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Aufklärung, Nachweise, Selbsteinschätzung: Das müssen Cannabispatient:innen im Straßenverkehr beachten

Aufklärung, Nachweise, Selbsteinschätzung: Das müssen Cannabispatient:innen im Straßenverkehr beachten
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Der Prozess zur Legalisierung von Cannabis als Genussmittel ist von der Bundesregierung auf den Weg gebracht, Diskussionen über THC-Grenzwerte zurzeit in aller Munde. Damit einher geht auch die Frage, wie sich bundesweite Regularien rund um Verkehrskontrollen und Fahrtüchtigkeit zukünftig verändern. Als Medikament ist Cannabis in Deutschland bereits seit mehr als fünf Jahren zugelassen: Mit welchen Hürden sich Patient:innen beim Thema Fahrsicherheit befassen müssen, erklären Dr. jur. Marc Herzog, Fachanwalt für Verkehrsrecht, und Dr. med. Lisa Schmidberg, ärztliche Leiterin bei der Telemedizin-Plattform Algea Care im Interview.

Zunächst einmal zu den Hintergründen: Wie wirkt medizinisches Cannabis auf den Körper und zur Behandlung welcher Erkrankungen kann es zum Einsatz kommen?

Dr. med. Lisa Schmidberg: Grundsätzlich sind THC, also Tetrahydrocannabinol, und CBD, kurz für Cannabidiol, die beiden bekanntesten Inhaltsstoffe der Cannabispflanze, die auch extrahiert werden können. Über körpereigene Cannabinoid-Rezeptoren im Gehirn beeinflussen sie das zentrale oder das periphere, also das außerhalb von Gehirn und Rückenmark liegende Nervensystem. THC entfaltet auf diesem Weg seine hauptsächlich entspannende, aber auch schmerzlindernde Wirkung, CBD wirkt vor allem entzündungs- und ebenfalls schmerzhemmend, zellschützend und stimmungsregulierend.

Erfreulicherweise ist medizinisches Cannabis ein Arzneimittel mit einem sehr breiten therapeutischen Spektrum. Die größten Indikationsgebiete liegen in den Bereichen der Schmerztherapie, also zum Beispiel Nervenschmerzen oder Migräne, sowie psychischer Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen oder ADHS. Außerdem kann es zur unterstützenden symptomatischen Behandlung von Epilepsie, Multipler Sklerose oder der Nebenwirkungen einer Chemotherapie eingesetzt werden, weiterhin bei Endometriose oder chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen.

Dürfen Cannabispatient:innen grundsätzlich als Autofahrer:in am Straßenverkehr teilnehmen? Unter welchen Voraussetzungen?

Dr. Marc Herzog: Wie für alle Autofahrer:innen gilt auch für Cannabispatient:innen: Sie dürfen fahren, wenn sie fahrtüchtig sind. Wichtig ist dabei im ersten Schritt, eine Eingewöhnungsphase von etwa vier bis sechs Wochen hinter sich zu bringen, in der man das Auto stehen lässt. In dieser Phase schaut man gemeinsam mit dem/der behandelnden Arzt/Ärztin, wie das Medikament wirkt und der Körper auf die Einnahme reagiert. In dieser Zeit lernen Patient:innen auch, selbst kritisch einzuschätzen, ob sie sich beispielsweise mit Blick auf die Reaktionsgeschwindigkeit in der Lage sehen, ein Kraftfahrzeug zu führen. Es gibt hier keine vorgegebenen Werte, Patient:innen sind immer aufgefordert, ihre Fahrtüchtigkeit vor jedem Fahrtantritt zu evaluieren. Vor allem bei Patient:innen, die schon länger mit Cannabis behandelt werden, setzt in der Regel auch relativ schnell ein Gewöhnungseffekt ein.

