Autogas: "Unterschätzter Hoffnungsträger der Verkehrswende"
Energieversorger Rheingas und Kraftstoffsystemlieferant Prins fordern LPG zurück auf die politische Bildfläche
Eindhoven (NL) (ots)
Zwei große Akteure im deutschen Flüssiggas-Markt erklären, wie die Energiewende im Verkehr gelingen kann: Bart van Aerle, Geschäftsführer des Kraftstoffsystemlieferanten Prins Autogassystemen (Teil von Westport Fuel Systems) und Rheingas-Chef Uwe Thomsen im Doppelinterview über ungenutztes Potential, Technologieoffenheit, Sofortlösungen und eine "erneuerbare" Zukunft.
Die Bundestagswahl steht bevor und der klimapolitische Druck ist hoch wie nie. Alle politischen Weichen sind auf Klimaschutz gestellt, die Ziele zur Reduktion von CO2-Emissionen klar und eng gesteckt. Nun heißt es umsetzen - und zwar schnell. Der verstärkte Einsatz von (Bio-)LPG in der Mobilität könnte bereits heute dazu beitragen, nicht nur CO2, sondern auch Schadstoff- und Feinstaubemissionen sofort zu reduzieren. Ein immer noch weitestgehend unterschätztes Potential, denn mit einem Ausstoß von knapp 166 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten bleibt der Verkehrssektor das Sorgenkind der Energiewende. Diese wirtschaftlich sinnvolle und umweltfreundliche Sofortlösung gilt es anzuerkennen und insbesondere das Potential von nachhaltigem BioLPG stärker zu nutzen und zu fördern.
Flüssiggas als Sofortlösung in der Mobilität
Obwohl die Flüssiggasnutzung ihren Ursprung in Deutschland hat, herrscht in Bezug auf LPG als alternativer Pkw-Kraftstoff (= Autogas) große Unwissenheit. Dies muss sich ändern, erklärt Thomsen. Autogas bietet eine umweltschonende, wirtschaftliche Alternative zu konventionellen Kraftstoffen, durch die eine sofortige Reduktion von CO2- und Schadstoffemissionen erzielt werden kann - durchschnittlich 15 Prozent weniger CO2 und bis zu 99 Prozent weniger Feinstaub gegenüber Benzinern. Es lässt sich zudem an jeder zweiten Tankstelle in Deutschland tanken. Das macht es besonders attraktiv für den Einsatz im ländlichen Raum, da es sich - im Gegensatz zu Wasserstoff oder der Elektromobilität - flexibel auch in abgelegene Regionen transportieren lässt. Hierin liegt für Thomsen das größte Potential: "Bis zu 90 Prozent von Deutschland sind ländlich geprägt; dem eigenen Pkw kommt hier nach wie vor eine zentrale Bedeutung zu. Durch die flächendeckend ausgebaute Infrastruktur kann Autogas die Lücke im Nah- und Pendlerverkehr schließen, die Elektromobilität aufgrund der Reichweiten-Thematik nicht abdecken kann".
Durch LPG-Fahrzeuge werden in Deutschland bereits jetzt erhebliche Mengen an CO2 eingespart. Allein die zurzeit rund 350.000 zugelassenen LPG-Fahrzeuge auf deutschen Straßen ersparen so der Atmosphäre rund 300.000 Tonnen des klimaschädlichen Gases pro Jahr.
Potential bestehender Flotten jetzt nutzen
Hersteller wie Dacia, Renault und Fiat bieten Fahrzeuge mit Autogasausrüstung direkt ab Werk an - einen besonders wirksamen Hebel, um den LPG-Anteil im Verkehr zu steigern, sieht Van Aerle jedoch vor allem in der Umrüstung bestehender Flotten: "48 Millionen Pkw fahren derzeit auf deutschen Straßen, davon rund 31 Millionen Benziner. Nur ein kleiner Teil wird davon bis 2030 durch batterieelektrische Fahrzeuge ersetzt werden können". Bei einem Pkw-Durchschnittsalter von aktuell 9,8 Jahren liegt hier enormes Potential, da sich diese Fahrzeuge ohne großen Aufwand und zu überschaubaren Kosten auf den Betrieb mit Autogas umrüsten lassen. Auch Rheingas hat bereits 90 Prozent der eigenen Pkw-Flotte durch Prins-Autogassysteme umgerüstet.
Die Zukunft heißt "erneuerbar"
Um die Vision eines klimaneutralen Deutschlands bis 2045 Wirklichkeit werden zu lassen, arbeitet die Flüssiggasbranche darüber hinaus aktiv an der Entwicklung und Etablierung nachhaltiger und erneuerbarer Varianten des fossilen Energieträgers. Die Beimischung sogenannter "grüner" Gase - biogen oder synthetisch - wird aus fossilem LPG langfristig 100 Prozent regeneratives, klimaneutrales Gas machen, das entscheidend zur Dekarbonisierung des Straßenverkehrs beiträgt.
Biogenes Flüssiggas (BioLPG) bietet den Vorteil, dass es bis zu 100 Prozent aus organischen, nachwachsenden Rohstoffen gewonnen werden kann. "Als Branche forschen wir parallel intensiv an einer Möglichkeit zur synthetischen Herstellung von LPG, um die fossile Abhängigkeit zu umgehen", bekräftigt Thomsen, "zum Beispiel im Rahmen erster Pilotprojekte wie 'FutureLiquidGas'. Eine vollsynthetische, aus erneuerbarem Strom erzeugte, klimaneutrale Variante muss in die Erprobung, so dass sich diese ihren Platz im Energiemix der Zukunft erobern kann".
Der biologische und synthetische Pfad ist jedoch nur möglich, wenn das konventionelle, fossile Produkt weiter unterstützt wird - hier sei es an der Politik, die notwendigen Rahmenbedingungen und Kaufanreize zu schaffen.
Verkehrswende erfordert Technologieoffenheit
"Wir haben als Branche alle Voraussetzungen geschaffen. Nun ist es an der Zeit, dass die Politik dieses Klimapotential endlich anerkennt und nutzt - hier sehe ich großen Nachholbedarf", fordert Thomsen. Die Sorge der Industrie ist groß, dass die Politik die Belange der Unternehmen mit Blick auf Kosten, Wettbewerbsfähigkeit und Planungssicherheit nicht ernst nimmt. Um die Verkehrswende erfolgreich zu bestreiten, müssen daher alle zukunftsfähigen Technologien und Energielösungen ihren Teil zum grünen Wandel beitragen.
Prins Autogassystemen und Rheingas verfolgen das Ziel, schnelle, sichere und vor allem bezahlbare Lösungen für die Schadstoffproblematik des Verkehrs zu finden. Die EINE Wunderwaffe gibt es dabei laut Van Aerle noch nicht: "Ob der ideale Antrieb der Zukunft in der Mobilität schon gefunden ist, möchte ich mit einem Fragezeichen versehen. Es gibt hier nach meiner Auffassung keinen Königsweg und es gilt insbesondere, den Übergang zu regenerativen Antrieben zu gestalten. Was wir jedoch benötigen, ist ein 'Fair Play', d.h. die rechtliche Gleichstellung mit anderen umweltfreundlichen Alternativen. Verstehen Sie mich nicht falsch: wir denken nicht, dass die Verkehrswende mit Autogas allein zu schaffen ist. Aber wir möchten und können Teil der Lösung sein. LPG bietet mehr als nur den Übergang zum non-fossilen Zeitalter".
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Das vollständige Doppelinterview können Sie für Zitierungen hier abrufen.
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