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Bußgeldregress gegen Manager – Auswirkungen des BGH auf die Versicherbarkeit von Bußgeldern in der D&O.

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Die D&O-Welt hat am 11. Februar 2025 gebannt nach Karlsruhe geschaut und mit Spannung die Entscheidung des BGH zu der Frage erwartet, ob ein Unternehmen, gegen das ein Bußgeld wegen eines Kartellrechtsverstoßes verhängt worden ist, seine Geschäftsführer oder Vorstandsmitglieder dafür in Regress nehmen kann. In unserem neuesten Blogbeitrag analysiert unser Head of Legal & Claims, Dr. Marcel Straub, den Beschluss des BGH und die Auswirkungen auf die Versicherbarkeit von Bußgeldern in der D&O-Versicherung.

Die D&O-Welt hat am 11. Februar 2025 gebannt nach Karlsruhe geschaut und mit Spannung die Entscheidung des BGH zu der Frage erwartet, ob ein Unternehmen, gegen das ein Bußgeld wegen eines Kartellrechtsverstoßes verhängt worden ist, seine Geschäftsführer oder Vorstandsmitglieder dafür in Regress nehmen kann. Ob Bußgelder regressiert werden dürfen, ist bereits lange ein vieldiskutiertes Thema mit unterschiedlichen Ansichten in der rechtwissenschaftlichen Literatur und der unterinstanzlichen Rechtsprechung. Anders als erhofft, hat der BGH noch keine Stellung bezogen, sondern die Frage dem EuGH vorgelegt.

Es bleibt daher weiterhin bei einer uneinheitlichen Rechtspraxis und die Auswirkungen auf die D&O-Versicherung müssen weiterhin abgewartet werden.

Entscheidungen der Vorinstanzen LG und OLG Düsseldorf

In dem zugrunde liegenden Sachverhalt waren die Klägerinnen, eine GmbH und eine Aktiengesellschaft, Teil einer Unternehmensgruppe in der Edelstahlproduktion. Der Beklagte war Geschäftsführer der GmbH und Vorstandsmitglied der AG. Er beteiligte sich von 2002 bis 2015 an einem Preiskartell in der Stahlindustrie, was zu Bußgeldern des Bundeskartellamts in Höhe von 4,1 Millionen Euro gegen die GmbH und 126.000 Euro gegen den Beklagten führte. Die Klägerinnen verlangten vom Beklagten die Erstattung des Bußgelds sowie Ersatz für entstandene IT- und Anwaltskosten.

Das Landgericht (LG Düsseldorf – Urteil vom 10. Dezember 2021 – 37 O 66/20) wies die Klagen auf Erstattung des Bußgelds und der Rechtsverteidigungskosten ab. Das Oberlandesgericht (OLG Düsseldorf – Urteil vom 27. Juli 2023 – VI-6 U 1/22) folgte dieser Auffassung und argumentierte, dass die gesellschaftsrechtlichen Vorschriften, nach denen Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder der Gesellschaft den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen haben, nicht auf Schäden angewendet werden können, die der Gesellschaft wegen gegen sie verhängter Kartellbußgelder entstehen. Eine Regressmöglichkeit würde dem Zweck des Kartellrechts zuwiderlaufen, da die abschreckende Wirkung von Bußgeldern nicht durch nationale Regelungen gemildert werden dürfe.

Exkurs: Entscheidung des LG Dortmund

Anders sieht dies grundsätzlich das LG Dortmund. In seinem Beschluss vom 21.06.2023 (https://openjur.de/u/2471461.html) zu einem anderen Fall hat das Gericht entschieden, dass ein Regressanspruch einer Gesellschaft gegenüber ihrem Geschäftsführer auf Ersatz von Schadenspositionen anzuerkennen ist, die der Gesellschaft dadurch entstanden sind, dass der Geschäftsführer an einem der Gesellschaft zurechenbaren Kartellrechtsverstoß mitgewirkt hat und die Gesellschaft daraufhin mit Bußgeldern belegt und mit Schadenersatzforderungen konfrontiert wurde.

So wie Dritte etwa im Rahmen der Verletzung vertraglicher Beratungspflichten gegenüber der Gesellschaft haften müssten, müsse dies auch der Geschäftsführer, wenn er seine organschaftliche Pflicht zur Unterlassung bzw. Verhinderung von Rechtsverstößen verletzt. Und da die Sanktionierung der Pflichtverletzung durch die Gesellschaft erst nach Verhängung der Geldbuße gegenüber dem Unternehmen möglich wäre, sei der Bußgeldregress auch die einzig mögliche Sanktionsmaßnahme gegen das Unternehmensorgan.

Die bislang gegen den Bußgeldregress vorgebrachten Argumente lehnte das LG Dortmund durchweg ab: Weder erachtete es die primäre Zahlungspflicht des bebußten Unternehmens als in Frage gestellt noch, dass es regelmäßig zu einer vollständigen Entlastung des Unternehmens aufgrund des Regresses kommen könnte. Das Unternehmen habe nämlich in Vorleistung zu gehen und sei dadurch dem Insolvenzrisiko seines Organs ausgesetzt. Damit bleibe die Abschreckungs- bzw. Präventionsfunktion des Bußgeldes weiterhin gewahrt.