Dr. Schmidberg: Ausschlaggebend ist hierbei außerdem, dass das verschriebene Präparat streng nach ärztlicher Verordnung eingenommen wird – also genau so, wie es auf dem jeweiligen Rezept steht. Auch bei Präparatswechseln und Dosisanpassungen empfiehlt es sich, zeitweise auf das Fahren zu verzichten. Der Beikonsum von nicht verordneten Arznei- bzw. Betäubungsmitteln, aber auch von Alkohol ist grundsätzlich absolut ausgeschlossen. Insgesamt ist die gründliche ärztliche Dokumentation der Eingewöhnungsphase entscheidend, gerade bei eventuellen späteren Rückfragen.

Wie läuft die ärztliche Aufklärung zum Thema Fahrtüchtigkeit für Cannabispatient:innen ab? Wie stelle ich als Patient:in sicher, dass ich fahrtüchtig bin?

Dr. Schmidberg: Patient:innen erhalten zu Beginn ihrer Behandlung einen mehrseitigen Aufklärungsbogen, den sie mit ihrem/ihrer Arzt/Ärztin durchgehen und in dem sie über alle relevanten Aspekte rund um die Fahrtüchtigkeit und Eingewöhnungsphase informiert werden. Dazu gehört beispielweise die Aufklärung über mögliche Nebenwirkungen, die, wie bei vielen anderen Medikamenten auch, die Fahrsicherheit potenziell beeinträchtigen können. Hierzu zählen insbesondere Müdigkeit, ein verlangsamtes Reaktionsvermögen, Konzentrationsschwierigkeiten und Schwindel. Wie schon erwähnt, empfiehlt es sich, die Dauer der Eindosierungsphase abzuwarten, bevor wieder aktiv am Straßenverkehr teilgenommen wird. Bedingung ist grundsätzlich eine stabil eingestellte Dosis und keine physischen oder psychischen Beeinträchtigungen.

Darüber hinaus muss vor jeder Fahrt eine Selbstevaluation durchgeführt werden. Patient:innen müssen also sicherstellen, dass sie körperlich und geistig uneingeschränkt in der Lage sind, sicher ein Fahrzeug zu führen.

Welche offiziellen Dokumente und Nachweise muss ich als Verkehrsteilnehmer:in und Cannabispatient:in mitführen?

Dr. Herzog: Es gibt für Cannabispatient:innen keine gesetzliche Pflicht, spezielle Nachweise über ihre Behandlung mit sich zu führen. Allerdings empfehlen wir immer, für den Fall einer Verkehrskontrolle eine Rezeptkopie oder ein ausführliches ärztliches Attest mitzuführen, um auf Nachfrage den Patientenstatus belegen zu können. Auch ein Patientenausweis ist dafür eine gute Möglichkeit.

Allerdings ist es ein weit verbreiteter Irrglaube, dass ein ausführliches ärztliches Attest völlig von weiteren rechtlichen Überprüfungen entbindet. Die Frage, ob ein/e Patient:in grundsätzlich fahrtüchtig ist bzw. ein Kraftfahrzeug fahren darf, ist das Eine. Dass es jedoch auch im Nachgang einer Kontrolle zu Unannehmlichkeiten kommt, kann jedem/r Patienten/in passieren. Denn sobald eine Fahrerlaubnisbehörde davon Kenntnis erlangt, dass jemand Medizinalcannabispatient:in ist, wird von Amtes wegen automatisch ein Eignungsüberprüfungsverfahren eingeleitet. Das bedeutet, man prüft offiziell, ob der/die Patient:in für das Führen von Kraftfahrzeugen geeignet ist. Und auch wenn viele Patient:innen das als Schikane empfinden, ist es schlicht und ergreifend das Ausführen der gesetzlichen Regelung. Wenn eine Dauerbehandlung mit Arzneimitteln vorliegt, die die Leistungsfähigkeit beeinträchtigen können, muss die Fahrerlaubnisbehörde dem nachgehen und das individuell überprüfen, mindestens eine fachärztliche Begutachtung anordnen.

Gibt es für Cannabispatient:innen einen THC-Grenzwert, ähnlich einer Promillegrenze für Alkohol?

