VDI Verein Deutscher Ingenieure e.V.
Drohende IT-Standortverlagerungen durch Absolventenschwund
Düsseldorf/Hannover (ots)
- Innovationsförderung heute größtes Manko - Indien, China und USA künftig vor Deutschland - Wachstumsmotoren: Multimedia vor "Embedded Systems"
Die seit zwei Jahren rückläufigen Anfängerzahlen in technischen Studiengängen könnten zu Standortverlagerungen deutscher Unternehmen ins Ausland führen, teilte VDI-Direktor Dr. Willi Fuchs anlässlich der CeBIT 2006 in Hannover mit. Bei der heute vorgestellten VDI-Umfrage unter 1.600 technischen Fach- und Führungskräften zu den Stärken und Schwächen des Deutschen IT-Standorts waren 78 Prozent der Meinung, die Standortverlagerung stelle bei weiter ausbleibenden Studienanfängern und den daraus resultierenden Absolventenschwund in technischen Disziplinen die größte Gefahr dar. Als IT-Länder der Zukunft sehen die befragten Experten Indien (30%) vor China (26%) und den USA (20 %). Auf Platz vier folgt Deutschland mit 10 Prozent der Stimmen. "Ein wichtiger Grund für diese Reihenfolge sind wohl die ausreichend vorhandenen Fachkräfte in diesen Ländern", legte Fuchs das Ergebnis aus. Alles in allem gaben die Befragten dem IT-Standort Deutschland die Schulnote "2,8".
Zu wenig F&E - aber technisches Ausbildungssystem mit Bestnoten
Als derzeit größten Nachteil des IT-Standorts Deutschland sahen 59 Prozent der technischen Fach- und Führungskräfte die fehlende politische Innovationsförderung in Deutschland an. "Der Anteil an Forschung und Entwicklung ist besonders im Mittelstand noch nicht ausreichend. Die richtigen staatlichen Ausgaben in F&E fördern den gesamten Technikstandort, wie das Beispiel Mikrosystemtechnik zeigt. Hier ist Deutschland mittlerweile Weltmarktführer, ganz massiv durch staatliche Unterstützung", forderte Fuchs die Politik zum Handeln auf. 52 Prozent vermissen ferner die Bereitstellung von genügend Risikokapital im Inland. Als deutlichen Standortvorteil hingegen empfinden 78 Prozent der Befragten die Qualität des technischen Ausbildungssystems und 75 Prozent die hervorragende technische Infrastruktur im eigenen Land.
Trotz der möglichen Gefahren zeigte sich Fuchs zuversichtlich, was die Zukunft des heimischen IT-Standorts betrifft: "Durch Initiativen wie 'Sachen machen!' oder 'Partner für Innovation', die für technische Studiengänge werben, bin ich positiv gestimmt, was die kommenden Studienanfängerzahlen betrifft." Auch 46 Prozent der Befragten vermuten, dass sich die Position des IT-Standorts in den kommenden zehn Jahren verbessern oder stark verbessern wird. Nur 18 Prozent rechnen mit einer Verschlechterung.
Multmedia, "Triple Play" und "Embedded Systems" als Wachstumsbringer der Zukunft
"Die Zukunft des IT-Standorts hängt besonders von den künftigen Wachstumszahlen ab", erläuterte der stellvertretende Leiter Technik und Wissenschaft im VDI, Dieter Westerkamp, die Relevanz zukünftiger Produkte. Laut Umfrage sehen 52 Prozent der Befragten in den "Multimedialen Anwendungen" in den kommenden zehn Jahren die größten Wachstumspotenziale. "Die zunehmende Verschmelzung von Web, TV und Telefonie zum "Triple-Play" wird sich nicht nur auf unser "digitales Zuhause" auswirken, sondern auch dazu führen, dass zunehmend neue Organisationsformen der Zusammenarbeit möglich werden, etwa durch mögliche "Telepräsenz" von erfahrenen Servicekräften oder beratenden Ärzten", beschrieb Westerkamp einen weiteren wichtigen Wachstumsmarkt, den 40 Prozent der Befragten wahrnehmen. 42 Prozent der technischen Fach- und Führungskräfte sehen in so genannten "Embedded Systems" weitere große Wachstumschancen. Embedded Systems beschreiben IT-Systeme, die in herkömmliche Produkte integriert werden, um neue Funktionen zu ermöglichen. So etwa die Elektronik in einem Kaffeevollautomaten, der nicht nur Kaffeemenge und -stärke reguliert, sondern zum Beispiel auch den Grad der Verkalkung diagnostiziert.
Deutliche Nachteile für den deutschen IT-Standort sehen die befragten Experten bei den Consumer-Products. 41 Prozent sehen Deutschland hier schwach bis sehr schwach. "Leider zeigt sich hier die deutsche Umsetzungschwäche von der Idee zum Produkt", so Westerkamp. "Der MP3-Player, eine deutsche Erfindung, wird mittlerweile zum größten Teil von ausländischen Firmen hergestellt. An dem für 2009 erwarteten Marktvolumen von 31,4 Mrd. Dollar wird Deutschland nur in geringem Maße teilhaben."
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