Kearney-Studie: Autos für Deutsche immer weniger leistbar - Können Microcars zum Smartphone-Preis die Mobilitätslücke schließen?
Düsseldorf (ots)
Eine aktuelle Kearney-Studie behandelt den Stadtverkehr der Zukunft und zeigt deutlich, wie nah innovative Zukunftsmodelle bereits sind.
Für eine wachsende Zahl von Verbrauchern wird der Traum vom eigenen Auto zunehmend unerreichbar. Die Kosten für ein neues Fahrzeug sind schneller gestiegen als die allgemeine Inflationsrate - angetrieben durch die Chip-Knappheit, Störungen in den Lieferketten und die immer teureren technischen Anforderungen. Trotz zeitweiser verfügbarer staatlicher Subventionen sind Elektrofahrzeuge in der Anschaffung zumeist teurer als Verbrenner aus dem gleichen Segment. "Die Preise für sogenannte Kleinst- und Kleinwagen, wie der VW up! oder Renault Twingo, sind seit 2020 stark gestiegen, teilweise um 30 Prozent - das gilt sowohl für E-Autos als auch für Verbrenner", sagt Vincent Rodewyk, Mobilitätsexperte und Principal bei der Unternehmensberatung Kearney. Vor allem für Erstkäufer und preissensible Verbraucher werden diese Autos immer unattraktiver. Ein Segment, das sich laut dem Experten positiv entwickelt, stellen Microcars dar. Sie sind für niedrige Geschwindigkeiten und kurze Strecken, insbesondere in der Innenstadt konzipiert und kosten im Monat gerade so viel wie der Handyvertrag. Für Verbraucher bieten sie in Sachen Erschwinglichkeit und Nachhaltigkeit enorme Vorteile. Während man sie in deutschen Städten noch selten sieht, sind die Microcars aus dem Stadtbild von Amsterdam, Paris oder Rom bereits nicht mehr wegzudenken.
Eingeschränkte Mobilität verstärkt gesellschaftliche Ungleichheit
In Deutschland wird das Problem der erschwinglichen Kleinst- und Kleinwagen für Erstkäufer und Verbraucher mit niedrigem und mittlerem Einkommen zunehmend akut. Das liegt daran, dass die Inflation in diesem Segment besonders hoch ist. Außerdem wird das
(Verbrenner-)Angebot hier zunehmend kleiner, da Hersteller auf wirtschaftlich attraktivere Fahrzeugsegmente umschwenken. In den letzten zehn Jahren hat es sich fast halbiert, inklusive eingestellter Modelle wie dem Ford Ka und dem Citroën C1. "Aber auch strengere Vorschriften zur Abgasbehandlung und CO2-Reduktion treiben die Preise für solche Autos unverhältnismäßig stark in die Höhe", erklärt Rodewyk. "Vor fünf Jahren kosteten einfache Autos mit Verbrennungsmotor noch 10.000 bis 15.000 Euro, heute sind solche Optionen stark begrenzt." Dies könne gesellschaftliche Ungleichheiten verschärfen, da außerhalb von großen Städten die individuelle Mobilität eingeschränkt wird.
Hersteller reagieren mit Microcars als extra-nachhaltige Stadtlösung
Der Markt für Microcars in Europa profitiert grundsätzlich durch die staatliche Förderung emissionsarmer Mobilität. Dies hat in vielen Ländern der EU zu höheren technischen Anforderungen für traditionelle Autos und finanziellen Anreizen für umweltfreundlichere Optionen geführt. "Hersteller haben darauf reagiert, indem sie nicht nur mehr konventionelle Elektroautos, sondern auch eine neue Kategorie, die Microcars, eingeführt haben", erklärt Rodewyk. Diese Fahrzeuge, wie Micros Microlino, der Renault Twizy und sein Nachfolger Mobilize Duo, der Citroën Ami oder der Opel Rocks-e sind für niedrige Geschwindigkeiten und kurze Strecken in städtischen oder ländlichen Gebieten konzipiert. Während sie Vorteile beim Parken und in Sachen Nachhaltigkeit bieten, sind sie jedoch nicht für Langstreckenfahrten gedacht - viele der üblichen Sicherheitsmerkmale, wie etwa Airbags oder ABS fehlen. Auch Infotainment, eine Klimaanlage oder eine gute Schalldämmung sind meist nicht vorhanden. Dennoch umfasst der Markt laut Kearney-Daten etwa 103.000 jährlich verkaufte Neufahrzeuge - Tendenz stark steigend. Aktuell sehen die meisten Käufer (87,5 %) Microcars als Ergänzung zu anderen Transportmitteln - nur ein kleiner Teil (12,5%) als kompletten Ersatz. "Vor diesem Hintergrund besteht großes Wachstumspotenzial, wenn Microcars zunehmend als Alternative für andere Mobilitätsoptionen und nicht nur als Ergänzung angesehen werden", so Rodewyk. Ein weiterer Treiber für das zukünftige Wachstum des Marktes für Microcars könnten CO2-Gutschriften sein, die auf die Flottenemissionsziele der Automobilhersteller einzahlen. Würden Microcars bei der Berechnung dieser Ziele berücksichtigt, hätten Hersteller einen Anreiz, diese zu fördern, um Strafzahlungen zu reduzieren.
Erfolg hängt von Vorreitern und Verbrauchern ab
Ob sich Microcars tatsächlich durchsetzen, hängt von mehreren Faktoren ab. "Zum einen beeinflussen staatliche Regulierungen, Subventionen und Vorschriften den Markt, zum anderen das Engagement seitens der Hersteller. Der Erfolg von Vorreitern wie Renault und Stellantis wird entscheidend sein, um weitere Investitionen anzuziehen", ist sich Rodewyk sicher. Die Verbraucher sind ebenfalls ein wichtiger Faktor. Vor allem Käufer, die preissensibel sind und aus dem traditionellen Kleinwagen-Markt verdrängt wurden, sehen Microcars als eigenständige Automobiloption (14% der erwarteten Marktgröße in 2030). Ein noch größeres Potenzial sieht Kearney bei Komfort-orientierten, älteren Käufern, die Microcars aufgrund ihrer Praktikabilität, Übersichtlichkeit und leichten Handhabung für Kurzstreckenfahrten bevorzugen (23%). Minderjährige und junge Erwachsene, die ein solches Auto als erstes motorisiertes Fortbewegungsmittel wählen, machen hingegen nur 13 Prozent der erwarteten Marktgröße aus. Mikromobilitätsaffine Käufer, die derzeit Roller und E-Bikes nutzen, bilden den Daten zufolge sogar bis zu 50 Prozent der erwarteten Marktgröße ab. "Wir erwarten, dass der europäische Microcar-Markt jährlich bis 2030 durchschnittlich etwa 15 bis 32 Prozent wächst, allerdings stark abhängig von den Bedingungen, insbesondere der Regulatorik", erklärt Rodewyk. "Diese Zahlen erscheinen nicht unrealistisch, vor allem wenn man den europäischen E-Bike-Sektor betrachtet. Dieser umfasst jährlich mehr als fünf Millionen Einheiten von einem Produkt, das im Vergleich zum Microcar langsamer ist, eine kürzere Reichweite sowie noch niedrigere Sicherheitsstandards aufweist und kein Dach hat", so Rodewyk abschließend.
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