Dr. Herzog: Diese Diskussion ist ja sehr aktuell: Zurzeit gibt es, anders als bei Alkohol, keine starre Grenze in Bezug auf Fahrtüchtigkeit und Medizinalcannabis, da der Wirkmechanismus im Körper ein anderer ist. In Bezug auf den Freizeitkonsum gelten 1,0 ng/ml THC im Blut als Grenze für einen Bußgeldtatbestand. Das bedeutet als Ersttäter dann 500 Euro Bußgeld und ein Monat Fahrverbot. Bei einer ärztlichen Verordnung sieht das anders aus, dafür gibt es eine Medikamentenklausel. Wenn also das Präparat verschreibungsgemäß eingenommen wurde, liegt kein Bußgeldtatbestand vor.

Wird mir als Cannabispatient:in bei einer Verkehrskontrolle automatisch eine medizinisch-psychologische Untersuchung, kurz MPU, angeordnet?

Dr. Herzog: Cannabispatient:innen müssen, wenn die Fahrerlaubnisbehörde von ihrer regelmäßigen Einnahme Kenntnis erlangt, mindestens von einer sogenannten fachärztlichen Überprüfung ausgehen. Personen, die dagegen eine Vorgeschichte mit der illegalen Einnahme von Cannabis haben bzw. der Fahrerlaubnisbehörde in Bezug auf Betäubungsmittel bekannt sind, müssen mit der nächst höheren Stufe, also der MPU rechnen.

Ist die Gesetzeslage für Cannabispatient:innen in allen Bundesländern einheitlich?

Dr. Herzog: Ja, die betreffenden Gesetze sind allesamt Bundesgesetze, sowohl das Straßenverkehrsgesetz als auch die Fahrerlaubnisverordnung, da gibt es keine Sonderregelungen in einzelnen Bundesländern. Allerdings werden die Vorgaben in manchen Bundesländern unterschiedlich konservativ behandelt – die Vollzugspraxis ist hier leider nicht immer einheitlich. Beispielsweise wird damit in Bayern etwas anders umgegangen als in Frankfurt oder in Berlin.

Darf ich als CBD-Patient:in Auto fahren?

Dr. Herzog: CBD beinhaltet als Nebenprodukt nur einen enorm geringen Anteil an psychoaktiven Wirkstoffen, daher ist es auch nicht als Betäubungsmittel klassifiziert und ist in puncto Fahrtüchtigkeit also komplett unproblematisch und auch keiner der Stoffe, die beispielsweise im Straßenverkehrsgesetz als Substanzen gelistet sind, die man nicht im Blut haben darf. Einzig gilt jedoch zu beachten, dass ein spezifisches CBD-Präparat, das einen hohen THC-Anteil enthält, der dann vielleicht im Blut nachgewiesen wird, zu Problemen führen kann. Darüber informiert der/die behandelnde Arzt/Ärztin vorab entsprechend. Aber als reiner CBD-Patient darf man problemlos Auto fahren.

Mit Blick auf die geplante Legalisierung: Welche Aspekte müssen, nicht nur beim Thema Fahrtüchtigkeit, aus Ihrer Sicht unbedingt Beachtung finden?

Dr. Schmidberg: In erster Linie sollte man aus den mittlerweile mehr als fünf Jahren medizinischer Anwendung lernen. Beispielsweise ist noch nicht hinreichend bekannt, dass nach geraumer Zeit ein individueller Gewöhnungseffekt eintritt, der selbst bei hohem Blutspiegel nicht zu Fahruntüchtigkeit führt. Aus ärztlicher Sicht gilt es, Patient:innen zukünftig wertfrei zu einem potenziellen Cannabiskonsum zu befragen, Beweggründe zu verstehen und auf Basis dessen auf die Vorteile einer ärztlich betreuten Behandlung mit medizinischem Cannabis zu verweisen, sollte ein Konsum im individuellen Fall auf eine gesundheitliche Beeinträchtigung zurückgehen und ein therapeutischer Einsatz sinnvoll sein.

