Unzulässige Fernbehandlung: Apothekerkammern in NRW begrüßen Urteil gegen Versand-Apotheken
Düsseldorf, Karlsruhe, Münster (ots)
Bundesgerichtshof bestätigt Entscheidung gegen die Shop-Apotheke wegen Bewerbung von Behandlungen per Fragebogen - Entscheidung mit großer Signalwirkung
Im Streit um Online-Plattformen, auf denen man nach Ausfüllen von Fragebögen zu einer ärztlichen Verordnung von Medikamenten gelangen kann, freuen sich die Apothekerkammern in NRW über eine Entscheidung mit erheblicher Signalwirkung. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die von den Apothekerkammern Nordrhein und Westfalen-Lippe erwirkte Verurteilung der Shop-Apotheke durch das Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 10. Juni vergangenen Jahres (GRUR 2022, 1353) bestätigt und die insoweit erhobene Nichtzulassungsbeschwerde durch Beschluss vom 9. Februar 2023 (I ZR 114/22) zurückgewiesen.
Streitgegenstand war ursprünglich die Werbung der niederländischen Shop-Apotheke für ihre Kooperation mit dem im Vereinigten Königreich ansässigen und mit irischen Ärzten arbeitenden Telemedizinanbieter Zava. Patienten konnten unter mehreren Indikationen auswählen und sich nach Beantwortung eines Online-Fragebogens ein von den mit Zava verbundenen Ärzten ausgestelltes Privatrezept ausstellen lassen, das dann direkt bei der Shop-Apotheke eingelöst werden konnte. Hierin sahen die Kammern ein Verstoß gegen § 11 Apothekengesetz (ApoG) sowie eine nicht zulässige Bewerbung für eine Fernbehandlung nach § 9 Heilmittelwerbegesetz (HWG) mittels Online-Fragebogen. Darüber hinaus wurden diverse Irreführungsaspekte aufgegriffen.
Nachdem das Landgericht Köln der Klage bis auf einen Irreführungsaspekt stattgegeben hatte, insbesondere auch in der Darstellung der Zusammenarbeit einen Verstoß gegen das Zuweisungsverbot nach § 11 ApoG sah, hatte die Shop-Apotheke hinsichtlich der Werbung für die Fernbehandlung sowie die fehlende Aufklärung über den ausländischen Sitz des Telemedizinanbieters Berufung gegen das Urteil eingelegt. Das OLG Köln hatte die Berufung zurückgewiesen. Diese Zurückweisung hat der BGH nun bestätigt.
"Geschäftsmodelle, bei denen die Vorzüge der Telemedizin dahingehend missbräuchlich genutzt werden, dass Patienten einzig und allein durch das Ausfüllen von Fragebögen zu einer Verordnung gelangen, sind uns schon lange ein Dorn im Auge", sagt Dr. Armin Hoffmann, Präsident der Apothekerkammer Nordrhein. "Dem treten wir konsequent entgegen, um Patientinnen und Patienten zu schützen", ergänzt Gabriele Regina Overwiening, Präsidentin der Apothekerkammer Westfalen-Lippe.
Plattformen im Internet, die das Vertrauen in die ordnungsgemäße Gesundheitsversorgung in Deutschland untergraben, haben es seit heute schwerer. Zwar mag es auf den ersten Blick überraschend scheinen, dass die Apothekerkammern sich auch mit der Frage beschäftigen, welche medizinischen Standards bei telemedizinischen Leistungen einzuhalten sind. Da das aufgegriffene Geschäftsmodell jedoch hervorgehoben mit dem Bezug von Arzneimitteln warb und somit der Erwerb des Arzneimittels im Vordergrund stand, während die Verschreibung als "notwendiges Übel" schlicht geliefert wurde, sahen sich die Kammern veranlasst, diese Form des Arzneimittelbezugs auch rechtlich aufzugreifen.
"Wir müssen unsere Kammerangehörigen und die Teams in den Apotheken davor schützen, dass sie mit Verschreibungen konfrontiert werden, die das Ergebnis von fragwürdigen telemedizinischen Dienstleistungen sind und bei denen die anerkannten medizinischen Standards nicht eingehalten werden", so Dr. Bettina Mecking, Justiziarin der Apothekerkammer Nordrhein. "Immer wieder werden wir von unseren Kammerangehörigen mit der Frage konfrontiert, wie mit diesen Verschreibungen umzugehen ist. Bestehen erhebliche Zweifel an der Ordnungsgemäßheit der Verschreibung, so können wir es den Apothekerinnen und Apothekern sowie PTA nicht zumuten, hier die Arzneimittel auszugeben."
Gleichwohl ist dies für die Teams in den Apotheken eine schwierige Situation, da sie grundsätzlich auch dem Kontrahierungszwang unterliegen", ergänzt Sören Cromberg, Justiziar der Apothekerkammer Westfalen-Lippe. "Uns geht es darum, die gesetzlichen Vorgaben weiter zu schärfen, damit sich unsere Kammerangehörigen und ihre Mitarbeiter vor Verschreibungen dieser Art schützen können und sich nicht dem Risiko ausgesetzt sehen, in diesen Fällen durch die Abgabe von Arzneimitteln gegen das Arzneimittelrecht zu verstoßen."
Die Bestätigung der Entscheidung des OLG Köln durch den BGH empfinden die Kammern als Bestätigung, auch weitere derartige Konzepte effektiv unterbinden zu lassen. Der Schulterschluss mit den Ärzten ist von großer Bedeutung, da es auch nicht in ihrem Interesse ist, dass durch derartige Geschäftsmodelle der persönliche Kontakt zum Patienten nach und nach schwindet. Es ist sinnvoll, diesen Fehlentwicklungen gemeinsam entgegenzutreten.
Der persönliche Kontakt, gleich ob in der Arztpraxis oder in der Apotheke, ist nach Auffassung der Kammern nach wie vor der Goldstandard, der an der einen oder anderen Stelle durch alternative Leistungsangebote ergänzt, aber nicht verdrängt werden darf.
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