Macht Pflege krank? Martin Recht verrät, warum Pflegekräfte wirklich so oft ausfallen - und wo die Branche nachbessern muss
Köln (ots)
Martin Recht sorgt als Geschäftsführer von TIGA Recruiting dafür, dass Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen als Arbeitgeber attraktiv bleiben. Gemeinsam mit der Führungsebene und den Pflegekräften auf Station erarbeitet er konkrete Lösungen, die die Gewinnung und Bindung von Personal nachhaltig verbessern.
"Pflege macht krank" - so könnte ein Laie die Ergebnisse des TK Gesundheitsreports 2022 interpretieren. Während der durchschnittliche Berufstätige in Deutschland 13,9 Tage pro Jahr krankgeschrieben ist, liegt diese Zahl in den Pflegeberufen erheblich höher. Mit 22,3 Krankheitstagen im Jahr fallen Pflegekräfte im Durchschnitt etwa acht Tage länger krankheitsbedingt aus als andere Berufsgruppen. Martin Recht wendet jedoch ein: "Es ist nicht der Job selbst, der Pflegekräfte krank macht - sondern die Überlastung. Diese führt zu Dauerstress, der Pflegekräfte anfälliger für Krankheiten macht." Dabei beruft sich der Experte von TIGA Recruiting auf mehrere Studien sowie seine eigene Erfahrung aus der Arbeit mit Pflegekräften. Im Folgenden analysiert Martin Recht den Ist-Zustand in der Pflegebranche und zeigt auf, was sich ändern muss, um Pflegeberufe wieder attraktiv zu machen.
Dauerstress, fehlende Wertschätzung, Entmenschlichung - die prekäre Lage in den Pflegeeinrichtungen
Die Studie "Ich pflege wieder, wenn..." der Arbeitnehmerkammer Bremen und des SOCIUM der Universität Bremen zeigt Mängel in nahezu allen Bereichen. So erklärten 87,3 Prozent der befragten Aussteiger und Teilzeitkräfte, berufliches Selbstverständnis und Anerkennung seien zumindest tendenziell wichtig, um sie zur Rückkehr zu bewegen.
Diese Anerkennung hat dabei allerdings nicht nur finanziellen Charakter, wie die Umfrageergebnisse zeigen. Zwar sind Zulagen und ein höheres Grundgehalt für 84 Prozent der Befragten wünschenswert, wichtiger ist ihnen jedoch der Faktor Zeit. Diese ist in der Pflege bekanntlich knapp bemessen - vor allem, wenn Personal fehlt. Dadurch fällt es Pflegekräften vielerorts schwer, Pflegebedürftigen eine angemessene und hochwertige Pflege und menschliche Zuwendung zukommen zu lassen.
Diese menschliche Bindung zwischen Pflegenden und Pflegebedürftigen wird stark unterschätzt - auch von Führungskräften. Ist das Pflegepersonal ständig gestresst, wirkt sich dies auch auf diejenigen aus, die auf Pflege angewiesen sind. Schlimmstenfalls leidet also die seelische Gesundheit der zu Pflegenden ebenso wie die der Pflegekräfte, was das Arbeitsklima weiter verschlechtert.
Bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege sind kein Luxus, sondern von existenzieller Bedeutung
Die aktuelle Entwicklung droht den Kollaps des deutschen Gesundheitssystems zu beschleunigen. Im schlimmsten Fall könnten sogar weitere Pflegekräfte deswegen in andere Felder abwandern. Dennoch ist die Lage nicht hoffnungslos: In der Comeback-Studie des Gewerkschaftsverbands ver.di antworteten 42 Prozent der Befragten, sie seien grundsätzlich dazu bereit, in den Pflegeberuf zurückzukehren. Damit dies geschieht, müssen sich die Zustände in der Pflegebranche jedoch merkbar bessern.
Wertschätzung und die Art, wie sie zum Ausdruck gebracht wird, haben dabei eine entscheidende Bedeutung. Schon Gutscheine, Konsumguthaben oder kleine Sachgeschenke können in dieser Hinsicht große Wirkung zeigen, während Fördermaßnahmen für fachliche Fortbildungen und konkrete Lösungsansätze für die Probleme der Branche Aussteiger zurück in die Einrichtungen locken. Oftmals sind diese Vorzüge sogar effektiver als ein überdurchschnittliches Gehalt. Da sie Mitarbeiter-Benefits um eine persönliche Note ergänzen, fühlen sich Pflegekräfte als Menschen stärker wahrgenommen.
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