Auch die Gefahr einer Abwälzung der Bußgelder auf den D&O-Versicherer schätzt das LG Dortmund als nicht schädlich ein. Denn bereits aufgrund ihrer Höhe würden Bußen nicht in vollem Umfang vom Geschäftsführer zurückerlangt werden können, da die Deckungssummen von D&O-Versicherungen regelmäßig überschritten sein dürften, sofern diese überhaupt in solchen Fällen zum Tragen kämen – man denke hier an den Vorsatzausschluss.

Beschluss des BGH

Welcher Ansicht der BGH folgt, bleibt aber auch nach dem Beschluss vom 11.2.2025 (https://www.bundesgerichtshof.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2025/2025031.html) weiterhin offen. Die Frage, ob eine nationale Regelung, die es einem Unternehmen ermöglicht, seine Geschäftsführer oder Vorstandsmitglieder für ein gegen das Unternehmen verhängtes Kartellbußgeld in Regress zu nehmen, mit dem Unionsrecht vereinbar ist, hat der BGH nämlich nun dem EuGH in einem sogenannten Vorabentscheidungsverfahren vorgelegt.

Die Vorlage begründet der BGH damit, dass nach § 43 Abs. 2 GmbHG und § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder, die ihre Obliegenheiten verletzen, der Gesellschaft grundsätzlich für den entstandenen Schaden haften. Ob dies auch bei einer vorsätzlichen Pflichtverletzung im Rahmen eines Preiskartells und eines verhängten Bußgeldes gelte, ist jedoch im Lichte der europarechtlichen Norm Art. 101 AEUV auszulegen. Der BGH möchte vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) daher wissen, ob Art. 101 AEUV der nationalen Regelung zur Geschäftsführerhaftung bei Kartellrechtsverstößen entgegensteht. Nach der Rechtsprechung des EuGH haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass die nationalen Wettbewerbsbehörden wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Geldbußen gegen Unternehmen verhängen können, wenn diese vorsätzlich oder fahrlässig gegen Art. 101 AEUV verstoßen. Mit den Geldbußen sollen rechtswidrige Handlungen der betreffenden Unternehmen geahndet und sowohl diese Unternehmen als auch andere Wirtschaftsteilnehmer von künftigen Verletzungen der Wettbewerbsregeln des Unionsrechts abgeschreckt werden. Die danach gebotene Wirksamkeit von Geldbußen gegenüber Unternehmen könnte jedoch beeinträchtigt sein, wenn sich die Gesellschaft von der Bußgeldlast durch Rückgriff auf das Leitungsorgan vollständig oder teilweise entlasten könnte. Daher stellt sich die Frage, ob die Abwälzung der Geldbuße des Unternehmens auf den Geschäftsführer nach Maßgabe gesellschaftsrechtlicher Vorschriften den Zweck der kartellrechtlichen Geldbuße beeinträchtigt.

Die Frage, ob Bußgelder regressiert werden dürfen, bleibt daher weiterhin offen und die Entscheidung des EuGH bleibt abzuwarten. Mit einer schnellen Antwort ist hierbei allerdings nicht zu rechnen. Die Antwort des EuGH in Vorabentscheidungsverfahren dauert im Schnitt ca. 1,5 Jahre.

Bußgelder und D&O

Ebenso umstritten wie die Frage, ob ein Bußgeldinnenregress haftungsrechtlich überhaupt möglich ist, ist die Frage, ob die gegen Unternehmen verhängten Bußgelder, die im Innenverhältnis gegen Organe regressiert werden, in der D&O versicherbar sind. Dies ist nicht pauschal zu beantworten und es sind verschiedene Aspekte des Anwendungsbereichs der D&O zu berücksichtigen. Insbesondere ist zu differenzieren, ob Versicherungsschutz für die Anspruchsabwehr des regressierten Bußgelds gewährt werden soll oder ob der Versicherer das Organ in Höhe des geltend gemachten Bußgeldes gegenüber dem Unternehmen freistellt.

Abwehrdeckung

An der Zulässigkeit der Abwehrdeckung, die auf die Verteidigung des gegen eine versicherte Person geltend gemachten Bußgeldes abzielt, bestehen keine rechtlichen Bedenken. In der D&O gewährt der Versicherer Abwehrdeckung, indem der (unberechtigte) Schadenersatzanspruch gegenüber dem Anspruchsteller zurückgewiesen wird. Der Versicherer trägt hierbei die Kosten eines auf die Abwehr von Haftungsansprüchen spezialisierten Rechtsanwalts sowie die sonstigen Kosten des Gerichtsverfahrens für die versicherte Person. Die Abwehrkostendeckung gehört zum Kern einer jeden D&O-Police und schütz die Organe vor unberechtigten Inanspruchnahmen.

