Fèis Ìle 2022 auf Islay
Eine Institution für Whisky-Liebhaber ist das alljährlich um Pfingsten stattfindende Islay-Festival Fèis Ìle. Die schottische Insel lebt von Torf und Wasser. Der Atlantik spült frische Austern an. Was mehr bedürfte es eines Schriftstellers Herzens als ein paar glibbrige Proteine, die mit bewusstseinserweiternder Fassstärke weggespült würden. Was liegt also näher, als sich diesem Ereignis hinzugeben? 2020 ist es endlich so weit. Alles ist gebucht, doch die Politik hat es sich anders überlegt. 2021 sind die Inselbewohner übereifriger als die Politiker selbst, lassen keinen Fremden auf die Insel, 2022 breitet sich Omikron flächendeckend auf der Insel aus. Die geschürte Angst weicht der Realität, Zeit die Tore wieder zu öffnen und das Marketing von 2020 aufleben zu lassen. Welcome to Fèis Ìle 2022!
Besonders aus dem Plan hat es Ian McArther geworfen. 2020 sollte sein letztes Jahr bei Lagavulin sein, 60 Jahre war er schließlich dabei. Die Rente streckte den erbärmlichen Arm nach dem kleinen gedrungenen Mann mit breitem schottischen Akzent aus. Doch ohne einen glanzvollen Abgang, einfach so im Covidlockdown zu verschwinden, stand nicht nach seinem Sinn. Gut erholt und voller Tatendrang erwischte ich den Kellermeister vor seinen Fässern und lauschte gespannt seinen Geschichten, die mit jedem Drum (Schluck) aus dem nächsten Fass an Plastizität gewannen.
Schon auf dem Hof verführte mich der Whiskyduft in eine angenehme Welt. Beim Öffnen des Tores zum Lagerhaus greift der Angel Share mit festem Griff in die Sinne des geneigten Besuchers. Das untere Stockwerk ist für seine unendliche Weite nicht sehr hoch ausgebaut, denn darüber befinden sich noch zwei weitere. Aufgestapelt in zwei Lagen reihen sich Fass an Fass, Jahr an Jahr, unten die größeren Fässer mit bis zu 600 Litern, oben die kleineren ab 100 Litern. In den darüber gelegenen Stockwerken ist es wärmer, mehr Angel Share tritt durch die Fässer, die Volumenprozente des Whiskys sinken. Ein unvorstellbarer Schatz lagert hier gesichert nur durch ein kleines Vorhängeschloss und die eigene Last des Fasses. Alle Fässer fein gelabelt mit Strichcode und Duty Paid- Aufkleber. Der Fiskus greift schneller zu als der Aktienhändler. Im alten Logo steht der Mann im Ausguck, um den nahenden Steuereintreiber anzukündigen. Läutete er die Glocke, wurde in der gegenüberliegenden Kapelle eine Beerdigung vorgetäuscht. Zehn junge Männer hätte die See geholt, schon wieder! Die Särge prall gefüllt, mit dem, was der Fiskus nicht entdecken durfte. Eine Weile ging das wohl gut, doch nach Anzahl der jungen Männer, die die See irgendwann geholt haben sollte, wäre Islay wohl einstweilen entvölkert gewesen. Dass fiel auch dem Fiskus auf, das illegale Whiskybrennen wurde beendet und Lagavulin wurde 1816 offiziell gegründet. Heute gehört Lagavulin zum Diageo-Konzern was sowohl dem Fiskus als auch der Börse wohl gefällt.
Ian selbst ein Fass, mit aufgesetztem rundem Kopf gekrönt mit grauen Wuschelhaaren auf zwei kleinen viel zu kurzen Beinchen, umschleicht seine Schätze und gibt nette Anekdoten zum Besten. Dann steckt er einen Metallzylinder in das bereitgelegte alte Sherryfass, saugt an einer kleinen Öffnung, bis sein Gesicht von aufflammender Röte fast zu platzen scheint. Eine junge Mitarbeiterin mit langen strohigen Haaren und spitzen Stuppsnäschen hält einen Messbecher bereit und schon ergießt sich die bernsteinfarbene wettvolle Flüssigkeit aus dem Blechzylinder in den Glaskrug und ein Drum in mein Tasting-Glas. Lychees schleichen die Nase hinauf, dann wabert der zehnjährige Whisky über meine Zunge, nimmt den Mundinnenraum voll in Griff. Die Impulsmuster der vom Alkohol betäubten Nervenendigungen tirilieren wunderbare Geschmacksempfindungen, die Abteilung Marketing in zuckersüßes Blumensprech moderiert.
Die Stimmung steigt, Geschichten lodern empor. Sherry sei aus der Mode gekommen, niemand tränke ihn mehr! Doch die Sherryfässer sind die wichtigsten für die Produktion von allgemeingefälligen Whiskysorten. Inzwischen sind die leeren Sherryfässer abertausend Mal teurer als der billige Sherry, der darin produziert und anschließend zu Essig weiterverarbeitet wird. Amerikanischen Eichenfässern, auch sehr beliebt, gönnt man inzwischen eine wiederholte Nutzung, zu viel Eiche sei in Amerika bereits gefällt worden. Ein Gruß an die Nachhaltigkeit, nicht unbedingt an die Qualität des Whiskys.
Nach dem vierten Fass folgt der lang erwartete 25-jährige aus französischer Eiche. Mit 550 Litern das größte Fass der Verkostung.
Liebevoll stützt sich Ian auf dem Fass ab und vergleicht sich selbst mit dem Schatz der Verkostungsreihe: „Alt und pummlig, so wie ich.“, weiß treten seine dritten Zähne unter seinem Grinsen hervor. Der Tropfen im Gaumen komplex durch und durch. Königsklasse! Vorne im Laden, wird das Fläschchen eines 25-jährigen für 1.999 Pfund feilgeboten. Dieses Verkostungserlebnis, das Ian zu einem Highlight machte, wird bleiben, der Whisky nicht. Ausgetrunken heule ich dem wunderbaren Zehnjährigen eine dicke Träne nach und gieße ein paar Tropfen des 25-jährigen in eine Phiole, die ich in der Jackettinnentasche ungesehen aus dem Lagerhaus trage. Um 23:59 Uhr habe ich eine Verabredung mit den längst verblichenen jungen Männern vom Kirchhof: Ich wollte das lächerliche Vorhängeschloss knacken und mich mit Gartenschlauch und Taschenlampe am edlen Tropfen bereichern: Devils Share. Welch teuflische Gedanken die Fassstärken doch immer in den Sinn treiben!
Herzlichst Marcus Schütz, promovierter Biologe, Heilpraktiker und Autor
Das Spektrum des Autors Marcus Schütz reicht von Reiseerlebnissen über Essays zum Zeitgeschehen bis hin zum Abenteuerroman der Urban Fantasy und Thriller verbindet. „Meilenweit – Ein fantastisches Abenteuer“ um den Schatz der Tempelritter in Berlin-Tempelhof ist bei Spica erschienen.
Beste Grüße
Ihre Kathrin Kolloch
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