Dr. Herzog: Die Schwierigkeiten, die ich aus rechtlicher Sicht auf uns zukommen sehe, sind vor allem die folgenden: Solange das Straßenverkehrsgesetz nicht grundlegend geändert ist, ist die regelmäßige Einnahme von Cannabis – außerhalb der medizinischen Verordnung und Anwendung – ein Nichteignungskriterium. Einfach gesagt gilt also die Regel, wer Drogen nimmt, ist nicht geeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen. Dann ist der Führerschein weg. Ausnahme ist Cannabis, so lange es nur gelegentlich, sprich zwei- bis dreimal im Monat eingenommen wird, der Konsum und das Fahren zeitlich ausreichend getrennt sind und kein zusätzlicher Gebrauch von Alkohol oder anderen Betäubungsmitteln vorliegt.

Sobald es aber zu einer Kontrolle kommt und die Person nach der momentan geltenden Gesetzeslage über 1,0 ng/ml THC im Blut liegt – was immer der Fall sein wird, wenn jemand mehrmals im Monat oder in der Woche konsumiert –, wird es aus rechtlicher Sicht problematisch, selbst wenn er nichts mehr davon spürt. So lange also nicht auch die Grenzwerte bzw. die Fahrerlaubnisverordnung angepasst werden, kommt aus meiner Sicht mit der Legalisierung noch eine Welle an wirklich großen Problemen auf uns zu, die viele wahrscheinlich noch gar nicht durchschaut haben.

Über die Expert:innen

Dr. jur. Marc Herzog, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Verkehrs-, Straf- und Versicherungsrecht mit Sitz in Rosenheim sowie Lehrbeauftragter für Strafrecht betreut unter anderem Cannabispatient:innen bei allen rechtlichen Fragen zum Thema Fahrtüchtigkeit.

Dr. med. Lisa Schmidberg hat sich nach ihrem Studium der Medizin in Frankfurt am Main auf die Behandlung mit medizinischem Cannabis und CBD spezialisiert. Als ärztliche Leiterin verantwortet sie mit mehr als 85 Ärzt:innen über die Telemedizin-Plattform Algea Care die Betreuung von Cannabispatient:innen in ganz Deutschland.

Über Algea Care

Algea Care ist die bundesweit erste und führende Plattform für die telemedizinisch unterstützte und evidenzbasierte, ärztliche Behandlung mit medizinischem Cannabis. In Folge der in 2017 zugelassenen medizinischen Nutzung von Cannabis hat sich das 2020 in Frankfurt gegründete Unternehmen auch als wegweisender Pionier in der ärztlichen Behandlung mit spezifisch geeigneten Bestandteilen der Hanfpflanze wie z. B. Cannabidiol (CBD) entwickelt. Das Angebot von Algea Care richtet sich an Patienten, deren herkömmliche Therapien bisher nicht erfolgreich waren und die zur Behandlung ihrer chronischen Erkrankungen und Beschwerden (z. B. chronische Schmerzen, Multiple Sklerose, Epilepsie, Morbus Crohn, Depressionen, ADHS, Schlafstörungen) nun auch auf natürliche Arzneimittel wie Cannabis setzen. Dabei stehen die Patienten und die nachhaltige Verbesserung ihrer Lebensqualität im Mittelpunkt des gesamten Angebots.

Über die Website www.algeacare.com können Patienten schnell und unkompliziert eine Behandlung anfragen und – nach einer sorgfältigen medizinischen Prüfung der Patientenunterlagen – einen Arzttermin in einem der aktuell rund 20 Therapiezentren in Deutschland buchen. Dort beraten und behandeln speziell geschulte sowie auf Cannabis-Therapie und andere natürliche Arzneimittel spezialisierte Ärzte. Nach einem Ersttermin in einem der Therapiezentren können – sofern medizinisch vertretbar – Folgetermine bequem per Videosprechstunde erfolgen. Mittels modernster telemedizinischer Technologie ermöglicht Algea Care den Patienten einen umfangreichen Full Service: Angefangen von der Terminbuchung über die ärztliche Anamnese und Therapiebegleitung bis hin zur Unterstützung bei Fragen der Medikation und sonstigen Begleitthemen stehen Experten den Patienten umfassend zur Seite.

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