Der Händedruck in der arabischen Welt – Syrien hat andere Probleme
Als ich 2021 meinen Philosophischen Krimi „Just love oder Scheinliebe?“ schrieb, lernte ich vieles über die arabische und islamische Kultur und beschäftigte mich vor allem auch mit der Sprache. Manch ein Gedanke entpuppte sich dadurch als Vorurteil. Ein nicht-erfolgter Händedruck durch einen Mann bei der Begrüßung einer Frau bedeutet nicht, dass dieser der Respekt verweigert wird.
Bald nachdem es einen Machtwechsel in Syrien gegeben hat, waren zwei unserer Politikerinnen, Anna-Lena Baerbock und Svenja Schulze bereits so mutig, in dieses Land zu reisen. Die Kameras zeigten vor allem die Begrüßung des neuen Machthabers, bei der er unserer Außenministerin nicht die Hand gegeben hat. Mit seinem Bruder erging es Svenja Schulze anders.
Die wirklichen Probleme in Syrien sind aber andere. Die Grundversorgung mit Weizen und Energie ist viel zu teuer und erfolgt über die kurdischen Regionen. Dort müssen mehrere Zehntausende IS-Anhänger bewacht werden. Akten und Massengräber sind für eine spätere Aufarbeitung nicht geschützt. Im Moment ist vor allem Besonnenheit erforderlich, um Racheakte möglichst zu verhindern. Eine Herkulesaufgabe bedeutet die geordnete Entwaffnung der einzelnen Milizen und deren Integration danach in eine Berufsarmee. Druck aus der westlichen Welt ist kontraproduktiv.
Aber zurück zum Händedruck. Ein Ausschnitt aus meinem Buch „Just Love oder Scheinliebe?“, in dem ein junger Mann aus Syrien mit der fast 80-jährigen Klara einen kleinen Spaziergang unternimmt, lautet folgendermaßen:
„So viele Leute und dieses Händeschütteln war ein bisschen viel für mich“, eröffnete Klara das Gespräch.
„Dann müssen wir nicht reden“, reagierte Karīm daraufhin und reichte ihr seinen Arm. „Ich gebe nie einer arabischen Frau die Hand.“ Damit war ein Thema offen.
Nachdem sie zehn Minuten schweigend gegangen waren, kam Klara darauf zurück. „Weißt du, ich gebe auch keiner arabischen Frau die Hand“, zumindest keiner, die in einem arabischen Land lebt und keine Europäer kennengelernt hat, dachte Klara bei sich.
„Ja, aber warum? Zwischen Frauen ist das nicht verboten“, widersprach Karīm.
„Ja, Karīm“, Klara nutzte die förmliche arabische Anrede und übersetzte diese dann ins Deutsche „Oh, Karīm! Weißt du, wie das für mich ist, wenn ich einer arabischen Frau die Hand gebe? Ich habe das Gefühl, einen Pudding in der Hand zu haben. Sehr unangenehm. Und glaub mir, ich habe in diesem Punkt viel mehr Erfahrung als du.“
„Ach ja, du hast ja in arabischen Ländern gelebt“, erinnerte sich Karīm.
„Weißt du, Karīm, nach dem ersten Empfang hier in Europa, den ich mitgemacht habe, war ich ganz erschöpft. Ich war noch sehr jung. Es war auch ein Empfang mit viel Händeschütteln.“
„Dann fließt da etwas“, erwiderte Karīm.
Das hatte er schön ausgedrückt. Und Klara verstand, dass er mit dem „etwas“ dieses Mal nicht einen sexuellen Reiz meinte.
„Damals hat mir jemand geraten, den Menschen die Hand fester zu geben. Und es hat funktioniert. Ich war nicht mehr so erschöpft“, sprach Klara weiter.
„Ja, dann hast du den anderen die Kraft genommen“, kommentierte Karīm.
„Nein! Ich habe mich abgeschottet. Ich habe eine Barriere aufgebaut zwischen uns. Ungefähr in der Mitte zwischen uns. Ich habe den Leuten damit zu verstehen gegeben, dass es eine Grenze gibt und dass diese von beiden Seiten nicht überschritten werden darf.“
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Herzliche Grüße
Sabine Gabriele Thomas, Bauingenieurin und Autorin
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