktionsprinzip zu entwickeln, um die mechanischen Eigenschaften von Geweben in lebenden Organismen nichtinvasiv zu bestimmen. "Wenn das Projekt erfolgreich ist, könnte es zu einem Durchbruch führen, der biomechanische Computersimulationen in der klinischen Praxis viel besser nutzbar macht."
Cyron ist Direktor des Instituts für Werkstoffsystemmodellierung am Hereon und Leiter des Instituts für Kontinuums- und Werkstoffmechanik an der Technischen Universität Hamburg-Harburg (TUHH). Die Forschungsarbeit von MechVivo hat das Potenzial, in den von der TUHH geleiteten Antrag für ein Exzellenzcluster, das sich derzeit in der Evaluierungsphase befindet, im Bereich wassergetriebener Materialien - BlueMat - einzufließen, an dem Hereon beteiligt ist.
Der ERC Synergy Grant
Die vier Pionier-Förderungen des Europäischen Forschungsrats (ERC) - der Starting Grant, der Consolidator Grant, der Advanced Grant und der Synergy Grant - gelten allgemein als eine der höchsten Auszeichnungen, die Forscher aller Fachrichtungen in Europa erhalten können. Wissenschaftliche Exzellenz ist das einzige Kriterium, nach dem diese Finanzhilfen vergeben werden. Von den vier Pionierfinanzhilfen sind die Synergy Grants bei weitem die höchsten und werden am seltensten vergeben. Bei der Ausschreibung für die ERC-Synergy Grants 2024 erhielten etwas mehr als 10 Prozent der Anträge eine Förderung. Der ERC schreibt vor, dass „die mit den Synergy Grants geförderte transformative Forschung das Potenzial haben sollte, weltweit Maßstäbe zu setzen“.
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