Insbesondere vor dem Hintergrund, dass weiterhin keine höchstrichterliche Rechtsprechung existiert, die den Regress von Bußgeldern im Innenverhältnis zweifelsohne bejaht, wird die Abwehr des gegen die versicherte Person geltend gemachten Anspruchs auch zukünftig im Vordergrund stehen.

Kosten für PR-Beratung und Psychologische Betreuung

Darüber hinaus werden in einigen Spezialkonzepten (z.B. den Finlex Spezialkonzepten) bedingungsgemäß weitere Kosten getragen, die versicherten Personen im Zuge einer Inanspruchnahme entstehen können.

Versicherungsschutz besteht z.B. für die Kosten der Abwehr oder Minderung eines (drohenden) Reputationsschadens einer versicherten Person wegen einer in Medienberichten (behaupteten) Pflichtverletzung. Wird das in Anspruch genommene Leistungsorgan im Zuge des Bußgeldregresses beispielsweise Ziel einer Medienkampagne, so trägt der Versicherer die Kosten einer für die versicherte Person tätig werdenden PR-Agentur.

Gleiches gilt für eine etwaig notwendige psychologische Beratung des in Anspruch genommenen Organs. Auch hier übernimmt der Versicherer unter bestimmten Voraussetzungen die Kosten für die Betreuung der versicherten Person mit dem Ziel der Stressbewältigung durch einen anerkannten Psychologen oder Psychiater.

Versicherbarkeit von Bußgeldern (Freistellung)

Differenzierter zu beurteilen ist die Frage, ob das Bußgeld an sich ebenfalls versicherbar ist. Hier sehen die Finlex Bedingungen vor, dass Versicherungsschutz besteht bei Innenverhältnisansprüchen der versicherten Unternehmen gegen versicherte Personen, die aufgrund eines gegen ein versichertes Unternehmen verhängten Bußgeldes geltend gemacht werden. Kartellbußen, DSGVO-Bußgelder, Bußgelder i.S.d. Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes sowie sonstige Bußgelder, die gegen versicherte Personen im Innenverhältnis regressiert werden, sind somit grundsätzlich versichert.

Der Versicherungsschutz steht jedoch unter dem Vorbehalt, dass die Freistellung bzgl. des Bußgeldes nur umfasst ist, sofern der Versicherbarkeit kein gesetzliches Versicherungsverbot entgegensteht. Ob ein solches Verbot existiert, ist rechtlich höchst umstritten. Nach wohl noch herrschender juristischer Meinung ist ein verhängtes Bußgeld in Deutschland nicht versicherbar, weil der Versicherungsschutz den gesetzlichen Präventionszweck vereiteln würde. Es wird in der versicherungsrechtlichen Literatur jedoch auch vertreten, dass hier differenzierter vorzugehen sei. Danach müsse u. a. nach der Art des Bußgeldes unterschieden werden und es käme insbesondere darauf an, welcher Verschuldensgrad (Vorsatz, grobe Fahrlässigkeit oder leichte Fahrlässigkeit) für die Verletzung einschlägig ist.

Ob das Bußgeld an sich versichert ist, lässt sich daher pauschal weder bejahen noch verneinen. Solange der Gesetzgeber hierzu keine Klarheit schafft oder höchstrichterlich über die Frage der Versicherbarkeit von Bußgeldern entschieden wird, bleibt die Ungewissheit, ob Versicherungsschutz für Bußgelder besteht.

Auswirkung des Beschlusses des BGH

Abzuwarten bleibt, wie der EuGH die Frage des BGH beantwortet. Sollten EuGH und BGH einen Bußgeldregresse gegen Manager zulassen, hätte dies zweifelsohne zur Folge, dass auch D&O-Policen vermehrt mit der Abwehr oder Freistellung von Bußgeldregressen belastet würden. Der noch immer schwelende Streit, ob die gegen Unternehmen verhängten Bußgelder, die im Innenverhältnis gegen Organe regressiert werden, in der D&O versicherbar sind, könnte dadurch neue Fahrt aufnehmen.

Finlex D&O Spezialkonzepte

Mit den Finlex D&O-Policen sind Sie bis dahin jedoch gut gewappnet, da in diesen Versicherungsschutz für das Bußgeld an sich vorgesehen ist, sofern dem kein gesetzliches Versicherungsverbot entgegensteht. Darüber hinaus besteht Versicherungsschutz stets im Rahmen der Abwehrkostendeckung sowie für etwaige PR-Beratungskosten und Kosten für die psychologische Betreuung der in Anspruch genommenen Manager.

Die folgenden Bilder sind für den Nachdruck unter dem Vorbehalt der redaktionellen, nicht kommerziellen Nutzung freigegeben.

Dr. Marcel Straub | (Pressefoto)

Christian Reddig | (Pressefoto)

Bildnachweis: Finlex GmbH

Über Finlex GmbH

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Gegründet 2015, hat Finlex seinen Hauptsitz in Frankfurt am Main sowie Büros in Berlin, Düsseldorf, Essen und Wien. Rund 100 Mitarbeitende arbeiten an der Digitalisierung von Gewerbe- und Industrieversicherungen.

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