Rote oder blaue Pille?
In "Matrix", dem amerikanischen Film, lebt die Menschheit in einer computergenerierten Traumwelt, aus der sich einige zu befreien versuchen. Dem Hauptdarsteller wird angeboten die blaue Pille zu schlucken, wodurch er in seiner Traumwelt verbleibt, oder die Rote, wodurch er die Wahrheit erkennt. Er entscheidet sich für die Wahrheit. Andreas Bertram versucht in seinem Beitrag, ein Gleichnis zwischen diesem Film (bzw. auch anderen Autoren) und seinem Buch zu herzustellen.
Zu den bekanntesten Werken, in denen die Zukunft der Menschheit vorausgedacht und beschrieben wurde, zählen wohl »Schöne Neue Welt« von Aldous Huxley und »1984« von George Orwell. Den meisten läuft ein Schaudern den Rücken herunter, wenn sie lesen, wie Menschen versklavt werden bzw. wie ein totalitärer Überwachungsstaat das menschenwürdige Leben erstickt. Und doch halten die meisten die Zukunftsvisionen der Autoren für eine reine Utopien, die kreativen Geistern mit viel Phantasie entsprungen sind. Nur einige wenige erkennen die Gefahr, dass es bereits Entwicklungen in unserer Gesellschaft gibt, die in den beiden Zukunftsromanen thematisiert wurden.
Heute nun haben Film und Fernsehen einen weitaus größeren Einfluss auf das Fühlen und Denken der Menschen als das gedruckte Wort. Deshalb wird viel in die Filmindustrie investiert, insbesondere in die Traumfabrik Hollywood, auf dass die Menschen in ihren Träumen verbleiben und keinen Wunsch verspüren die Realität zu sehen. Doch es gibt auch Ausnahmen. Im Film »Matrix« aus dem Jahre 1999 wird der Hauptdarsteller vor die Wahl gestellt, ob er weiterhin in seiner heilen Traumwelt leben möchte (dann solle er die blaue Pille schlucken), oder ob er bereit ist, sich der Realität zu stellen (rote Pille) und das mit der Konsequenz, dass er nie wieder in seine heile Traumwelt zurückkehren kann. Der Filmheld entscheidet sich für die rote Pille.
Als ich die Verse zu seinem Erstlingswerk »Gedichte zur richtigen Zeit« schmiedete, war ich überzeugt davon, dass mir die Leser mein Buch aus den Händen reißen würden. So war ich, als der Verkauf sehr stockend anlief, enttäuscht. Zum einen ist die Gedichtform nicht gerade verkaufsfördernd. Doch vor allem hatte ich nicht bedacht, dass dem weitaus größten Teil der Menschen schon während der Kindheit mit dem Schulunterricht die blaue Pille heimlich verabreicht worden war. Und nun, als Erwachsene sind sie zutiefst davon überzeugt, dass sie stets eine seriöse und objektive Berichterstattung erhalten und die Politiker alles Menschenmögliche für das Volk tun, ja sich manche sogar die Beine dafür ausreißen, dass es den Bürgern gut geht. Angesichts dieser Vorstellung glauben sie in einer schönen heilen Welt zu leben, die in Wahrheit eine mediale Scheinwelt ist. Und so musste ich erfahren, dass viele Menschen, für die mein Buch gedacht war und für die ich es geschrieben habe, um ihnen zu helfen der Wahrheit auf die Spur zu kommen, mir Unverständnis entgegenbringen, meine Ansichten ablehnen, ja mich bisweilen stigmatisieren und beleidigen. Und all das nur, weil meine Worte ihre schöne heile Welt in ihrer Existenz bedrohen. Leider war es schon immer so, dass die meisten Menschen in einer Finsternis leben, ohne diese als solche zu empfinden. Sie waren und sind zu keiner Zeit bereit, dem aufklärenden Licht der Wahrheit ins Auge zu schauen.
Doch wer geahnt hat, dass mit dieser Welt etwas nicht stimmt und sich bewusst für die rote Pille und damit für die Suche nach der Wahrheit entschieden hat, weiß meinen Gedichtband sehr zu schätzen. Heute erfreue ich mich einer kleinen aber feinen Leserschaft, die begeistert von der Wahrhaftigkeit und Treffsicherheit meiner Gedichte und die erstaunt darüber ist, dass ich schon vor Jahren vorhersehen konnte, wie sich die Gesellschaft in Deutschland entwickeln wird ‒ Leser, die mich einen Denker, ja sogar einen Vordenker nennen.
Andreas Bertram, Autor
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